Streit um die CCS-Technik

Von Thomas Gith · 26.06.2011
Um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, könnte bei der Kohleverstromung künftig auf die sogenannte CCS-Technik gesetzt werden: CCS steht für Carbon Capture and Storage – also dafür, CO2 bei der Kohleverbrennung abzuscheiden und unterirdisch zu speichern. In Brandenburg wird das Verfahren bereits erforscht – doch es regt sich heftiger Widerstand.
Rund dreißig Kilometer westlich von Berlin liegt Ketzin, ein kleiner Ort in Brandenburg. Zwischen leuchtenden Rapsblüten, einigen Bauernhöfen und weitläufigen Feldern steht sie: die CCS-Versuchsanlage des Deutschen Geoforschungszentrums. Wer auf der nahegelegenen Landstraße vorbeifährt, registriert vielleicht den Zaun und die beiden Tanks, die hier stehen – ansonsten ist die Anlage unscheinbar. Denn das eigentliche Experiment findet unterirdisch statt: Ketzin ist der erste europäische Forschungsstandort, an dem die CO2-Speicherung auf dem Festland untersucht wird, sagt Ingenieur Fabian Möller.

"Das CO2 wird in Ketzin in einer Erdschicht eingespeichert, die zwischen 630 und 650 Meter tief ist, das ist also der Schilfsandstein, das ist ein poröser Sandstein, in den das hier eingespeichert wird. Und um das CO2 dort hinunter zu bekommen, haben wir hier eine Injektionsanlage, die aus den beiden Tanks besteht, die man von draußen sehen kann, wir haben desweiteren eine Pumpenanlage, um das CO2 dann herunter zu bringen."

Bisher wurde in Ketzin durch zwei Bohrlöcher rund 50.000 Tonnen flüssiges CO2 ins Erdreich gepresst. Zunächst haben die Geologen reines Lebensmittel-CO2 eingeleitet. Anfang Mai dieses Jahres wurde dann erstmals Kohlenstoffdioxid aus einem Kraftwerk hinab gepumpt – geliefert hat es der Energiekonzern Vattenfall aus seiner Pilotanlage für die CO2-Abscheidung im brandenburgischen Schwarze Pumpe. Um das CO2 bei der Kohleverstromung abzutrennen und zu einer transportfähigen Flüssigkeit zu verdichten, gibt es verschiedene Methoden.

"Ein Verfahren ist das Verfahren Oxyful. Da verbrennt man die Kohle also nicht mit normaler Umgebungsluft sondern mit reinem Sauerstoff. Da habe ich zwei Komponenten, einmal den Kohlenstoff, den ich hineinbringe, die Kohle, und den Sauerstoff, das reagiert zusammen und ich habe einen hochkonzentrierten CO2-Strom, den ich hinten abtrennen kann. Aber da gibt es verschiedene, konkurrierende Verfahren, die auch alle in der Erforschung, in der Erprobung sind."

Erforscht und entwickelt wird derzeit die ganze CCS-Kette: Von der Abtrennung des CO2, über den Transport bis zur unterirdischen Speicherung. In Ketzin untersuchen die Wissenschaftler vor allem, wie sich das Kohlenstoffdioxid im Erdreich ausbreitet. Mit geoelektrischen Verfahren können sie etwa beobachten, wohin das CO2 strömt und wie stark es das im Sandstein eingelagerte Salzwasser verdrängt. Fabian Möller.

"Am Anfang war hier eben Salzwasser in diesem Gestein drin überwiegend, und wir ersetzen jetzt einen Teil dieses Salzwassers durch CO2 in den Poren, in dem Sandstein. Und das weiß man, das also Salzwasser den Strom sehr gut leitet, CO2 hingegen ist ein elektrischer Isolator, das heißt, es leitet den Strom sehr schlecht, und diese Unterschiede vorher nachbar, den können wir mit diesen Elektroden dreidimensional sichtbar machen."

