Syrien

Was bleibt von der Musikszene?

Von Jutta Petermann · 20.08.2015
Millionen Syrer sind auf der Flucht. Der musikalische Exodus aus Syrien hat aber nicht erst mit dem Bürgerkrieg begonnen. Auch schon vor 2011 war es Musikern kaum möglich Kritik die Verhältnisse in ihrem Land zu thematisieren. Den Künstlern ist jede Basis ihrer Existenz entzogen.
In Syrien, in seiner Heimat Aleppo ist Abdul Kader Asli ein bekannter Mann. Der 54-Jährige gab mit seinem elfköpfigem Ensemble wöchentlich Konzerte, machte so wiederum Werbung für seine CDs und hatte ein gutes Auskommen als Musiker. Aber seit gut einem Jahr lebt der Oud-Spieler und Sänger in Berlin. Deutschland war seine erste Wahl für das Exil, hier hat er schon vor mehr als 20 Jahren regelmäßig Konzerte gegeben, kennt Leute.
"Meine Heimat Aleppo ist die zweite Stadt in Syrien nach Damaskus, aber für Kunst und Musik ist sie die Nummer eins und die ist total zerstört."
"Nur Damaskus, weil die ist die Hauptstadt hat weniger Krieg und weniger Angst, wird weniger angegriffen, da ist die Regierung und alles läuft normal, da ist die Möglichkeit immer noch aufzunehmen."
Wer genug Geld mitbringt, kann zumindest in Damaskus auch heute noch in privaten Studios aufnehmen, allerdings nur unter den Argusaugen des Assad-Regimes. Lieder wie sie der 26-jährige Khater Dawa aus Masyaf im nordwestlichen Syrien schreibt, könnten dort nicht entstehen. In "Nahna Taloa El Shams" singt er von der Stärke der Menschen gegen die Tyrannen.
Aber Khater Dawa lebte schon vor Ausbruch des Bürgerkriegs wegen seines Studiums der Oud in Kairo. Gemeinsam mit einem namenlosen Sextett verband er dort orientalische Musik mit Jazz und R'n'B. Heute wagt er nicht in seine Heimat zurückzukehren und lebt seit einem Jahr in Düsseldorf.
"Ohne in die Details zu gehen, ist natürlich die momentane Situation in Syrien miserabel, es gibt keine Möglichkeit frei die Kunst auszuüben, es ist alles zerstört, Tod ist überall, und selbst die Festivals, die veranstaltet werden und die man auf YouTube verfolgen kann, sind lediglich arrangierte Festivals von der Regierung, das kann man natürlich auch noch mal auf YouTube sehen, wie das Regime in Syrien feiert, wie sie ihr eigenes Volk töten und zerstören."
Khater Dawa ist wütend und verzweifelt, weil die Welt, seiner Meinung nach, ungerührt zuschaut beim Töten seiner Landsleuten. Deshalb reflektiert er den syrischen Bürgerkrieg und das Leid, das er bringt auch in seinen Liedern.
"Hinter meiner Musik steht natürlich eine Message, eine menschliche Message, es ist jetzt nicht unbedingt, dass ich das politisch betrachte, sondern es ist eher, dass ich das aus der Perspektive eines Menschen sehe. Das Publikum besteht nicht nur aus Syrern, sondern Menschen aus aller Welt und genau darum geht es mir in meiner Musik, das ich Menschen berühre, egal ob es Syrer sind oder nicht."
Es gibt nur noch vereinzelt Menschen, die gegen die Regierung ansingen
In Syrien selbst gibt es nur noch vereinzelt Menschen, die im Untergrund arbeiten und deutlich gegen die Regierung ansingen, aber es gibt sie noch erzählt Khater Dawa.
"Erst vor einigen Tagen haben Menschen, die schon seit drei Jahren umzingelt sind und kein normales Leben mehr führen eine Art CD heraus gebracht, wobei es eigentlich eher Songs sind, die man in sozialen Medien verbreitet hat, die man sich dann anschauen kann, das sind hauptsächlich typisch syrische Folklorelieder, aber die Texte wurden abgeändert in pro Revolutions-Texte."
Das ist solch ein Lied, allerdings ist diese YouTube-Film-Aufnahme schon ein paar Monate alt. Man sieht einen älteren Mann in ein Mikrofon singend inmitten einer zerbombten Häuserruine stehen, umringt von mehreren Dutzend jüngeren Männern – Zerstörung wohin auch immer die Kamera zeigt.
In den öffentlichen Radios läuft so etwas natürlich nicht, nur in den sozialen Netzwerken oder höchstens mal in den Exil-Radios, die in der Türkei oder im Libanon von Exil-Syrern aufgebaut wurden. Obwohl deren Macher meist eine neutrale Position zum Bürgerkrieg behalten wollen. So wie eigentlich auch Abdul Kader Asli, denn allein schon in seinen Liedern die Zerstörung seiner Heimat zu bedauern, kann seiner Familie, die noch in Syrien ist, Probleme bringen.
"Wegen der Demokratie und Freiheit die Meinung zu sagen, muss ich vorsichtig sein, deswegen kann ich nicht alles sagen, weil bei uns ist anders, die denken anders, nicht wie die europäischen Länder."
"Wenn ich keine Musik spiele könnte ich explodieren."
Was ihm bleibt, ist sein Heimweh auszudrücken in seiner Musik – hier singt er vom Schmerz seine Verwandten und Freunde zurückgelassen zu haben.
Alle Bandkollegen und Mitmusiker von Abdul Kader Asli und Khater Dawa haben Syrien ebenfalls verlassen. Viele sind nach Saudi-Arabien oder Abu-Dhabi gegangen, in die Türkei, nach Schweden, Deutschland und andere europäische Länder. Khater Dawa ist gerade dabei eine neue Band zusammenzustellen und will in Deutschland Jazzgesang studieren, wenn sein Deutsch gut genug geworden ist dafür. Abdul Kader Asli arbeitet schon wieder als Musiker und möchte das deutsche Musikleben bereichern.
"Bis jetzt habe ich immer solo gespielt und gesungen allein oder mit Begleitung von Percussion, aber meine Vorstellung von der Zukunft ist, ich möchte gerne alle Musiker, die nach Deutschland gekommen sind, zusammen bringen und nicht nur ein Ensemble aufbauen, sondern ich möchte gerne einen Chor aufbauen."
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