Suche nach dem "bestmöglichen Team"

06.04.2011
Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sieht in der Kandidatur von Philipp Rösler zum neuen FDP-Chef den ersten Schritt zu einer Erneuerung der Partei. Der Atomkraft stünden die Jungliberalen weiterhin skeptisch gegenüber.
Nana Brink: Es war ja interessant, in den letzten Tagen zu beobachten, wie viele Kritiker, wenn nicht Feinde Guido Westerwelle plötzlich hat – in der eigenen Partei. Besonders die junge Garde hat sich in den letzten Tagen massiv und öffentlich gegen Westerwelle ausgesprochen. Aber – so Generalsekretär Lindner – die Politik auf dem Pavianhügel ist vorbei. Der neue Mann, der es richten soll, heißt Philipp Rösler. Er ist 38 Jahre alt, Gesundheitsminister. Ein Generationswechsel also, aber was genau ist darunter zu verstehen? Und am Telefon ist jetzt Lasse Becker, Vorsitzender der Jungen Liberalen. Einen schönen guten Morgen, Herr Becker!

Lasse Becker: Schönen guten Morgen!

Nana Brink: Die FDP hat ein erhebliches Imageproblem, deshalb fordern die JuLis einen anderen Politikstil. Was wird denn Philipp anders machen als Guido?

Becker: Ich glaube, dass Philipp Rösler einerseits jetzt glaubwürdig für den Neuanfang stehen kann, weil man, wenn man ihn gerade persönlich erlebt, einfach sieht, dass er sehr, sehr Mensch geblieben ist – was für Spitzenpolitiker, glaube ich, nicht selbstverständlich ist –, dass man aber auf der anderen Seite auch sagen muss, dass er – und das hat er ja gestern auch schon angedeutet – vielleicht manche Diskussionen offener auch bis zum Ende laufen lassen kann und dass man vielleicht auch Kontroversen in der Partei stärker dann austragen kann, was, glaube ich, einer liberalen Partei gut zu Gesicht steht.

Nana Brink: Bleiben wir noch ein bisschen bei dem Stil, Sie haben menschlicher gesagt – wie haben Sie das erlebt?

Becker: Ich hab ein Erlebnis gehabt mit Philipp Rösler beruflich, was das vielleicht schön zeigt. Da kam er – damals noch als Landeswirtschaftsminister – zu einer Veranstaltung, und wie das so ist, wenn so ein Wirtschaftsminister reinkommt …

Nana Brink: Sie meinen in Niedersachsen, ja?

Becker: In Niedersachsen, genau. Er hatte so einen ganzen Hofstaat hinter sich bei einer Veranstaltung in Göttingen, und dann sah er im Reinkommen in der dritten Reihe ein paar Mitglieder der Partei, glaube ich, sitzen, die er persönlich kannte. Und das führte dazu, dass er den kompletten Hofstaat hinter sich erst mal stehen ließ – das sah so ein bisschen aus wie ein Comic, die liefen alle auf, fragten sich, warum bleibt der Minister stehen –, und dann ging er allein in Reihe drei und begrüßte eben die Leute, die er dort persönlich kannte, auch persönlich mit Umarmung, ging wieder nach vorn und machte dann quasi seinen Job weiter als Minister. Und das ist etwas, was ich mir nur bei ganz, ganz wenigen Spitzenpolitikern wirklich vorstellen könnte.

Nana Brink: Generalsekretär Lindner bemüht ja gerade gebetsmühlenartig die Formel: Wir spielen jetzt im Team. Sehen Sie das jetzt auch?

Becker: Ja, ich glaube, es haben gestern alle im FDP-Bundesvorstand gesagt, dass man jetzt gemeinsam mit Philipp Rösler nach dem bestmöglichen Team und vor allen Dingen nach den inhaltlichen Lösungen suchen will und dort Philipp Rösler unterstützen will, und daran geht es jetzt auch. Und ich sage auf der anderen Seite, natürlich, manche Kritik, die man vorher geäußert hat, wird man nicht ganz runterschlucken, aber es ist, glaube ich, jetzt auch wichtig, …

Nana Brink: Welche Kritik meinen Sie?

Becker: Ich hab in den vergangenen Tagen natürlich an der ein oder anderen Stelle an Positionen in der Führungsspitze der Partei, aus Sicht der Jungen Liberalen zum Beispiel, bei den stellvertretenden Bundesvorsitzenden oder beim Bundeswirtschaftsminister deutliche Kritik geäußert, allerdings sage ich auch, dass wir jetzt eben gestern auch nur den ersten Schritt eingeleitet haben, dass Philipp Rösler das inhaltliche und das personelle Gesamtkonzept angedeutet und skizziert hat gestern, aber schlussendlich, das natürlich bis zum Bundesparteitag wirklich konkretisiert werden muss.

