Teenager-Mütter auf Probe

Von Stephanie Kowalewski · 18.03.2009
In Deutschland werden jedes Jahr etwa 15.000 minderjährige Mädchen schwanger. Rund die Hälfte der Teenager wird Mutter. In Amerika und Großbritannien sind die Zahlen noch höher. Das brachte einen US-Hersteller auf die Idee, elektronische Babysimulatoren zu entwickeln. Mit den Puppen können Jugendliche üben, wie es ist, einen Säugling versorgen zu müssen.
Auch in Deutschland setzen Sozialpädagogen aus Jugendämtern und Schwangerschaftsberatungen die Puppen ein, um Jugendlichen solche Erfahrungen zu ermöglichen.

Der erste Kontakt mit dem elektronischen Babysimulator ist eine echte Herausforderung für die Schülerinnen der achten Klasse der Krefelder Gesamtschule.
"Es will geschaukelt werden, glaube ich. Mein Gott ist das kompliziert. Man weiß ja gar nicht, was das will."

Ab jetzt sind die Mädchen Mutter auf Zeit. Drei Tage und drei Nächte werden sie nun einen Säugling aus Plastik und Elektronik möglichst so behandeln, als wäre es ein Baby aus Fleisch und Blut. Auch die 13jährige Sonja und die 14 Jahre alte Alina nehmen ein Baby mit nach Hause.

"Ich finde das irgendwie interessant und ich hatte irgendwie Lust auf die Puppe. Ist mal was anderes, ich hatte ja noch nie ein Kind (lacht)/ Also meine Eltern sagen immer, oh mit Kindern ist eigentlich total anstrengend. Wenn man selber Kind ist denkt man, ja kriegt man schon hin. Und deshalb wollte ich mal ausprobieren, wie das so ist."

Die rund drei Kilo schweren und 53 Zentimeter großen Hightech-Puppen sind Teil eines Elternpraktikums, das der Sozialdienst Katholischer Frauen seit ein paar Jahren in Krefelder Schulen anbietet. Während des Elternpraktikums sollen die Jugendlichen testen, wie es ist, Verantwortung für ein Neugeborenes zu haben, sagt Brigitte Munch, Lehrerein an der Krefelder Gesamtschule.

"Die Kinder sind hinterher zwar oft total erschossen, haben also mitbekommen, was es heißt, einen Säugling zu haben. Wir haben seitdem glaube ich keine Schwangerschaft mehr an der Schule gehabt, vorher gab es schon mal Schwangerschaften."

Die Elternzeit für ihre Schüler geht von Donnerstag bis Sonntag. So können sie die Erfahrung machen, wie es ist, nach einer durchwachten Nacht zur Schule zu gehen, sagt die Leiterin der SKF-Beratungsstelle, Sabine Heimes.

"Und damit die die Erfahrung machen, am Wochenende: Was kann ich alles nicht mehr machen, was ich vorher gemacht habe. Es geht einfach darum, die Erfahrung zu machen, ja – auf was lässt man sich ein, wenn man in unserem Alter ein Baby bekommt."

Die Puppe sieht nicht nur beinahe aus wie ein lebendiges Baby, sie verhält sich dank eingebautem Minicomputer auch ähnlich. Die elektronischen Kinder lassen sich in drei Schwierigkeitsstufen programmieren: leicht, mittel und schwer. Sabine Heimes setzt auf einen möglichst realistischen Tagesablauf bei mittlerer Schwierigkeitsstufe und schaltet den Zufallsgenerator ein.

"Die haben Tagesabläufe von echten Babys gespeichert und die spulen die auch ab. Das sind aber Tagesabläufe, die sehr unregelmäßig sind. Das heißt, die Babys schreien, weil sie gefüttert werden wollen, gewickelt werden wollen, sie müssen Bäuerchen machen oder manchmal auf dem Arm geschuckelt werden. Das müssen die Jugendlichen machen."

Über eine kleine Tastatur an einem Steuergerät stellt sie die Schwierigkeitsstufe ein, legt fest, wann das Baby aktiv wird und wann es sich ausschalten soll. Diese Daten werden an den Computer im Baby gesendet.