In Gesteinsschichten, in denen der elektrische Strom ungehindert fließt, befindet sich demnach Salzwasser – dort, wo der Strom nicht weitergeleitet wird, ist CO2 gespeichert. Die Wissenschaftler fassen die Messergebnisse in einer 3D-Grafik zusammen, die genau kartiert, wo sich CO2 und Salzwasser befinden. Um solche Überwachungsmethoden zu erproben, haben die Forscher bisher 50.000 Tonnen CO2 verpresst – so viel, wie ein großes Kohlekraftwerk an einem einzigen Tag ausstößt. Kritiker bemängeln daher, dass der Versuch in Ketzin zu klein dimensioniert sei. Doch der Leiter des CCS-Projekts Michael Kühn vom Geoforschungszentrum relativiert.

"Wenn man eine Technologie einsetzt und umsetzt, dann muss man natürlich in kleinen Schritten vorgehen. Ketzin ist klein. Aber der Vorteil von Ketzin ist eben, dass es hier sehr anspruchsvoll ist, diese geringen Mengen CO2 sichtbar zu machen. Das ist auch unser Fokus, die Überwachungsmethoden und wir können zeigen, dass wir sehr geringe Mengen CO2 sichtbar machen können mit den Methoden, das gibt Sicherheit für den Betrieb zukünftiger Standorte."

In Ostbrandenburg gibt es zwei Regionen, die als mögliche CO2-Lagerstätten in Frage kommen und die der Energiekonzern Vattenfall erkunden möchte. Das CO2 könnte dort in sogenannten Salinen Aquiferen gespeichert werden – also in tief liegenden, salzwasserführenden Gesteinsschichten. Doch vor allem Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände protestieren gegen die Pläne. Der BUND hat einen unabhängigen Geologen beauftragt, die CCS-Konzepte kritisch zu prüfen. Gutachter Ralf Krupp hat dafür öffentlich zugängliche Informationen genutzt. Und er kommt unter anderem zu folgendem Ergebnis. Zitat:

"CCS in Salinen Aquiferen führt zwangsläufig zu massivsten Versalzungsproblemen in höheren Grundwasserstockwerken und gefährdet die zukünftige Versorgung mit Trink- und Brauchwasser. Wasserrechtliche Schutzvorschriften stehen dem entgegen."

Immer wieder wird die Gefahr einer Trinkwasserversalzung von den CCS-Kritikern genannt – auch für die Regionen in Ostbrandenburg. Michael Kühn vom Geoforschungszentrum hält solche pauschalen Warnungen für problematisch.

"Seriös sind solche Aussagen nur möglich, wenn man einen Standort auch erkundet und konkret sich anschaut, in wie weit das Risiko der Grundwasserversalzung vorliegt. Grundsätzlich muss dieses Risiko betrachtet werden, aber ohne eine Erkundung kann man so eine Aussage nicht treffen."

In den potenziellen brandenburgischen CO2-Lagerstätten um Neutrebbin und Beeskow soll so genanntes Barrieregestein verhindern, dass sich das verdrängte Salzwasser unkontrolliert nach oben ausbreitet. Das Barrieregestein besteht aus einer dichten Ton- oder Salzschicht, die den Speicher dauerhaft abdecken kann. Alte, nicht verschlossene Bohrlöcher oder geologische Klüfte könnten jedoch zu undichten Stellen führen, fürchten die CCS-Gegner. Robert Pörschmann vom BUND stützt seine Kritik auf die Studie von Ralf Krupp.

"Ein Gutachten, was sich mit der Geologie von Neutrebbin aktuell beschäftigt hat, hat genau solche Störungen in der Geologie schon im näheren Umfeld aufgezeigt. Zum Zweiten wird viel zu wenig berücksichtigt, das die Auswirkungen der Verpressung, also die Druckauswirkungen und dann die möglichen Verdrängungswege dieses Salzwassers, Größenordnungen um die hundert Kilometer Radius um den Verpressungspunkt herum auftreten können."

Die Befürworter der CCS-Technik verweisen hier im Gegenzug darauf, dass die beiden Standorte in Ostbrandenburg lediglich erkundet werden sollen – erst danach könne man abschätzen, ob sich die Gesteinsschichten als CO2-Endlager eignen oder nicht. Michael Kühn vom Geoforschungszentrum macht dabei deutlich, dass eine Erkundung nicht bedeutet, das CO2 gespeichert wird. Die Standorte würden auf Basis bereits bekannter geologischer Daten erst einmal weiter erforscht.

