Streit mit Trump

Europa braucht neue Bündnispartner

Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, und der amerikanische Präsident Donald Trump, vor einem Treffen in Brüssel am 25.05.2017
Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, und der amerikanische Präsident Donald Trump, vor einem Treffen in Brüssel am 25.05.2017 © picture alliance / dpa / Nicolas Maeterlinck
Von Klaus Remme · 09.06.2018
Strafzölle, Ausstieg aus dem Iran-Atom- und dem Klimaschutzabkommen: Die Entscheidungen des US-Präsidenten ließen einen Graben zwischen den USA und Europa entstehen. Die transatlantische Partnerschaft muss neu vermessen werden, meint Journalist Klaus Remme.
Vielleicht werden wir diesem amerikanischen Präsidenten noch einmal dankbar sein. Offensichtlich brauchte es für die Bundesregierung eine so provokante Figur wie Donald Trump im Weißen Haus, um sich von Illusionen auch öffentlich zu verabschieden. Schon in den vergangenen Jahren klangen die offiziellen Beteuerungen gemeinsamer transatlantischer Werte und unverbrüchlicher Freundschaft zwischen Berlin und Washington zunehmend hohl. Als sich die Schockstarre nach dem Wahlsieg Trumps hierzulande löste, bemühte sich die Bundesregierung um Fassung und um einen kühlen Kopf. Beim letzten G7 Gipfel in Taormina, vor fast genau einem Jahr, zog Trump dann konfrontativ und öffentlich voll vom Leder. Den Europäern klingelten die Ohren. Es folgte Schlag auf Schlag, Klimaschutz, Iran, Strafzölle. Trump teilte aus gegen den Rest der Welt, auch gegen Bündnispartner, besonders gegen Deutschland.
Kommt ein deutscher Außenminister in diesen Tagen nach Washington, ist es inzwischen üblich, dass er nach dem Gespräch im State Department allein vor die Tür geschickt wird, um dort Journalisten zu informieren. Richard Grenell, Trumps Botschafter in Berlin, twitterte in den ersten Amtstagen wie ein Elefant im Porzellanladen. Im Auswärtigen Amt soll er sich friedlich gezeigt haben. Von ihm selbst ist dazu bisher nichts zu hören. Über diesen Stilbruch muss man sich nicht dauerhaft ereifern. Der Mann macht seinen Job. Der Botschafter bekommt Rückendeckung durch das State Department, er trifft die im Weißen Haus gewünschte Tonlage. Grenell muss seinem Präsidenten gefallen, nicht seinen deutschen Gastgebern. Nicht vergessen: Das Problem heißt Trump, nicht Grenell. Und mit Blick auf Trump gilt: Ein Jahr nach Taormina haben alle Beteiligten vor diesem G7 Gipfel in Kanada ihre diplomatischen Masken fallen gelassen. Floskelwolken lösen sich auf.

Partnerschaft mit den USA neu vermessen

Schon auf die Ankündigung einer vorzeitigen Abreise Trumps zuckten Macron und Trudeau mit den Achseln, frei nach dem Motto: Weiter im Text! "Wir müssen uns wehren, gegen diese amerikanische Politik", hat der Bundesaußenminister nach Verhängung der Strafzölle gesagt. In der "Süddeutschen Zeitung" bekräftigte Heiko Maas gestern die Notwendigkeit einer klaren Sprache, auch in der Diplomatie.
Die Partnerschaft mit den USA müsse "neu vermessen" werden. Er hat recht. Ein Ergebnis dieser Neuvermessung ist schon jetzt offensichtlich: Die Schnittmenge gemeinsamer Interessen ist massiv geschrumpft. Das muss Folgen haben. Es wäre grob fahrlässig, auf den Nachfolger Trumps 2020 oder 2024 zu hoffen. Berlin und Washington stehen inzwischen für grundsätzlich unterschiedliche Ansätze internationaler Politik. Für das Weiße Haus sind die multi-laterale Ordnung und das daraus folgende regelbasierte Handeln lästige Hemmnisse. Für Deutschland, ab Januar wieder für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat, sind sie Dreh- und Angelpunkte globaler Verantwortung. Dieses Verständnis ist entscheidendes Kriterium für die notwendige Suche nach neuen Bündnispartnern.

Zusätzliche Lasten für Deutschland sind zwingend

Die Europäer sollten sich dabei nicht kleiner machen als sie sind. Ja, sie wirken nicht nur häufig zerstritten, sie sind es. Und sie haben derzeit alle Hände voll zu tun, den eigenen Laden zusammen zu halten. Doch es geht ja im Streit mit Donald Trump auch nicht darum, morgen oder übermorgen eine Kraftprobe gegen ihn zu gewinnen. Es geht darum, zusammen mit Ländern wie Kanada und Japan ein Gegengewicht zu den Unilateralisten aufzubauen, auch deshalb muss die Verständigung zwischen Deutschland und Frankeich mehr sein als ein Minimalkonsens.
Erhebliche zusätzliche Lasten für Deutschland, nicht nur bei den Verteidigungsausgaben, sind dabei zwingend. Es müssen handfeste Vorteile sichtbar werden, Freihandelsabkommen können da helfen. Ein attraktives Gegengewicht ist für die EU ein Wert an sich, gleichzeitig wäre es die beste Unterstützung für das andere Amerika, jenseits von Donald Trump. Wenn der Bundespräsident in wenigen Tagen die USA besucht und dabei über Washington hinweg nach Kalifornien fliegt, dann gehört auch das zur neuen Ehrlichkeit transatlantischer Diplomatie. Sonntagsreden wurden zu diesem Thema ohnehin schon viel zu viele gehalten.
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