Tapeten in Paris

Unsere Wand soll schöner werden

'Perished' vom belgischen Künstler Job Smeets und der holländischen Künstlerin Nynke Tynagel
300 Meisterwerke aus 400 Jahren im Musée des Arts Décoratifs © picture alliance / dpa / Dominic Favre
Von Jürgen König · 21.01.2016
Zum 400. Geburtstag der Tapete ist derzeit eine bedeutende Sammlung des Pariser Musée des Arts décoratifs zu sehen. Blumen, Wälder mit Pfauen und Papageien, der Garten Eden im Panoramablick: Es sind Tapeten zu sehen, die dekorativ sind – und große Kunst.
Es soll ja Menschen geben, die sich jenseits von "Rauhfaser weiß" keine andere Wandverkleidung vorstellen können. Ihnen sei – und wäre es nur mit den Bildern der sehr schönen Internetseite - das Musée des Arts décoratifs sehr empfohlen. Dort sind Tapeten zu sehen, die dekorativ sind – und große Kunst. Staunend steht man davor: was haben sich Menschen nicht alles einfallen lassen, um ihre Wände zu schmücken!
Blumenwälder; Urwälder mit Pfauen und Papageien; der Garten Eden im Panoramablick; Fayencen; Vasen; Blätter; Affen, die eine Balustrade entlangschleichen; Bordüren und Draperien; das Hochhausmeer von Manhattan; Rokoko-Mohren, die auf Schaukeln schaukeln, Korallenstämme wie unter Wasser; Fächer und Paravents im japanischen Stil; da ist der Frühling als Tänzerin von Arabesken umgeben - eine Tapete von 1786 -; dort galoppiert eine Zebraherde an einem vorbei – eine Tapete von 2009 -; geometrische Landschaften aus Kreisen, Punkten, feinen Linien oder auch: sich weit wallende Vorhänge, die gar keine Vorhänge sind, sondern Tapeten in der schönen Trompe-l'oeil-Technik, bei der man glaubt, vor einer barocken Flügeltür zu stehen, tatsächlich steht man vor einer tapezierten Wand.
Die Tapetensammlung des Pariser Musée des Arts décoratifs ist bedeutend, aus dem späten 15. Jahrhundert stammt das älteste Stück. Hervorgegangen aus Buchmalerei und Grafik, braucht es rund 250 Jahre, damit die Tapete - eine Tapete wird. Die Kuratorin der Ausstellung, Véronique de La Hougue:
"Zunächst hat man Tapeten behandelt wie Grafiken – man hat das einzelne Blatt Papier gedruckt und dann die Blätter so zusammenfügt, dass sie eine ganze Wand bedecken konnten. Das war nicht leicht! Und dann haben die Engländer - Anfang des 18. Jahrhunderts - eine neue Technik entdeckt: sie haben 24 Blätter, Stück für Stück, zusammengeklebt, um eine Rolle zu bilden – und die wurde dann bedruckt. Etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts war diese Technik ausgereift – und wir haben sie sofort kopiert! Das war die Geburtsstunde der Tapete, und sie emanzipierte sich bald schon von der Grafik - und es waren sehr angesehene Künstler, die dann Tapeten entwarfen."
Tapeten schaffen Räume
Sechs Säle. Sie zeigen Motive, die immer wiederkehren, verdeutlichen Techniken, die immer weiter verfeinert werden. Und rufen ins Bewusstsein, dass Tapeten erst die Räume schaffen, in denen Möbel, Gemälde, Kunstgegenstände – und auch wir Menschen - glänzen können.
Die Idee zu der Ausstellung? Véronique de La Hougue.
"Ganz einfach - wir wollen unsere Sammlung zeigen! Das ist wirklich ein ganz wesentlicher Grund, wir haben nicht oft dazu Gelegenheit! Wir wollen die Bedeutung der Sammlung zeigen, ihren Reichtum, auch ihren Abwechslungsreichtum, es sind auf ganz verschiedenen Ebenen so viele Anspielungen und Entsprechungen darin, wir zeigen von jeder Art nur wenig, aber halten doch alles Typische fest. Und auch wollen wir ihre Aktualität belegen! Deshalb haben wir auch die Epochen - vermischt ..."
Der Rundgang folgt keiner Chronologie. Zu sehen sind: Tapeten. Die wenigsten in der uns bekannten Rollenform, sondern in bald allen Größen, Hochformate, Querformate – manche wie Gemälde, lebensfroh die einen, an den Tod mahnend die anderen: Stillleben aus Fischgräten, zerbrochenen Eiern, Orangenschalen und geöffneten, leeren Austern; oder: weiß auf ultramarinblau, sehr dekorativ: Hundeskelette, Vogelskelette, Eidechsenskelette, Schildkrötenskelette - rhythmisch geordnet, in ihrer Mitte, zum Kreuz geformt: vier menschliche Skelette, sie stecken die Köpfe zusammen, als wollten sie sich beraten.
Und dann steht man da, denkt an sein Zuhause – und bekommt richtig Lust auf neue Tapeten.
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