Nana Brink: Also Sie sagen auch weiterhin, Wirtschaftsminister Brüderle ist eigentlich nicht zu halten?

Becker: Ich glaube, das ist eine Frage, die man da im Gesamtkonzept diskutieren muss, und ich sage da sehr deutlich, das ist auch etwas, was der zukünftige Parteivorsitzende, so er denn von einem Bundesparteitag gewählt wird, natürlich auch zu entscheiden hat mit, und ich werde Philipp Rösler da bei seiner Entscheidung unterstützen. Aber die inhaltliche Kritik, die ich an der Arbeit von manchen vorgebracht habe, die werde ich jetzt nicht ausblenden, wenn ich sie inhaltlich noch für fundiert halte, nur weil man jetzt einen Schritt dort geleistet hat. Und das ist, glaube ich, auch das, was einen Teil zur Glaubwürdigkeit beiträgt.

Nana Brink: Dann bleiben wir doch bei den Politikinhalten: Was denn genau muss die FDP vermitteln?

Becker: Wir müssen, glaube ich, kurzfristig es schaffen – deshalb bin ich heute sehr froh, wenn ich mir die Berichtslage von gestern Nacht aus der Koalitionsrunde anschaue –, wirklich Inhalte zu liefern. Ich bin sehr stolz, dass man es geschafft hat, das Sperrgesetz aufzuheben bei der Internet-Zensur und stattdessen auf Löschen mit einem Löschgesetz zu setzen. Das ist, glaube ich, schon ein guter Erfolg für die FDP, aber auf der anderen Seite müssen wir da in mehr Politikbereichen Erfolge folgen lassen. Ich sag mal als Stichwort Reform der sozialen Sicherungssysteme, Stichwort weiterer Schutz der Bürgerrechte, aber auch zum Beispiel bei Fragen, wo man viel verloren hat, nicht unbedingt die Frage Steuersenkung, sondern zum Beispiel die Frage Vereinfachung unseres Steuersystems. Das ist die kurz- und mittelfristige Komponente, und langfristig müssen wir es schaffen, uns breiter thematisch aufzustellen, zum Beispiel bei Fragen der Sozialpolitik oder der Umweltpolitik wirklich liberale Antworten zu finden.

Nana Brink: Dann bleiben wir doch mal bei der Umweltpolitik beziehungsweise bei der Atompolitik: Wie wollen Sie denn Ihren potenziellen Wählern verkaufen, dass Sie für den Ausstieg sind, wenn Ihr eigener Wirtschaftsminister das doch noch als Wahlkampfmanöver bezeichnet hat? Das ist doch eine Glaubwürdigkeitslücke, oder wie sehen Sie das?

Becker: Das ist mit Sicherheit ein Problem in der Glaubwürdigkeit, das habe ich in der Öffentlichkeit auch sehr deutlich so gesagt. Ich glaube bloß, bei der Frage sollten wir jetzt nicht auf ein Hauruck setzen. Wir haben einen Bundesparteitag im Mai, bei dem wir über diese Frage diskutieren, und es gibt da ein riesiges Spektrum in der Partei. Ich kann manchen Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg oder manchen Landespolitiker aus Sachsen sehr gut verstehen, die sagen, bei uns sind die tschechischen oder die französischen Atomkraftwerke direkt um die Ecke, es ist nicht die reizvollste Perspektive, da ein altes Atomkraftwerk laufen zu lassen, wenn wir bei uns neuere abschalten. Ich sage auf der anderen Seite, auch wir JuLis waren immer sehr skeptisch zur Atomenergie, haben das auch schon im vergangenen Frühjahr beim Bundesparteitag durchaus deutlich gemacht. Ich glaube, wir brauchen da die kontroverse Diskussion – das war das, was ich am Anfang angesprochen habe – und müssen es da eben schaffen, uns auch drüber zu streiten. Und das wird man bis zum Bundesparteitag klären müssen. Gerade da, dann aber am Ende, hoffe ich, eine etwas skeptischere Position zur Atomenergie einnehmen, wie wir Jungen Liberalen das schon länger haben.

Nana Brink: Lasse Becker, Vorsitzender der Jungen Liberalen. Schönen Dank für das Gespräch, Herr Becker!

Becker: Bitte sehr!
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