Südafrikas Market Theatre wird 40

Das Anti-Apartheid-Theater Johannesburgs

Die Kasse des Johannesburger Market Theatre
Die Kasse des Johannesburger Market Theatre: Die Gründer Mannie Manim und Simon Barney wollten einen Ort für Theater schaffen, indem Apartheit-Kritik auf die Bühne kommen konnte. © AFP/ Gianluigi Guercia
Von Jan-Philippe Schlüter · 28.03.2016
Schwarze und Weiße standen gemeinsam auf der Bühne. Das Market Theatre in Johannesburg war einer der wichtigsten Orte des künstlerischen Widerstands gegen die Apartheid. Der Preis dafür waren brutale Repressionen der Polizei.
Es war der wohl größte Theater-Skandal im Apartheid-Südafrika: Im Johannesburger Market Theatre feiert 1985 "Fräulein Julie" des schwedischen Dramatikers August Strindberg Premiere. Da kommt es zu einem Bühnenkuss - zwischen der weißen Schauspielerin Sandra Prinsloo und dem schwarzen Schauspieler John Kani.
"Zwischen den beiden bahnte sich was an. Nicht ganz unproblematisch, war er doch der Boy und sie die Madame. Sie hat den Diener verführt. Und das konnten viele Weiße nicht ertragen. Es war nicht der Schwarze, der eine leicht angetrunkene weiße Frau ausbeutet. Sie ist diejenige, die den schwarzen Mann begehrt!"
Schändlich! Entehrend! Infam! Das weiße konservative Südafrika schäumt. Wobei es nicht einmal ein richtiger Kuss war, gluckst John Kani. Höchstens ein Küsschen!
"Das Publikum hätte eigentlich wissen müssen, worauf es sich einlässt. Denn das Market Theatre hatte von Beginn an den Ruf, die Bühne für rebellisches, kraftvolles Anti-Apartheid-Theater zu sein."
Ein Raum für freie Rede und künstlerische Freiheit, für gegenseitige schöpferische Befruchtung über Rassengrenzen hinweg. An dem Kunst zutiefst politisch war.

Markthalle war ohnehin als gemischtrassige Zone ausgewiesen

Vor 40 Jahren suchte der Johannesburger Stadtrat nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für das ehemalige Markt-Gelände im Stadtteil Newtown. Für die Theater-Macher Barney Simon und Mannie Manim war das der ideale Ort, um ihre Vision einer multikulturellen Bühne zu verwirklichen:
"Das war eine geniale Idee der beiden", erzählt Annabell Lebethe, die Leiterin der Market-Theatre-Stiftung. "Weil dort ein Markt gewesen war, war die Gegend als gemischtrassige Zone ausgewiesen. Das wurde irgendwie nie geändert. Und das war der Grund, warum sich im Market Theatre Menschen aller Hautfarben vermischen konnten."
"Zum ersten Mal konnten schwarze Schauspieler in einem richtigen Theater auftreten", erinnert sich John Kani. "In dem wir unsere Geschichte erzählt haben, haben wir die Ungerechtigkeiten Südafrikas bloßgestellt. Das Market wurde zur Heimat des Protest-Theaters. Wenn die Weißen sich nicht über unsere Stücke aufgeregt haben, haben wir uns gefragt: Was haben wir falsch gemacht?"

Schauspieler inhaftiert, Theaterstücke verboten, Zuschauer bedroht

So köstlich sich die 73-jährige Schauspiel-Legende John Kani über die Apartheid-Anekdoten amüsieren kann, so ernst war doch der schöpferische Widerstand. Und so eisern war die Reaktion des Sicherheitsapparats. Kaum ein Abend, an dem nicht die Staatspolizei im Publikum des Market Theaters saß:
"Sie haben alles getan, um uns Künstler zu entmutigen. Wenn Schauspieler ihr Township verlassen haben, wurden sie inhaftiert. Theaterstücke wurden verboten. Menschen wurden so sehr bedroht und terrorisiert, dass sie sich nicht ins Theater getraut haben. Sie waren wirklich verängstigt. Ich kenne viele großartige Schauspieler, die aufgegeben haben."
John Kani selbst wurde nach dem infamen Bühnenkuss Opfer eines Attentats, das er mit elf Stichwunden nur knapp überlebt hat. Mehrfach wurde er festgenommen, musste einmal 23 Tage in Einzelhaft verbringen. Sein Bruder wurde von der Polizei getötet, nachdem er bei einer Beerdigung ein kritisches Gedicht vorgetragen hatte.
John Kani hat immer weitergemacht. Der künstlerische Freiheitskämpfer ließ sich ebenso wenig aufhalten wie die restlichen idealistischen Theater-Macher.
Das Market wurde über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Stücke wie "Woza Albert", "My Home" und "Asinamali", die hier uraufgeführt wurden, gingen auf Welttournee und eroberten den Broadway.
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