"Das heißt, man beginnt eigentlich immer mit einer seismischen Untersuchung. Und wenn man nach diesen Untersuchungen zu dem Schluss kommt, dass sich der Standort nach wie vor so eignet, wie man das geplant hat für eine CO2-Speicherung, dann werden die nächsten Schritte gegangen. Das heißt, es werden Bohrungen niedergebracht, um Proben auch wirklich aus dem Untergrund zu bekommen. Um hydraulische Tests durchzuführen, um zu untersuchen, in wie weit die Deckschichten das CO2 zurückhalten können werden in der Zukunft. Diese Schritte werden dann nach und nach durchgeführt."

Komme man so zu dem Ergebnis, dass die Standorte nicht sicher seien, dann würden dort auch keine CO2-Speicher genehmigt, heißt es seitens des zuständigen Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe in Brandenburg. In seinem Internetauftritt verweist das Landesamt auf die geplanten hohen Sicherheitsmaßstäbe bei der CCS-Technik. Zitat:

"Das Aufsteigen von mit CO2 versetztem Wasser in obere Grundwasserschichten ist auszuschließen. Ähnlich wie bei der Speicherung von zum Beispiel Erdgas werden nur solche Speicherstrukturen für eine spätere Ablagerung überhaupt in Frage kommen, die aufgrund ihrer geologischen Konsistenz und den darüber lagernden abdichtenden Schichten genau dieses verhindern werden."

Allerdings: Beschlossen ist bisher nichts. Denn die Gebiete werden nur erkundet und die Technik nur weiter erprobt, wenn es ein entsprechendes CCS-Gesetz der Bundesregierung gibt. Voraussichtlich im Herbst wird darüber entschieden. Widerstand gibt es auch hier: Schleswig-Holstein und Niedersachsen stehen der CCS-Technik sehr kritisch gegenüber. Und Umweltschutzverbände verweisen zusammen mit betroffenen Bürgern auf den zusätzlichen Energiebedarf, der durch die CCS-Technik entsteht. Ulf Stumpe von der Bürgerinitiative ‚CO2 Bombe‘ aus dem Raum Neutrebbin.

"Es geht ja um erhöhten Energieaufwand, um CO2 unter die Erde zu bekommen und man produziert damit mehr CO2, das ist die Grundidee. Und die ist für viele von uns einfach auch schon in den Grundzügen eine Idiotie. Wir wissen, weil es auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen sagt, das CCS keine Option für die Zukunft sein kann."

Tatsächlich ist allein durch die CO2-Abscheidung ein zusätzlicher Energiebedarf von rund 25 Prozent nötig. Das heißt: Mehr Kohle würde verbrannt, mehr CO2 entsteht. Hinzu kommt, dass derzeit unklar ist, wie lange die unterirdischen Speicher überwacht werden müssten. Das eingepumpte CO2 ist jedenfalls erst nach rund 10.000 Jahren mineralisiert beziehungsweise vollständig im Salzwasser aufgelöst. Allerdings: Die Überwachungsmethoden als solche sind bereits recht gut entwickelt. An einem sicheren Speicherstandort lässt sich daher prinzipiell genau kontrollieren, wie sich das CO2 ausbreitet, sagt Forschungsleiter Michael Kühn. Für Ketzin als Referenzstandort zieht er daher ein positives Fazit – und das, obgleich hier erst seit drei Jahren geforscht wird.

"Also das CO2 breitet sich so aus, wie wir das vorher auch abgeschätzt haben. Also der Standort Ketzin funktioniert hervorragend. Wir können hier in Ketzin belegen, dass die CO2-Speicherung sicher und verlässlich durchführbar ist."

Entschieden ist damit noch nichts. Und Ketzin kommt als CO2-Endlager sowieso nicht in Frage – weil hier das Speichervolumen zu klein ist. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften arbeitet derzeit an einem Speicherkataster, in dem mögliche deutsche CO2-Endlagerstätten erfasst werden. Derzeit jedoch hängt alles am CCS-Gesetz: Mit ihm allein entscheidet sich, ob die umstrittene Technik in Deutschland weiter erforscht wird – und zumindest ein Stück weit entscheidet sich so auch, welche Rolle die Kohleenergie im künftigen Energiemix spielen soll.