Tanzstil Voguing

Aus dem Kellerclub in die Tanzschule

Voguing-Ikone Hector Xtravaganza agiert im Rahmen des Voguing Festivals auf dem Vogue Ball am 11.08.2012 in Berlin.
Voguing-Ikone Hector Xtravaganza beim Berliner Voguing Festival im Jahr 2012 © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Von Azadê Peşmen · 01.07.2016
"Strike a pose!" So lautet das zentrale Motto beim Voguing. Kein Wunder, denn die Bewegungen sind von Models und ihren Posen inspiriert. Der Tanzstil entstand im New York der 1980er - und ist inzwischen auch in Deutschland beliebt.
"On the Dancefloor, please!"
Die Tanzfläche ist in dem kleinen Hinterzimmer einer Berliner Bar: ein mit weißen Klebestreifen abgetrenntes, längliches Rechteck. Das ist der Laufsteg, auf dem die Tänzer sich der Jury präsentieren. Zu sehen gibt es Voguing. Ein Tanz, der in der New Yorker Untergrund-LGBT-Szene der Schwarzen und Latinos entstanden ist. Der Name kommt - nicht allzu überraschend - von der Modezeitschrift "Vogue". Die Schritte sind dem Modelling nachempfunden: übertriebene Posen, rechtwinklige Armbewegungen, gerade Linien, wie auf dem Laufsteg. Der Basisschritt: Stolzieren.
Und zwar so selbstbewusst und auffällig wie nur möglich . Bei Wettbewerben, den Voguing Balls, treten die einzelnen Tänzer gegeneinander an. Voguing besteht aber nicht nur daraus, in Wettkämpfen miteinander zu konkurrieren, denn organisiert sind Tänzer in so genannten 'Houses', erklärt Lucy Lu Ninja:
"Ein 'House' ist wie eine Familie, wir helfen einander und unterstützen uns gegenseitig im Leben und in der Ballroom-Szene. Darum geht’s in der Ballroom-Kultur. Mittlerweile ist das Ganze auch gewachsen, die meisten Houses sind international und haben sich in New York gegründet. Zum Beispiel House of Ninja, House of Mizrahi, House of Ebony. Die stammen alle aus New York und kommen jetzt langsam nach Europa und rekrutieren hier ihre Mitglieder."
Voguing-Szenen in Berlin und Düsseldorf
In Deutschland ist die bekannteste Gruppe das House of Melody.Vor vier Jahren hat Georgina Philp die Gruppe in Düsseldorf gegründet, und organisiert Workshops und Voguing-Balls. Voguing wird mittlerweile auch in der urbanen Tanzszene immer mehr anerkannt. Bei einem der größten internationalen Wettkämpfe, Funkin Stylez in Bochum, sind Tänzer in diesem Jahr nicht nur in der Kategorie Hip Hop gegeneinander angetreten, sondern auch im Voguing. Die wachsende Akzeptanz und Beliebtheit hängt auch mit der Vernetzung der Tänzer untereinander zusammen. Lucy Lu Ninja ist erst vor einigen Monaten von Paris nach Berlin gezogen, ist aber jetzt schon in der Szene aktiv:
"Das Ding ist, in Europa wissen wir was andere Voguing-Tänzer machen, sie organisieren Balls, wenn zum Beispiel hier ein Ball organisiert wird, dann komme ich aus Paris hierher um mitzumachen und so lernen wir uns gegenseitig kennen. Als ich hierhergezogen bin, habe ich angefangen Unterricht zu nehmen, bei den anderen Tänzern und habe damit weitergemacht, womit ich in Paris schon begonnen habe."
Die Subkulturellen Kellerräume hat Voguing –zumindest zum Teil verlassen. Namhafte Institutionen wie das Tanzhaus NRW in Düsseldorf bieten Voguing-Kurse an, das Hebbel am Ufer Theater in Berlin veranstaltete im vergangenen Jahr ein ganzes Voguing-Festival. Wird Voguing dadurch immer kommerzieller?
Im Mainstream der Tanzschulen angekommen
"Voguing ist ein Tanz, von daher ist es auch legitim, dass es in Tanzschulen angeboten wird, also es ist unglaublich hip für Fashion Events und derlei Geschichten und das soll es wahrscheinlich auch sein."
Sagt Andra, die unter ihrem alter Ego Zueira Mizrahi tanzt. Sie moderiert die Voguing Session an diesem Abend. Ihr ist es wichtig, in einem kleinen Rahmen Menschen dafür zu begeistern und denjenigen eine Bühne zu bieten, die sich auf groß angelegten Veranstaltungen vielleicht nicht trauen würden. Dass der Tanz es mittlerweile aus den Kellerräumen heraus geschafft hat, findet sie ganz gut, denn sonst hätte sie als weiße, heterosexuelle Frau, den Zugang zu dieser Szene gar nicht bekommen, wenn:
"Die sich nicht geöffnet hätte, für die Welt außerhalb von schwul, schwarz, safety zone, weil es ist ja eine safe zone, für benachteiligte, immer noch benachteiligte Protagonisten sozusagen."
Voguing ist auch eine Art des Empowerments, der Selbstermächtigung, betont Lucy Lu Ninja:
"Im Moment geht vieles von den Tanzschulen aus, Leute fangen an, dort Unterricht zu nehmen, interessieren sich mehr dafür. Dann werden sie zu den Balls eingeladen und fangen an zu üben. Und jetzt wollen wir das ganze wieder mehr in queere Räume bringen, vor allem Queer People of Color Räume. Wir wollen diese Menschen anziehen, weil das auch unser kulturelles Erbe ist. Wir wollen das wieder mehr in die Community reintragen."
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