Tändelei mit farbigen Tüchern

Von Eberhard Spreng · 23.09.2010
Jean-Luc Godard führte 1967 in seinem Film "Die Chinesin" die Phrasenhaftigkeit der Studentenbewegung vor. Doch wo dieser noch mit Brüchen, Collagen und Schnitten gearbeitet hat, belässt es Dimiter Gotscheff beim Aufsagen der Texte.
Von dem poppigen, aus Bildern von Comicfiguren, diversen Handlungssträngen und farbigen Textzeilen zusammen kollagierten Film, bleiben auf Mark Lammerts Bühne nur noch die leeren Hüllen: Tücher in den Grundfarben gelb, rot und blau. Wie Transparente einer Demonstration, der die Slogans ausgegangen sind, sind sie ausgespannt. Zwischen ihnen hindurch tasten sich die Akteure.

Wo Godard 1967 fünf junge Studenten in der geschlossenen Welt einer Pariser Wohnung für eine politisch-künstlerische Versuchsanordnung zusammenbrachte und immer auch ihre gesellschaftliche Isolierung kenntlich machte, werden deren pseudomaoistische Überlegungen über Kunst und Politik hier in den offenen, leeren Raum der Drehbühne gestellt. Es sind geschichtslose Akteure, die Texte von sich geben, in einem Oratorium im Terroristenjargon.

Wenn das Theater den Film und die Politphrasen hinter sich lässt und aufs Private zu sprechen kommt, wird ein großes blaues Tuch aus dem Bühnenturm herabgelassen, das für Augenblicke wie ein Himmel erscheint, eine vorübergehende Perspektive. Aber dann sinkt es auf den Boden und wird zusammen mit den roten und gelben Stoffbahnen zu einem Bündel zusammengeworfen und weggeschafft. Mit den Farben schwindet die Hoffnung. Fast schon sind Dimiter Gotscheff und sein Bühnenbildner mit ihren Bildern am Ende.

Godard hatte eine historische Momentaufnahme vorgeführt, die man mit Recht prophetisch genannt hat, mit all dem Pop, den Phrasen, Vietnam-Diskursen und Politmoden der damaligen Zeit. Dimiter Gotscheff weitet den geschichtlichen Horizont bis in unsere heutige Zeit und nimmt dazu Textfetzen anderer Godard-Filme für eine deprimierende Revue über Menschheitszustände zu Hilfe: vom hohlen politischen Aufbruch über die Hoffnung auf Liebe, Zärtlichkeit und Privatheit bis zum Protokoll pornografischer Langeweile.

Bei der sogenannten "Übermalung" sind aus der Vorlage vor allem die Godardschen-Texte durchgeschlagen, die Bilder dagegen haben sich in eine luftige Tändelei mit farbigen Tüchern verwandelt, mit nur mäßigem Unterhaltungseffekt.

Die Chinesin
Eine Übermalung von Dimiter Gotscheff und Mark Lammert mit Texten aus anderen Filmen Jean-Luc Godards
Regie: Dimiter Gotscheff
Bühnenraum und Kostüme: Mark Lammert
Licht: Torsten König
Dramaturgie: Ralf Fiedler