Studie zu Demokratieverdrossenheit

"Die Meinungsfreiheit wird instrumentalisiert"

Ein Schriftzug "Merkel + Co. bauen nur Mist" auf einer Plakatwand in Hannover
Durch den Streit um das Flüchtlingsthema werde völlig überdeckt, dass die Regierung zumindest einiges auf den Weg gebracht habe, so Bascha Mika. © picture alliance / dpa
Bascha Mika im Gespräch mit Marcus Pindur · 22.06.2018
Gleichgeschaltete Medien, einseitige Information: Auf der "Einbahnstraße des Denkens" fährt es sich offenbar bequem. Jedenfalls äußerten sich Bürger autoritärer Staaten zufriedener mit ihrer Regierung als die von Demokratien. Warum schneiden die so schlecht ab?
Zu alarmierenden Ergebnissen kommt eine internationale Umfrage, die die Beratungsfirma Rasmussen Global und die "Alliance of Democracies Foundation" jüngst in Auftrag gegeben haben. Demnach glauben fast zwei Drittel der Bürger in Demokratien, dass die Regierung nicht in ihrem Interesse handelt. 54 Prozent finden, die Bürger hätten zu wenig Einfluss auf die Politik – in Deutschland sind es sogar 60 Prozent.
In autoritär regierten Staaten äußerten sich die Bürger dagegen vergleichsweise zufriedener: Hier sind lediglich 41 Prozent der Ansicht, dass die Regierung nicht in ihrem Interesse handele, und nur 46 Prozent vermissen es, nicht mehr Einfluss auf die Politik zu haben.

"Einbahnstraßen des Denkens"

Die Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, Bascha Mika, findet das nicht weiter erstaunlich. Abgesehen davon, dass die Bürger von Autokratien möglicherweise schlicht Angst gehabt hätten, sich anders zu äußern, würden in Ländern wie der Türkei der Bevölkerung systematisch Informationen entzogen, weil Medien gleichgeschaltet und Andersdenkende ins Gefängnis gesteckt würden. "Das heißt, man schafft natürlich Einbahnstraßen des Denkens, wo dann am Schluss immer steht: Der Führer kann alles und der weiß alles und der wird es schon richten", so Mika im Deutschlandfunk Kultur.
Bascha Mika bei der Frankfurter Buchmesse
FR-Chefredakteurin Bascha Mika bei der Frankfurter Buchmesse 2017.© imago stock&people
Die hohe Unzufriedenheit mit den Regierenden in Demokratien hingegen hat für die FR-Chefredakteurin derzeit etwas extrem Ritualisiertes: "Weil die Meinungsfreiheit, die wir haben, eben auch instrumentalisiert wird, um gegen alle Institutionen zu stänkern, also gegen die Politik, gegen die Medien, gegen die sogenannten Eliten." Das sei, so Mika, "wahnsinnig billig". Zu sehen zum Beispiel in Deutschland, wo die Große Koalition heute den 100. Tag im Amt ist:
"Durch diesen Streit, den wir um das Flüchtlingsthema, um die Asylthematik haben, wird zum Beispiel völlig überdeckt, dass die Regierung längst nicht alles natürlich, aber zumindest einiges auf den Weg gebracht hat und einiges sogar schon entschieden hat." Etwa die wiederhergestellte Parität in der Krankenversicherung oder das Recht auf Rückkehr von Teilzeitkräften in einen Vollzeitjob.
"Da könnte man doch eigentlich sagen: Das ist toll!", betont Mika. "Aber das wird eben überdeckt von dieser Stimmungslage der Nation. Und die wird von interessierten, hauptsächlich rechtspopulistischen Kreisen, aber leider Gottes eben auch Regierungsbeteiligten wie der CSU kräftig geschürt."
(uko)

Die gesamte Sendung mit Bascha Mika können Sie hier nachhören: Audio Player

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