Streit um Skulptur in Trier

Ein Marx made in China

Triers Baudezernent Andreas Ludwig mit dem Künstler Wu Weishan in dessen Pekinger Atelier.
Noch nicht ganz fertig: Die Karl-Marx-Skulptur von Wu Weishan. Im Hintergrund: Triers Baudezernent Andreas Ludwig. © Sascha Storfner/ARD
Von Steffen Wurzel · 22.11.2017
Nach jahrelangen Debatten hat sich Trier entschlossen, eine in China gefertigte Karl-Marx-Skulptur aufzustellen. Baudezernent Andreas Ludwig hat sich jetzt mit dem Künstler Wu Weishan in dessen Pekinger Atelier getroffen.
Andreas Ludwig ist mächtig stolz. Der Trierer Baudezernent steht gemeinsam mit dem chinesischen Künstler Wu Weishan auf einem rund vier Meter hohen Baugerüst, in dessen Atelier am Stadtrand von Peking.
"Mit Wu Weishan hier oben zu stehen, das ist großartig. Wir haben uns vor mehr als einem Jahr kennengelernt und diskutiert: Wie groß soll er werden, wie sieht der Entwurf aus? Wir haben jetzt monatelang diskutiert und jetzt hier oben auf dem Podest zu stehen ist ein tolles Gefühl. Das ist eine im wahrsten Sinne des Wortes eine große Skulptur – eine großartige Skulptur!"
Groß ist sie wirklich: Trotz des Gerüsts ragen Ludwig und Wu dem Abbild des in Trier geborenen Philosophen gerade mal bis an die Nasenspitze. Vorsichtig und mit Ton in beiden Händen verfeinert der Künstler noch einige Details im Gesicht der Skulptur. Auch, wenn das Kunstwerk schon fast fertig aussieht: Das Ganze ist noch eine Vorlage. Fertig gegossen werden soll der Riesen-Marx erst kurz vor Weihnachten.

Stolz, groß, mit entschlossenem Blick

"Ich stelle Marx in aller Größe dar, mit einem entschlossenen Blick in den Augen", sagt der Künstler:
"Seine langen Haare und sein langer Mantel verkörpern seine Weisheit. Karl Marx‘ Gedanken drehen sich um die Welt. Er ist überzeugt, dass alles in Bewegung ist und sich verändert. Marx schaut nach vorne und schreitet ruhig voran."
Auch wenn die Skulptur im Atelier von Wu Weishan noch aus Ton ist und nicht aus Bronze: Der fünfeinhalb Meter große Marx ist eindrucksvoll. Anfang Mai soll das fertige Kunstwerk dann aufgestellt werden in Trier, unweit der berühmten Porta Nigra.
Ganz schön groß: Wu Weishan und Andreas Ludwig geben Interviews vor der riesigen Skulptur.
Ganz schön groß: Wu Weishan und Andreas Ludwig geben Interviews vor der riesigen Skulptur.© Sascha Storfner/ARD
In der Marx-Geburtsstadt wurde lange und heftig über alle Parteigrenzen hinweg gestritten, ob man solch ein Kunstwerk überhaupt haben will. Der Künstler Wu Weishan hat davon mitbekommen – und äußert sich diplomatisch:
"Weltweit haben Menschen unterschiedliche Meinungen. Und streiten sich über Dinge. Das verstehe ich und ich akzeptiere das."
Auch der Trierer Baudezernent äußert sich beim Ortstermin in Peking zur Kritik an seinem Lieblingsprojekt. Die hat ihn in den vergangenen Monaten kräftig auf Trab gehalten. Einigen in Trier gefällt die Größe der Skulptur nicht, andere stören sich an der Figur Marx generell, wieder andere kritisieren, man dürfe so ein Geschenk nicht aus einem Land wie China annehmen. Doch der CDU-Politiker Ludwig bleibt bei seinem Credo: Die Annahme der Marx-Statue sei gut für die Völkerverständigung zwischen beiden Ländern.

"Gut für die Völkerverständigung"

"Ja, das machen wir mit China. Ich bin hierher gekommen, um mir die Kunst, die Menschen und die Philosophie in dem Land anzuschauen. Ich verstehe Ängste, dass man vereinnahmt wird. Das wollen wir nicht. Jeder hat seine eigene Meinung, darüber tauschen wir uns aus. Und da man kann auch eine andere Auffassung dazu haben. Ich glaube, das ist in einer demokratischen Gesellschaft sehr, sehr wichtig."
In China herrscht keine Demokratie und vor allem darf über die meisten Kontroversen nicht offen diskutiert werden. Wer es doch tut oder sich für jene einsetzt, die es versuchen, landet häufig im Knast. So auch jetzt wieder. In Changsha, knapp 1500 Kilometer südlich von Wu Weishans Atelier entfernt, verurteilte ein Gericht den Menschenrechtsanwalt Jiang Tianyong zu zwei Jahren Gefängnis. Selbst der deutsche Botschafter in Peking äußerte sich zum Urteil: Er zweifele an der Rechststaatlichkeit und Fairness des Verfahrens, teilte er mit.
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