Tanz-Festival in Tel Aviv

Unerschrocken in der Ästhetik des Grotesken

Blick von Jaffa aus auf Tel Aviv
Alljährlich Schauplatz des Tanz-Festivals: Tel Aviv © Deutschlandradio.de / Andreas Main
Von Elisabeth Nehring · 07.12.2014
Fünf Tage, ein geballter Überblick, alle großen Namen vertreten: In Tel Aviv findet in diesen Tagen das Tanzfestival "International Dance Exposure" statt. Mit zwei Produktionen ist Yasmeen Godder vertreten. Ihre Arbeiten sind drastisch, grotesk - und ohne Zweifel ein Höhepunkt des Festivals.
Jedes Jahr zieht die International Dance Exposure wieder zahlreiche internationale Programmmacher, Agenten, Kuratoren und Pressevertreter nach Tel Aviv. Die Präsentation gibt innerhalb von fünf Tagen einen geballten Überblick über das zeitgenössische Tanzschaffen des Landes.
Wieder sind alle großen Namen wie die Batsheva Dance Company, die Inbal Pinto and Avshalom Pollak Dance Company, die Vertigo Dance Company sowie Yasmeen Godder dabei, wieder sorgen einige von ihnen für die Höhepunkte des fünftägigen Festivals, das auch vom lokalen Tanzpublikum aufmerksam verfolgt wird.
Reflexionen auf 15-jähriges Schaffen
Ohad Naharin eröffnete das Festival mit verschiedenen kürzeren Stücken, präsentierte eine Companie auf der Höhe ihres Schaffens und bewies, dass er im Sinne des choreographischen Materials und Handwerks noch immer einer der interessantesten Tanzmacher des Landes ist.
Ganz anders, inhaltlich stärker und auch berührender arbeitet Yasmeen Godder, die mit zwei Produktionen vertreten war: dem ursprünglich für eine Tanzausstellung im Museum entstandenen Gruppenstück "Climax" und ihrem jüngsten Solo "Lie Like a Lion" (Ende Februar 2015 zu sehen im Tanzhaus NRW). Beide Arbeiten sind als Reflektionen auf ihr 15-jähriges Schaffen zu verstehen; noch einmal werden alle Gesten, Gebärden, Bewegungen, Zustände, die ihr Werk wiedererkennbar durchziehen, auf die Bühne gebracht: Verkrampfungen der Körper, plötzliches Fauchen, sexuell-vulgäre Gesten, deformierte Gesichter, überspannte Muskeln.
Die Ausstellung "The Art of Dance" in Jerusalem ist klug kuratiert
Vollkommen isoliert dargestellt und aus jedem Zusammenhang gerissen "springen" uns, den Zuschauer, diese Expressionen an und lösen in ihrer Drastik, aber auch zugleich Ambivalenz und Uneindeutigkeit Befremden, ja Verstörung aus. Wieder einmal hat Yasmeen Godder bewiesen, wie schonungslos sie mit sich und ihren Tänzern auf der Bühne umgeht, wie unerschrocken sie ihrer Ästhetik des Grotesken, auch Hässlichen nachgeht, die nicht zuletzt an die expressionistischen Ausdruckstänzerinnen der 20er und 30er Jahre erinnert.
Von deren Wirken hierzulande kann sich das Publikum einen Eindruck in der Ausstellung "Out of the Circle: The Art of Dance in Israel" im Israel-Museum in Jerusalem verschaffen, die einen Tag vor dem Beginn der Exposure eröffnet wurde. Klug kuratiert, zeigt sie die Anfänge des modernen Tanz im damaligen Palästina zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die Funktion des Tanzes nach der Staatsgründung 1948 bis zum Tanzschaffen der Gegenwart. Die Entwicklung von den idealistischen Anfängen bis zur hochproblematischen Gegenwart und ihrem Umgang mit Tanz und Bewegung, lässt sich hier nachvollziehen und macht diese Schau auch zu einer Ausstellung, die auf subtile Weise über die gesellschaftliche Entwicklung des Landes Israel erzählt.
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