Studie

Privatschulen sind staatlich geförderte Ungleichheit

Ein leeres Klassenzimmer mit Stühlen, Tischen und Tafel
Viele Eltern entscheiden sich gegen die staatliche Schule und für Privatschulen - wenn es ihr Geldbeutel erlaubt. © dpa / Christian Charisius
Michael Wrase und Mathias Greffrath im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 13.07.2017
Privatschulen müssten nach dem Grundgesetz eigentlich allen Kindern offen stehen. Doch stattdessen herrsche "eine sehr hohe soziale Selektivität", kritisiert Michael Wrase, Sozialforscher und Ko-Autor einer neuen Studie. Er fordert eine stärkere Regulierung dieses Schulbereiches.
Privatschulen neigen zu einer immer größeren Abschottung, weil der Staat nicht genügend reguliert und kontrolliert: Das ist eine Erkenntnis der neuen Studie aus dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie befasst sich insbesondere mit der Situation in den Bundesländern Berlin und Hessen.
Wie sehen die Zugangsbedingungen für Privatschulen aus? Wie hoch ist die staatliche Förderung? Das sind einige Ansatzpunkte der Untersuchung, die Ko-Autor Michael Wrase im Deutschlandfunk Kultur vorstellt. Viele Schulen in freier Trägerschaft würden sehr hohe Schulgebühren erheben, kritisiert er - in dieser Form sei das eigentlich gar nicht zulässig. Er verweist auf die staatliche Förderung von Ersatzschulen:
"Und sie müssen eigentlich, so schreibt es das Grundgesetz vor, für alle Schüler – unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Eltern – offen stehen. Aber wir sehen eben, dass viele Schulen hohe Schulgebühren erheben, machen dadurch natürlich auch exklusive Angebote. Aber das sorgt eben für eine sehr hohe soziale Selektivität. Und das wird nicht ausreichend kontrolliert."

Sollte die staatliche Unterstützung für kommerzielle Privatschulen eingeschränkt werden?

Bei kommerziellen Privatschulen gebe es – im Vergleich zu öffentlichen Schulen – den größten Unterschied in der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft, sagt Wrase:
"Das Problem ist, dass die noch staatliche Unterstützung bekommen dafür, dass sie eigentlich eben viel, viel Geld verlangen."
Sollte man also die staatliche Förderung für kommerzielle Privatschulen einschränken oder sogar ganz streichen? Das sei eigentlich auch die Konzeption des Grundgesetzes, macht Wrase deutlich. Im Bereich der Grundschulen werde ausdrücklich verlangt, dass geförderte Schulen ein besonderes pädagogisches Konzept vorweisen müssten. Das Problem sei aber auch, dass es so große Unterschiede zwischen den einzelnen Privatschulen gebe:
"Diese Schulen, die wirklich vor allen Dingen eine weltanschaulich, religiöse oder pädagogische Ausrichtung haben, die kommen ja mit solchen Regulierungen auch gut klar – wenn sie sich wirklich an alle Kinder richten. (…) Und es gibt viele gute Schulen in freier Trägerschaft. (…) Dieser Bereich muss eben stärker reguliert werden, vor allen Dingen, weil da viel gefördert wird. Und ich glaube, das ist dann gut für alle."
Die bisherigen Rechtsvorschriften seien nicht ausreichend, meint Wrase. Er fordert klare Regelungen zur Höhe des Schulgeldes, das darüber hinaus nach der Höhe des Einkommens berechnet werden sollte. Jeder müsse sich - unabhängig vom Geldbeutel – den Zugang zu Privatschulen leisten können.

Mathias Greffrath: Schüler sollten zu einem sozialen Jahr verpflichtet werden

Die Spezialisierung von Schulen sei erst einmal nichts Schlechtes, ergänzt der Publizist und Schriftsteller Mathias Greffrath. Jedoch zeige sich die Spaltung der Gesellschaft sehr deutlich an der unterschiedlichen Qualität von Schulen:
"Das, was Willy Brandt einmal gesagt hat: Nämlich dass die Schule der Nation, das, was alle Bürger gleichermaßen erfahren, nicht mehr die Armee ist, sondern die Schule – das ist bei uns nicht mehr der Fall. Da kann man sich nur wehmütig daran erinnern."
Greffrath spricht sich dafür aus, einer kürzlich vorgestellten Idee der Bodelschwinghschen Anstalten Bethel zu folgen. Danach sollten Schüler direkt nach dem Ende ihrer Schullaufbahn zu einem sozialen Jahr verpflichtet werden:
"Ein Moment, ein Jahr der Integration, wo junge Menschen merken, was eine Gesellschaft ist, was eine Gesellschaft braucht. Da geht es nicht nur darum, dass man jetzt den schlechten Pflegedienst mit Hilfe von billigen Arbeitskräften modernisiert, sondern dass junge Menschen in allen Sparten der Gesellschaft merken, dass sie voneinander abhängig sind."
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