Teilhabe durch Leichte Sprache

Kurze Sätze, einfache Wörter

Eine Mitarbeiterin vom Büro für Leichte Sprache sitzt in der Hochschule Osnabrück vor einem Computermonitor - fotografiert am 6.1.2012 mit einem "Wörterbuch für Leichte Sprache".
Forschungsprojekt in Leipzig: Wie verständlich sind Fragebögen in Leichter Sprache? © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Von Bastian Brandau · 14.11.2016
An der Universität Leipzig untersuchen Wissenschaftler die Wirksamkeit von Leichter Sprache. Sie soll Menschen mit Lernschwierigkeiten eine bessere Teilhabe am Arbeitsplatz ermöglichen. Co-Forscher helfen dabei, die Verständlichkeit von Fragebögen zu bewerten.
"Wenn Irmi mal in den Zoo kommt, und wir lesen Texte, dann sage ich: Da fehlt ein Bindestrich, da fehlt ein Strich und so..."
Bindestriche sind wichtig für Dirk Herzog. Er kann dann zusammengesetzte Worte besser erkennen und verstehen. Herzog arbeitet im Zoo seiner Heimatstadt Leipzig, gerade hat der 27-Jährige noch einen anderen Job: Er ist Co-Forscher im Projekt Leisa an der Universität Leipzig. Sozialwissenschaftler und Sprachwissenschaftler wollen herausfinden: Wie kann Leichte Sprache Menschen mit Lernschwierigkeiten eine bessere Teilhabe am Arbeitsplatz ermöglichen?
Die Co-Forschenden testen dabei die Verständlichkeit von Fragebögen. Mit den von ihnen abgesegneten Unterlagen befragen anschließend Projektmitarbeiterinnen wie Anja Seidel Menschen in ganz Deutschland an ihren Arbeitsplätzen. In Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, integrativen Betrieben und auf dem ersten Arbeitsmarkt.
"Die Untersuchungsgruppe sind insgesamt 60 Leute. 30 davon bekommen nur den Fragebogen, mit denen füllen wir nur den Fragebogen aus. Und 30 bekommen den Fragebogen und dann noch so eine Arbeitsplatzanalyse. Dann beobachten wir den Arbeitsplatz, gucken, welche Materialien vorhanden sind, welche Texte vorhanden sind. Ob es Möglichkeiten gibt, das zu vereinfachen oder Texte zu erstellen, die den Arbeitsablauf beschleunigen oder effizienter machen."

Co-Forscher sagen ihre Meinung

Bei mehreren Treffen haben Dirk Herzog und vier weitere Co-Forschende in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Meinung gesagt zu den Texten. Was ist für Sie verständlich, was nicht? Und wie kann man es verbessern? Zur Fokusgruppe gehört auch Josef Ströbl, der die Leichte Sprache in Deutschland mitgeprägt hat. Er hat als erster in Deutschland Schulungen in Leichter Sprache gegeben, das Netzwerk Leichte Sprache mitgegründet. Ströbl beschreibt, worauf er bei der Überprüfung der Fragebogen geachtet hat:
"Ob das dann so ein Kästchen ist, ob man dann so einen Punkt, oder unterstreicht. Oder: Wie viele Fragen kann man eigentlich stellen und wie tut man die Frage stellen?"
Große Kästchen sind wichtig, nicht zu viele Fragen auf einer Seite. Kurze Fragen, einfache Wörter, Bindestriche. Und: Bilder helfen bei abgestuften Antworten auf die Fragen, die Seidel stellt, etwa: Wie werden neue Arbeitsschritte erklärt? Oder: Können Sie ihre Rechte am Arbeitsplatz durchsetzen?
"Ja" bedeutet: Ich kann das ganz alleine, diese Bildchen bedeuten, ich kann das ganz alleine, ich brauche keine Hilfe.
"Das ist ein Mensch, der auf sich selbst zeigt."
"Genau, das wäre das Äquivalent zu ja. Ich kann das gar nicht, wäre das Äquivalent zu nein, also das habe ich noch nie gemacht, kann ich nicht. Und dann gibt's noch so die Abstufungen: Das kann ich, das habe ich auch schon mal gemacht, ich brauche aber noch ein bisschen Unterstützung dabei, um das gutzumachen. Oder eben: Ich brauch ganz viel Unterstützung. Das wäre dann das Äquivalent zu eher nein. Also wir haben das dann bildlich dargestellt mit mehreren Leuten, die helfen."

Schulungen für die Arbeitgeber

Auch die jeweiligen Arbeitgeber sind mit in das Projekt einbezogen, etwa auf gemeinsamen Schulungen. Seidel und die anderen akademisch Forschenden können ihren Co-Forschenden von ersten Erfolgen berichten. Bedienungen von Kassen wurden übersetzt, von Nähmaschinen. In einem Café trauen sich alle Mitarbeitenden jetzt zu, Eier zu kochen - seitdem es eine leicht verständliche Anleitung dafür gibt. Anleitungen, die Schritt für Schritt einen Arbeitsablauf erklären, seien besonders gefragt. Insbesondere an Arbeitsplätzen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, sagt Anja Seidel.
"Dann habe ich den Eindruck, da ist auch bei denen so ein Bewusstsein entstanden: Ach, das macht ja Sinn, was die hier machen und das ist ja vielleicht gar nicht so schlecht und jetzt kommt auch die Rückmeldung aus einzelnen Werkstätten, mit denen wir zusammen arbeiten: Wir haben jetzt auch so eine Leichte-Sprache-Übersetzungsgruppe gebildet, so eine Prüfgruppe, und machen jetzt unsere eigenen Texte."
Weil die Arbeit mit Co-Forschenden zeit- und damit geldintensiver ist, gelte sie in Deutschland in der Forschung längst nicht als Standard, sagt Seidel. Das Leipziger Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – und das hat dafür auf der Zusammenarbeit mit Co-Forschenden bestanden. Zur Zufriedenheit auch von Josef Ströbl vom Netzwerk Leichte Sprache:
"Da haben sie sich vorher Gedanken gemacht und uns dann gesagt: Ist das so in Ordnung? So sollte es ja allgemein sein."
"Und da zeigt sich, dass in Werkstätten schon sehr, sehr viel mit Texten in leichter Sprache gearbeitet wird, in den integrativen Betrieben noch nicht ganz so viel. Und es wird auch deutlich, dass vor allem Texte, die den Arbeitsprozess beschreiben, also solche die zeigen, welchen Schritt kannst du wie wann machen, dass es die noch sehr wenig gibt, und dass da noch ein sehr großer Bedarf besteht."
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