Tak / van Haeringen: "Mikas Himmel"

Ein warmherziges Abschiednehmen

Buchcover: "Bibi Dumon Tak / Annemarie Van Haeringen: Mikas Himmel" und Nachthimmel
Im Buch von Bibi Dumon Tak und Annemarie Van Haeringen geht es um Verlust und Abschied. © Gerstenberg Verlag / dpa / picture alliance / Andreas Gerstenberg
Von Sylvia Schwab · 05.12.2017
Verlust und Trauer sind schon lange keine Tabuthemen mehr in Kinderbüchern. Allerdings verlaufen die Geschichten für die ganz Kleinen oft auch komisch und auf jeden Fall tröstlich - wie "Mikas Himmel" von Bibi Dumon Tak und Annemarie Van Haeringen.
"Schwarze Wolken bedeckten den Himmel, als Mika uns verließ." Mika, die geliebte Hündin, stirbt und die ganze Familie ist bei ihr , als "Mikas letzter, allerletzter Atemzug über den Rand ihres Körbchens strich."
So sanft und leise wie diese Zeilen klingt die ganze Geschichte. Im Mittelpunkt steht "Kleiner Bruder", ein namenloser kleiner Junge, den man auf keinem Bild zu sehen bekommen und mit dem sich daher alle kleinen Leser leicht identifizieren können. "Kleiner Bruder" muss lernen, mit Mikas Tod zu leben, und das kann er nur, wenn er den Tod versteht. Und so stellt er ihn sich ganz konkret vor: Mika ist oben im Himmel und zugleich - mit Ball - in ihrem Grab. Da ergeben sich eine Menge Fragen: Ob Mika nun doppelt ist? Wie es dort oben aussieht im Himmel, ob es dort auch regnet, ob es ein Meer gibt zum Schwimmen, Äste zum Reinbeißen und Katzen und Tauben zum Jagen? Klare Antworten bekommt das Kind nicht, die Familie reagiert liebevoll, bleibt aber hilflos.
Der Kunstgriff, dass "Kleiner Bruder" keinen Namen hat und unsichtbar bleibt, setzt sich fort: Ein gestaltloses "Wir" erzählt, es sind wohl die Eltern und ein älteres Kind, die den kleinen Bruder beobachten, ihm zuhören, ihm antworten. Auch sie sieht man nicht, und das ist ganz logisch, psychologisch. Es geht um Mika. Sie bzw. ihr Schatten ist auf fast jedem Bild zu sehen. Bei den Menschen zählen allein ihre Gefühle und Gedanken.

Eine besondere Illustrationsidee auf den ersten Seiten

So nehmen Annemarie Van Haeringens Bilder die zarte Geschichte gedanklich auf, machen das Geschehen aber auch fassbarer. Bildhaft-konkret wird zum Beispiel Mikas Seele, die wie eine blaue Wolke zum Anfassen aus dem Fenster schwebt. Oder Mikas frühere Lebensfreude, wenn gekritzelte kleine Hunde, Spielsachen, Lieblingsessen oder Lieblingsfeinde im Hintergrund über die Seiten wuseln. Ein schöner Kontrast zum poetisch-einfachen Text!
Zusätzliche Tiefe gewinnt "Mikas Himmel" durch eine ganz besondere Illustrationsidee: Die ersten Seiten sind fast vollkommen schwarz, also tief traurig. Zarte Zeichnungen und knappe Texte heben sich weiß bzw. bunt von dieser Schwärze ab. Dann nehmen die farbigen Flächen von den Rändern her peu à peu zu, strahlen leuchtend pink, grün, gelb, blau und lila. Vor ihnen zeichnet sich scharf der schwarze Schatten des Hundes ab, das Vorderteil mit dem erhobenen Kopf oder das Hinterteil mit dem wedelnden Schwanz. In diesen schwarzen Hundekörper stellt die Illustratorin die farbig-leuchtenden Texte.
Annemarie Van Haeringens expressive Bilder wirken wie Collagen und haben den ungewöhnlichen Effekt von schwarzen Scherenschnitten vor knallbunten Hintergründen. Am Schluss taucht wieder der lichtblaue Himmel auf mit fetten, weißen Wolken wie von Magritte. Ein Lichtblick – und ein Leseerlebnis: nicht nur für kleine Leser!

Bibi Dumon Tak / Annemarie van Haeringen: Mikas Himmel
Aus dem Niederländischen von Meike Blatnik
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2017
32 Seiten, 12,95 Euro

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