"Tabu - Eine Geschichte von Liebe und Schuld"

Von Anke Leweke · 19.12.2012
Anfangs ist Aurora eine alte, verwirrte Frau, die im Sterben liegt und an ihren Liebhaber denkt. Dann beginnt der Film plötzlich wieder von vorn. Aurora ist jung, wunderschön und erlebt ihre große tragische Liebe in Mosambik. Das alles ist so melancholisch, dass "Tabu" zum Stummfilm wird.
"Erst kommt der Kater, dann das Trinken" - mit diesem Satz umschreibt Miguel Gomes die Struktur seines Films. Der sich in zwei Kapitel einteilt. Das erste lautet "Paradise Lost, spielt im gegenwärtigen Portugal und folgt drei Frauen. Die in die Jahre gekommene Aurora und ihre kapverdische Haushälterin sind die Nachbarinnen von Pilar, einer Christin, die stets Gutes tun möchte. Doch Aurora wird immer verwirrter und bringt ihr letztes Geld im Spielcasino durch.

Dieser erste Teil ist in einem gestochenen Schwarz-Weiß aufgenommen, der dem Film etwas Hyperrealistisches verleiht und die Figuren zu Prototypen macht. So verweist das Drama um Aurora auch auf deren dekadenten Lebensstil, den sie schon lange nicht mehr leben kann.

Als sie im Sterben liegt, bittet sie Pilar, ihren alten Liebhaber aufzusuchen. Seine Erinnerungen nehmen uns mit nach Mosambik, kurz vor dem Ausbruch des Kolonialkrieges. Aus dem Off erzählt er uns seine große Liebesgeschichte. Das Schwarz-Weiß wird grobkörniger, "Tabu" wird nun ein Stummfilm.

Manchmal hört man noch das Wasser rauschen. Schüsse oder die Band am Pool, die ununterbrochen zu spielen scheint. Die Dauerparty, das Trinken kann beginnen. So melodramatisch der Tonfall dieses zweiten Teils mit dem Titel "Paradise" ist, Gomes problematisiert dennoch die kolonialen Verhältnisse, indem er die Liebesgeschichte zweier Weißer unter Ausschluss der Afrikaner erzählt. Sie dürfen nur das von den Kolonialherren erlegte Großwild abtransportieren.

"Tabu" ist ein seltsam schöner Film. Man sieht ein Märchen von einer Frau, die in Afrika groß wurde und dort ihr Herz verlor. Gleichzeitig muss man auch an Joseph Conrads "Herz der Finsternis" denken. Die Spuren und Verbrechen des europäischen Kolonialismus sind trotz oder gerade wegen der verwunschenen Bildsprache immer präsent.

Portugal, Frankreich, Deutschland 1012; Regie: Miguel Gomes; Darsteller: Tera Madruga, Laura Soveral, Ana Moreira; 110 Minuten