Synthesizer-Festival "Knobs & Wires"

Männer, die an Reglern drehen

Modularer Synthesizer
Eine Männerdomäne: Auf dem Festival "Knobs & Wires" waren kaum Frauen vertreten. © imago/Dirk Sattler
Von Andi Hörmann · 04.06.2018
Es wurde geschraubt, gelötet, verkabelt und unermüdlich an Knöpfen und Reglern gedreht: Beim Synthesizer-Festival "Knobs & Wires" in München trafen sich Sound-Tüftler aus der ganzen Welt, um Musik jenseits strukturierter Notation zu kreieren.
Knobs & Wires - zu Deutsch: Drehknöpfe und Kabelstecker. An den einen wird geschraubt, die anderen wandern in Buchsen.
Matthias Schmidt: "Man kann sozusagen aus verschiedensten Wellenformen Töne erzeugen, die mit herkömmlichen Instrumenten nicht möglich sind."
Peter Pfaff: "Es ist unfertige Musik, sie ist ständig im Fluss, sie wird ständig neu entwickelt und klingt jedes Mal anders."
Peter Pfaff und Matthias Schmidt habe es mit organisiert, das erste Synthesizer-Festival in München: Knobs & Wires. Beide drehen sie selbst leidenschaftlich an Knöpfen und stecken Kabel in Module - das klingt bei Peter Pfaff mit seinem Musikprojekt Eshna_Tron nach verhallten Raumschiff-Korridoren.

Musizieren ohne Instrument

Peter Pfaff: "Ich habe nie ein Instrument gelernt. Ich wollte das immer. Meine Eltern haben immer gesagt: Du hast nicht genügend Sitzfleisch dafür, das ist rausgeschmissenes Geld, du bist einfach zu fahrig dafür. Das hat mich nicht davon abgehalten, mich dafür zu interessieren und im Laufe der Jahre Dinge zu sammeln, die in irgendeiner Kombination elektronisch Klänge erzeugt haben."
John Dinger möchte erst mal ordentlich verkabeln, bevor er Backstage seinen selbstgebauten Synthesizer demonstriert. Der 1978 geborene US-Amerikaner hat sich der tschechische Community Bastl-Instruments angeschlossen: Sound-Tüftler, die sich ganz dem modularen Synthies verschrieben haben.
Und so klingt sein in Echtzeit erzeugter Acid-House-Track: Kick-Drum, Bass, Hi-Hat, Klangflächen.
Die elektronische Klangsynthese mit dem Synthesizer steht für Experimentierfreude, für freies Musizieren, für die Anarchie im Analogen, und auch für die Emanzipation des Sounds gegenüber der strukturierten Notation. Wenn man genau hinhört, ist dann auch die Emanzipation auf dem Festival "Knobs & Wires" ein Thema: Frauen als Pionierinnen der elektronischen Musik.
Kalle Aldis Laar: "Es gab sie, und sie waren auch sehr einflussreich, das lässt sich auch nachvollziehen. Es gab auch viel Kommunikation untereinander, daran hat es nicht gefehlt. Ähnlich wie im Kunstbereich ja auch. Aber an der Präsenz fehlt es total."
Kalle Aldis Laar - Hörspielautor, DJ und Vinyl-Sammler - gibt in einem Vortrag einen Einblick in die zu unrecht vergessenen Sound-Tüftlerinnen.

An den Knöpfen drehen fast nur Männer

Von Ada Lovelace, der Computer-Pionierin Anfang des 19. Jahrhunderts, bis hin zur musikalischen Kunst-Ikone Laurie Anderson: Eine Riege von starken Frauen im Hintergrund, wegbereitend für Legenden wie Stockhausen, Can und Radiohead, eine feministische Minderheit in der männerdominierten Szene der elektroakustischen Musik.
Und auch auf dem Festival "Knobs & Wires" in München waren kaum Frauen im Publikum. An den Knöpfen der zu Dutzenden ausgestellten Synthesizer drehten fast nur Männer. Der Szene ist das bewusst. Deswegen gab es wohl auch den Workshop "Modulars For Beginners - safe space for women" der Tschechin Nikol Štrobachova von der Synthesizer-Schmiede Bastl-Instruments. Die beiden Freundinnen Flo und Simone aus München haben ihn besucht.
"Es war ein bisschen überfordernd für mich am Anfang. Das muss ich ehrlich zugeben. Weil es einfach recht komplex ist, wo man was hin stecken muss. Aber es hat Spaß gemacht und am Ende hatten wir auch einen guten Sound."
"Es ist ja schon erstaunlich, dass so wenig Frauen hier sind."
"Wir haben ehrlich gesagt gerade darüber geredet."
"Ich glaube, das ist einfach so eine Männer-Domäne. Deswegen sind hier wenig Frauen vertreten. Obwohl es ja für sie genauso zugänglich oder machbar ist."
Nikol Štrobachova ist selbst überrascht und ein wenig ratlos, warum so wenige Frauen auf Synthesizer abfahren. Die können das genauso, meint sie, man sollte sie nur noch mehr ermutigen. Von dem Track, der im Workshop entstanden ist, zeigt sie sich ganz begeistert und spielt einen Mitschnitt auf ihrem Smartphone ab.
Spiel- und Experimentierfreude, ganz im Sinne der Idee "modularer Synthesizer": ein offenes System, unendlich erweiterbar. Eines kommt dabei zum anderen: an den Knöpfen drehen heißt auch an der Geschichte drehen. Mit dem ersten Synthesizer-Festival "Knobs & Wires" in München gab es so auch ein wenig praktischen Feminismus in der Emanzipation der Klangsynthese. Schritt für Schritt.
"Erst mal so Sound erzeugen, dann irgendwie den Beat dazu und dann irgendwas triggern."
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