Tanzend zur Weltspitze

Von Mirko Schwanitz · 08.05.2006
Das Berliner Staatsballett hat sich zu einer der besten Tanzcompagnien der Welt entwickelt. Und das liegt nicht nur an Vladimir Malakhov, der als Ballettmeister in Berlin fungiert, sondern auch an Tänzerinnen wie Beatrice Knop. Sie hat sich langsam und fast unbemerkt an die Weltspitze getanzt und begeistert mit ihrem Stil das Publikum.
Wenn Beatrice Knop in der Berliner Staatsoper über die Bühne schwebt, dann kann das Publikum gar nicht anders – es muss dieser Tänzerin einfach verfallen. Langsam und fast unbemerkt hat sie sich in die Weltspitze getanzt und die Reaktionen des Publikums sind der bescheidenen 31-Jährigen immer noch ein Rätsel.

"Wenn der letzte Vorhang fällt, dann empfängt man die Meinungen von Zuschauern und das ist irre, alle kommen auf einen zu und sind ergriffen und begeistert und man hört sich diese Worte an und kann gar nicht begreifen, dass über einen selber gesprochen wird."

Im Übungsraum überragt sie mit 1,73 Metern Körpergröße ihre russischen, italienischen, bulgarischen Kolleginnen. Wer sie hier bei den Proben erleben darf, bekommt eine Ahnung von dem Geheimnis, das Beatrice Knops Erfolg auf der Bühne ausmacht.

"Ich verschwinde als Beatrice Knop, bin nicht mehr ich selber und das ist was Verrücktes, je tiefer man wirklich in eine Gestalt schlüpft, um so einfacher wird der ganze Tanz."

Angefangen hat alles auf einer der überfüllten Straßen im Ostteil Berlins.

"Das war der Wunsch der Eltern, dass Kind so ein bisschen zu bewegen, weil, das hopst immer vorneweg, die kann nicht an der Hand laufen. Und das Kind braucht also Bewegung. Und die Idee war, na, dann lass das Kind tanzen. Und zusätzlich hatten wir einen Bekannten, der selbst Tänzer war. Der Ausschlag gebende Moment war für mich eine Vorstellung in der Komischen Oper, wo er den Romeo getanzt hat, und diese Vorstellung hab ich gesehen und gedacht: Das will ich auch!"

Die Eltern, beide sind bis heute in der Baubranche tätig, hörten es mit Freude. Hatte doch die Mutter einst selbst davon geträumt Tänzerin zu werden. Mit acht Jahren schickten sie ihre Tochter auf die Staatliche Ballettschule der DDR, an der neben Deutsch, Russisch, Physik und Chemie, Tanzen das eigentliche Hauptfach war.

"Man steht dann da mit 40 anderen kleinen Mädchen an so einer Ballettstange und realisiert im dritten Ausbildungsjahr, dass das alles nicht lustig ist und das man ein Stück seiner Kindheit aufgibt. Es wird einem ständig klargemacht, dass das, wie es jetzt ist, ist nicht gut genug. Aber mich hatte der Ehrgeiz gepackt, ich dachte, ich muss das können."

Hier, an der Berliner Ballettschule erhielt sie eine Top-Ausbildung. Hier wurden ihr aber auch alle Chancen auf eine frühere internationale Karriere genommen, als sie als 16-Jährige bei einem der renommiertesten Ballettwettbewerbe, dem "Prix de Lausanne", den dritten Preis gewann

"Kann mich sehr gut erinnern. Theoretischerweise ist dort beim Prix des Lausanne ein Stipendium damit verbunden. Man kann eine Ballett-Schule wählen, an der man zum Beispiel zwei Jahre studiert und lernt. Diese Möglichkeit hatte ich nicht, weil wir waren ja aus der DDR. Ich könnte mir vorstellen, dass mein Weg ein anderer gewesen wäre, wenn ich damals ein Stipendium in London hätte annehmen können."

Die Wende und Nachwendejahre erlebt Beatrice Knop an der Berliner Staatsoper - auf ganz eigene Weise.

"Komischerweise, dieser ganze Wirbel um mich herum, Mauerfall, das war für mich so zweitrangig, das war unglaublich. Aber mein Hauptaugenmerk lag erst einmal darauf, in dieser Compagnie Fuß zu fassen, so dass die Zeit des Mauerfalls wirklich fast spurlos an mir vorüber gegangen ist."

Während die Nachwendejahre an ihr vorbeirauschten, erlebte sie andere viel bewusster. Jene, in denen in Berlin 100 Tänzer ihren Job verloren und jene, in denen das neue Staatsballett ohne künstlerischen Leiter, ohne Richtung und Ziel dahindümpelte, durchlitt sie mehr als sie sie durchlebte.

"Wir hatten das ja viele Jahre hier. Eine unschöne Situation. Die Leute haben nicht miteinander gesprochen, sind sich aus dem Weg gegangen. Ich bin ein sehr harmoniesüchtiger Mensch. Ich mag mich wohl fühlen in meinem Umfeld. Es war mir fremd, woanders hinzugehen, Menschen nicht zu kennen, Stücke nicht zu kennen."

Dennoch überwindet sie ihre Scheu, probiert sich aus, tanzt in Essen und Düsseldorf. Dass sie schnell wieder zurückkehrt, hat mit Heimweh zu tun. Aber auch mit Vladimir Malakhov, dem ukrainischen Weltstar, der vor vier Jahren die Leitung des Staatsballetts übernahm.

"Vladimir hat es geschafft, dass wir fünf erste Solistinnen eine superwunderbares Verhältnis miteinander haben, weil er allen klarmacht, dass jede anders ist und er gibt einem Chancen zu tanzen. Und die gibt er sehr gerecht."

Lange Zeit wurmte es sie, dass auch Malakhov sie wegen ihrer großen und eleganten Erscheinung vor allem für starke Frauenrollen besetzt. Seit einem Gespräch mit dem Meister ist auch das anders geworden.

"Ich tanze in vielen Balletten beide Rollen – die Mutter und den Schwan, die starke Hamsatti und die sensible, sanfte Nikia, die Myrtha und die Giselle."

Erst in dieser Doppelbesetzung entfaltet sich nun endlich das ganze Talent der Beatrice Knop, die sich mit 31 noch längst nicht zu alt zum Tanzen fühlt.

"Also besonders im Osten war es eigentlich so, dass man auf dem künstlerischen Höhepunkt erst mit Mitte 30 sein konnte, weil man auch als Frau erst dann soweit war. Ich möchte noch viel tanzen, weil ich als Frau habe ich gerade eine Phase, wo ich anfange, mir selber wirklich zu vertrauen, meiner Stärken bewusst zu sein."

Das die renommierte englische Fachzeitschrift "Dance Europe" zählt das Berliner Staatsballett inzwischen zu den vier besten Tanzcompagnien der Welt. Das hat nicht nur mit einem Vladimir Malakhov zu tun. Sondern auch mit Tänzerinnen wie Beatrice Knop.