Streik der Lokführer ist "sehr überzogen"

Moderation: Birgit Kolkmann · 03.07.2007
Die Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamter und Anwärter (GDBA) hat die heutigen Streiks der Lokführer kritisiert. Im gemeinsamen Anliegen für mehr Lohn sei die Strategie der Lokführer schädlich, sagte der GDBA-Bundesvorsitzende Klaus-Dieter Hommel. Letzlich habe aber der Bahnvorstand die Streiks zu verantworten, betonte Hommel, weil er kein akzeptables Angebot vorgelegt habe.
Kolkmann: Es ist keine Politik der Nadelstiche, es ist eine Breitseite gegen die Bahn, so wurde es heute in einer Zeitung kommentiert, und natürlich auch gegen die Kundschaft, denn auf den Schienen in Deutschland stehen seit fast zwei Stunden die Räder still. Vier Stunden Warnstreik der Lokführer und dann über den Tag verteilt weitere Aktionen im ganzen Bundesgebiet. (…)

In Italien und Frankreich gehören ja Streiks im öffentlichen Verkehr beinahe zum Alltag. Im Vergleich dazu wird in Deutschland eher selten gestreikt. Die gestern begonnenen Warnstreiks bei der Bahn zeigen deutlich, wie empfindlich die Gewerkschaften den Personen- und Güterverkehr stören können und wie viele Menschen davon beeinträchtigt werden. Die Deutsche Bahn ist natürlich sauer, der Konzern schon empfindlich getroffen. Klaus-Dieter Hommel ist Chef einer der drei Bahngewerkschaften, derjenigen der Deutschen Bundesbahnbeamten und Anwärter, kurz GDBA genannt. Schönen guten Morgen in der Ortszeit.

Klaus-Dieter Hommel: Schönen guten Morgen.

Kolkmann: Herr Hommel, Sie sind ja auch Aufsichtsrat der Bahn. Die Bahnstreiks kommen, kann man sich schon vorstellen, im Konzern nicht gut an. Bei der Kundschaft schon gar nicht, die ist ja heute mehr oder weniger ganz auf Auto oder andere Möglichkeiten umgestiegen. Wenn die Kundschaft nun immer mehr abspringt bei der Bahn, können Sie das eigentlich ökonomisch verantworten?

Hommel: Wir sind da natürlich als Bahngewerkschaft in einer schwierigen Situation. Wenn wir in einer Tarifauseinandersetzung den Bahnvorstand treffen wollen beziehungsweise treffen müssen, dann sind die Kunden leider Gottes natürlich auch benachteiligt. Das bedauern wir. Wir werben deshalb bei den Kunden um Verständnis für unsere Aktionen, die allerdings nicht wir zu verantworten haben, denn die Tarifgemeinschaft GDBA/ TRANSNET hat versucht, innerhalb der Friedenspflicht, nämlich bis Ende letzten Monats, zu einem Tarifergebnis zu kommen. Der Bahnvorstand hat es jetzt zu verantworten, dass uns das nicht gelungen ist.

Kolkmann: Die Kollegen Lokführer mit ihrer eigenen Gewerkschaft wollen natürlich einen besonders großen Schluck aus der Pulle, bis zu 31 Prozent mehr Lohn und Gehalt, und es zeigt sich ja heute, wie sehr sie den Eisenbahnbetrieb in Deutschland lahm legen können, nämlich komplett. Ist denn das, was sie fordern, gerechtfertigt? Was verdient so ein Lokführer?

Hommel: Ich möchte die Forderungen der Kollegen der GDL im Einzelnen nicht kommentieren. Natürlich haben die Kollegen, die als Lokführer beziehungsweise Zugbegleiter tätig sind, wie auch alle anderen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, eine hohe Verantwortung. Deshalb haben wir in diesem Jahr durch eine Befragung unserer Mitgliedschaft eine ganz glasklare Forderung gestellt: Wir wollen sieben Prozent mehr, mindestens 150 Euro für jeden Beschäftigten. Und das ist aus unserer Sicht auch gerechtfertigt aufgrund der positiven Unternehmensentwicklung im letzten Jahr, aber auch in diesem Jahr.

Kolkmann: Was verdient denn zum Beispiel ein Zugbegleiter?

Hommel: Ein Zugbegleiter verdient in seiner jetzigen Entgeltgruppe Brutto etwa 2000 Euro im Monat.

Kolkmann: Etwa 1500 Euro Netto sind es bei den Lokführern, so war zu lesen. Die wollen möglicherweise noch wochenlang weiterstreiken und auch ihre eigene Strategie fahren. Ist das sinnvoll, dass die drei Bahngewerkschaften da nicht ganz an einem Strick ziehen, lassen sie sich so auseinanderdividieren?

Hommel: Wir halten diesen Weg für wenig sinnvoll, und um es deutlich zu sagen, für schädlich, denn die jetzige Situation macht schon deutlich, dass die Arbeitgeberseite versucht, diese Situation auszunutzen und die Bahngewerkschaften gegeneinander auszuspielen.

Kolkmann: Nun haben Sie ja mit diesem Streik, der heute schon ein sehr großes Ausmaß hat, eine volle Breitseite vor allen Dingen auch gegen die Kundschaft abgelassen. Ist das ein bisschen überzogen?

Hommel: Ich halte unsere Aktion, die der Verkehrsgewerkschaft GDBA und der TRANSNET, nicht für überzogen. Wir haben bewusst bereits am gestrigen Tage mit Warnstreiks - und zwar mit echten Warnstreiks - begonnen, die punktuell und zeitlich begrenzt durchgeführt wurden. Wir werden dies heute im Laufe des Tages fortsetzen und sind deshalb auch bemüht, die Auswirkungen auf die Kunden so gering wie möglich zu halten. Zumal wir die Öffentlichkeit jeweils am Vortage rechtzeitig informieren. Wir hoffen, dass der Bahnvorstand dieses Signal versteht und an den Verhandlungstisch zurückkehrt, und zwar nicht nur zurückkehrt, sondern ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegt.

Kolkmann: Sie sprachen eben davon, Sie arbeiten mit echten Warnstreiks. Würden Sie im Gegenzug sagen, das, was die Lokführer machen, sind keine echten Warnstreiks?

Hommel: Ich halte die Maßnahme, die heute stattfindet, aufgrund der Tatsache, dass zwischen dem Bahnvorstand und der GDL, obwohl die GDL zu Verhandlungen eingeladen war, letztendlich als eine doch schon sehr überzogene Maßnahme.

Kolkmann: Vielen Dank. Das war Klaus-Dieter Hommel, der Chef der Bahngewerkschaft GDBA, der Deutschen Bundesbahnbeamten und Anwärter und außerdem Aufsichtsrat der Bahn.