Studie der Uni München

"Erstklässler fitter als gedacht"

Kinder beim Sportunterricht
Täglich eine Stunde Sportunterricht, fordert der Sportdidaktiker Filip Mess. © imago/photothek
Von Lukas Schöne · 17.12.2017
Unsere Kinder werden nicht nur immer dicker, sie werden vor allem immer unsportlicher, wird häufig gewarnt. Stimmt nicht, heißt es in einer Studie der Uni München. Erstklässler seien beweglicher als angenommen.
Acht Uhr morgens, erste Stunde: Für die Schüler der 1a an der Münchner Klenzeschule beginnt der Tag mit Sportunterricht. Heute dürfen die Kinder spielen. Die Meisten machen gerne mit. In der 1 A herrscht Einigkeit: Sport ist das Lieblingsfach.
Die Montagssportstunde sei die Spielestunde, sagt Lehrerin Birgit Weiß. "Da machen wir vor allem viel Bewegung und da schauen wir immer, dass wir Lauf- und Fangspiele machen, wo gleich alle Kinder möglichst viel in Bewegung sind", erläutert sie das Konzept. "Da merken wir, die haben Lust dazu und brauchen das auch."

Ergebnisse nicht repräsentativ für Deutschland

In Bayern haben Erstklässler nur zwei Stunden Sport in der Woche. Vielen ist das zu wenig. Oft heißt es, Grundschüler würden immer unsportlicher. Doch stimmt das überhaupt?
Sportdidaktiker Filip Mess von der Technischen Universität München hat seiner neusten Untersuchung den Titel gegeben "Erstklässler fitter als gedacht." Die wichtigsten Erkenntnisse seiner Studie: Die motorische Leistungsfähigkeit hätten sich "eigentlich nicht verschlechtert, von der Tendenz her sogar verbessert". Bei der Ausdauer der Jungs gebe es "eine leichte Verschlechterung, bei den Mädchen zeigt sich bei der Ausdauerleistungsfähigkeit keine Veränderung. Und wir sehen bei der Gleichgewichtsfähigkeit und bei der Schnelligkeit sogar Verbesserung in den letzten zehn Jahren."
Mess ist sich bewusst, dass seine Ergebnisse nicht repräsentativ für ganz Deutschland sind. Und er weiß auch, dass viele Forscherkollegen zu gegenteiligen Erkenntnissen gekommen sind.
An der Studie der TU München haben nur Kinder aus Baden-Baden teilgenommen, einer Region, die als wohlhabend gilt. Denn bis vor zwei Jahren hat Mess noch in Baden-Württemberg gearbeitet. In Bayern dagegen wäre es viel schwerer gewesen, die Genehmigung für eine solche Studie zu bekommen.

"Wir brauchen unbedingt die tägliche Sportstunde"

Eine klare Aussage liefert die Studie aber auf jeden Fall, meint Mess. "Der zentrale Wert, den wir aus der Studie ableiten, ist, dass wir andere Studiendesigns brauchen. Wir brauchen eine Methodik, die beispielsweise Kinder und Jugendliche aus einer Region Jahr für Jahr testet, um dann tatsächlich Aussagen über sogenannte säkulare Trends zu treffen." Säkulare Trends, also zeitliche Entwicklungen. "Und das kann man eben mit Studien, die nur zwei Messzeitpunkte haben, nicht machen."
Völlig abwegig scheinen die Ergebnisse der Münchner TU nicht zu sein. Denn auch das Karlsruher Institut für Technologie hat kürzlich herausgefunden, dass Kinder in Deutschland sich wieder mehr bewegen. Trotzdem stellen die Forscher fest, dass es zwar immer mehr sportliche, aber auch immer mehr unsportliche Kinder gibt.
Fazit: Es gibt noch reichlich Optimierungsbedarf. Filip Mess sieht vor allem die Politik in der Pflicht: "Wir brauchen unbedingt die tägliche Sportstunde", meint er - um dann auch "den Sportunterricht weiterzubringen" und damit auch "gesundheitliche Effekte" zu erzielen. "Ich weiß, das ist utopisch. Das werden wir niemals erreichen. Aber das wir zumindest diese drei Sportstunden erreichen. Und davon sind wir momentan noch leider weit entfernt."

Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, widerspricht der Münchener Studie – und warnt: "Die Übersichtsarbeiten verdeutlichen sehr gut, dass die motorischen Leistungsfähigkeiten zwischen 1975 und 2006 um etwa zehn Prozent zurückgegangen ist." Auch die Gewichtsentwicklung lasse aufhorchen.

Mehr zum Thema