"Und das mache ich jetzt, indem ich das Steuergerät an einen Identifikationspunkt beim Baby dran halte. Das ist das Geräusch. Es hat es genommen. Und jetzt sagt mir das Steuergerät: Baby gefunden, Sofie startet in 4,6 Stunden, Pflegestufe, Batterie ist ok. Und das Baby ist jetzt programmiert."

Über die Identifikationspunkte am Körper der Puppe wird auch sichergestellt, dass sich tatsächlich nur die jeweilige Jugendliche um das Baby kümmert. Dazu bekommen die Mädchen ein verplombtes Armand angelegt, in dem ein Chip ist, mit dem sie sich quasi vor jedem Babykontakt identifizieren. Technisch ist das kein Problem, meint Sonja.

"Manchmal, da weint die Puppe sehr und dann wird man ein bisschen hibbelig und so, weil man will, dass die endlich aufhört, und dann findet man den Punkt vielleicht nicht direkt, aber eigentlich ist das ganz einfach."

Auch die Trinkflasche und die Windeln sind mit einem entsprechenden Chip versehen. So wird alles, was die Mädchen tun - oder eben nicht tun - lückenlos aufgezeichnet. Der 14jährigen Alina macht das schon ein wenig Druck. Sie lässt ihr Baby nicht aus den Augen.

"30 Sekunden oder so schreit es ja, dann zeichnet es schon Vernachlässigung oder so auf. Dann möchte ich nicht, dass es so aussieht, als hätte ich das die ganze Zeit schreien gelassen und deswegen ist es dann immer bei mir."

Alles, was der Chip im Bauch des elektronischen Babys aufzeichnet, wird anschließend von Sabine Heimes über das Steuergerät ausgelesen. So erfährt sie genau, wie oft das Kind gewickelt werden wollte, wie oft es länger als zwei Minuten unversorgt blieb und wie häufig der empfindliche Kopf des Säuglings nicht richtig gehalten wurde.

"Das Baby unterscheidet selber. Das unterscheidet zwischen Kopfstütze, das unterscheidet zwischen grober Behandlung und Schütteltrauma. Das gibt es dann in der Auswertung auch wieder."

Wird das Baby zu schlecht behandelt, schaltet es sich über einen Notstopp aus. Andererseits speichert der Chip im Babybauch nicht, wenn sich die Eltern auf Zeit besonders gut um die Puppe kümmern.

"Das finde ich das Problematische bei diesen Puppen. Wenn sich jemand richtig doll kümmert, dann ist das Resultat eigentlich, dass das Baby relativ wenig schreit. Das interessiert das Baby nicht, weil das ja programmiert ist. Es hat auch keine Mimik. Das finde ich auch sehr schade."

Dennoch kostet eine elektronische Babypuppe knapp 800 Euro. Es gibt Jungen und Mädchen in sieben unterschiedlichen Hautfarben, gesunde Puppen, und solche, die durch Alkohol- und Drogenmissbrauch während der Schwangerschaft geschädigt sind. Sie sind deutlich kleiner und dünner als die gesunden Simulatoren, sie zittern am ganzen Leib und schreien in einer sehr schrillen Tonart. Und sie alle können ihre jungen Mütter auf Zeit bis an die Belastungsgrenze führen, hat Alina erfahren.

"Als das geschlafen hat, hab ich erstmal versucht, Hausaufgaben zu machen, andere Sachen zu machen. Und ich bin noch nicht einmal dazu gekommen zu essen, weil das auch was wollte. Also ich kann mir das nicht vorstellen, dass man das alles richtig managen kann."

Dennoch verändert das Elternpraktikum bei den meisten Jugendlichen nicht den generellen Wunsch nach Kindern. Das soll es auch gar nicht. Aber es macht ihnen deutlich, was eine frühe Schwangerschaft bedeutet, meint Alina.

"Kinder möchte ich schon, aber jetzt erst mal nicht. Ich warte, bis ich alt genug dafür bin. Weil das ist richtig anstrengend, boh."
Eine elektronische Babypuppe soll Teenagern die Mühen der Mutterschaft verdeutlichen.
Eine elektronische Babypuppe soll Teenagern die Mühen der Mutterschaft verdeutlichen.© skf krefeld