Stölzl: Humboldt-Forum braucht Visionen

Christoph Stölzl im Gespräch mit André Hatting · 22.07.2011
Der frühere Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, plädiert dafür, eine charismatische Führungspersönlichkeit für das Humboldt-Forum zu suchen. Nur so könne die Vision von einem Dialog der Kulturen und einem Austausch der Institutionen Realität werden.
André Hatting: Es ist das derzeit wichtigste Kulturprojekt in Deutschland, das sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Er meint das Humboldt-Forum in Berlins Mitte, das Herzstück innerhalb der neuen Schlossfassade. Die Sammlungen des Ethnologischen Museums, des Museums für Asiatische Kunst, der Humboldt-Universität sowie die Zentral- und Landesbibliothek ziehen 2019 dort ein. Eine einmalige Chance für den Austausch mit und zwischen den Kulturen. Genau diese Chance wird aber verspielt, befürchten Kritiker, weil es bis heute kein Konzept gibt, das erklärt, wie diese Museen miteinander statt nebeneinander existieren. – Im Studio begrüße ich jetzt Christoph Stölzl, der CDU-Politiker war Wissenschaftssenator in der Hauptstadt und ist seit 2010 Präsident der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Guten Morgen, Herr Stölzl.

Christoph Stölzl: Guten Morgen.

Hatting: Es gibt bis heute kein überzeugendes Konzept für das Humboldt-Forum. Wird hier eine Riesenchance vertan?

Stölzl: Also das würden die Betreiber vermutlich nicht so sagen. Ich bin gar nicht eingetaucht in all das, was diese Kommissionen seit langer Zeit bereden und diskutieren, aber ich bin ganz sicher, dass es unendlich viele Konzepte und Programme gibt. Die andere Frage ist, wie so was funktioniert. Die Faustregel ist bei allen großen Institutionengründungen, ob das das Centre Pompidou in Paris war, oder das höchst erfolgreiche Jüdische Museum hier in Berlin, dass nach allen Kommissionen, nach allem Einigen der Geldgeber, nach allen Architektenstreitigkeiten am Schluss Personen das in die Hand nehmen müssen, und zwar nicht 20, nicht zehn, nicht fünf, sondern eine Person. Es kommt bei Kulturgründungen einfach auf den einen Menschen an, ob Mann oder Frau, der eine Vision hat und so schlagfest ist, das durchzuziehen und andere Menschen zu begeistern. Institutionen begeistern sich für die Nachbarinstitutionen meistens nicht, das tun sie nicht.

Hatting: Das war in dem von Ihnen angesprochenen Jüdischen Museum Michael Blumenthal. Wer könnte das hier sein im Humboldt-Forum?

Stölzl: Das ist schwierig. Pontus Hultén ruht im Grabe, der große Schwede, der das Kulturhuset in Stockholm erfunden hat, die erste integrierte Kulturmaschine, der diesen übergreifenden Blick hatte, quer über die Kontinente, von der modernen Kunst in die Ethnographie in die Politik. Also ich bin jetzt hier kein Personalberater, aber ganz sicher muss man, glaube ich, wenn man aus diesem Humboldt-Forum, aus dem Schloss etwas machen will, was funktioniert und was wirklich auch so sympathisch und attraktiv ist, jemand finden, der tatsächlich die Idee verkörpert.

Keine Ahnung, wer das ist. Ich glaube nur eben, bei allem guten Willen von Kommissionen, bei allem guten Willen von Museen, die mit ihren Nachbarmuseen natürlich kommunizieren wollen, ist es etwas ganz Natürliches, dass jeder, der für eine Institution, für eine Sammlung verantwortlich ist, zunächst mal sein eigenes da betreuen möchte und nicht automatisch über seine eigenen Ziele hinausdenken muss. Das wäre zu viel verlangt.

Hatting: Das ist ein Problem. Das zweite Problem scheint auch ein bisschen die Struktur des Humboldt-Forums selbst zu sein. Es hat bislang in einer ersten Ausschreibung Versuche gegeben für Entwürfe, wie man es gestalten kann. Da sollen in einem Entwurf Exponate durch den Raum schweben, lustige Piktogramme sollen den Weg weisen, andere Entwürfe ähneln einem Warenhaus. Sie sind alle abgelehnt worden, diese Entwürfe in dem ersten Versuch, weil offensichtlich es Schwierigkeiten gibt mit dieser Fassade außen, innen drin etwas zu machen, was alle Museen miteinander verbindet.

Stölzl: Die Raumformen, in denen man Kultur machen kann, sind uralt und wohl bewährt meistens. Ein Konzertsaal ist ein Konzertsaal, da kann ich Konzerte machen. Ein Museum ist ein Raum, wo ich Objekte schützen kann. Also man tut gut daran, wenn man überhaupt so was will, Kongresse, Begegnungen, geistigen Austausch, dann auch die Formen zu wählen, den Kongressraum, das Theater, das Auditorium, das dafür vorgesehen ist. Nur ich muss so einen Platz haben. Ich kann nicht davon ausgehen, dass die Leute auf dem Weg von einem Museum ins andere nun miteinander kommunizieren und neue Gedanken über die Dritte Welt finden. Das, finde ich, ist naiv und allzu optimistisch gedacht.

Von alleine ergibt sich gar nichts, und die Verfassung von Veranstaltungsformen bis in die Sicherheit hinein, bis in die Frage, gehen in einen Raum tausend Leute, 500 oder nur 50, das muss man klären und dann muss man Räume vorhalten, in denen diese Begegnungen, in denen diese Kongresse, in denen dieser geistige Austausch auch stattfinden kann.

Hatting: Wenn wir von einem Dialog der Weltkulturen sprechen - das ist ein Wort von Ihnen, das haben Sie 2002 im Zusammenhang mit dem Humboldt-Forum angeregt -, wäre es nicht auch sinnvoll, bei diesem Dialog eine völlig neue Ausstellungskultur zu betreiben? Besteht eine Chance, etwas anderes zu machen als nur Exponate der Ethnologischen Sammlung auszustellen, sondern dass man vielleicht auch auf eine lebendige Tradition verweist, dass man vielleicht anfängt, ganz neu nachzudenken über einen Dialog der Weltkulturen?

Stölzl: Natürlich kann man das Museum, den Raum als Labor nehmen und sagen, hier bringen wir Dinge, Gegenstände zunächst in Nachbarschaft, die etwas auslösen im Betrachter. Das ist aber nichts Neues. Das gibt es seit der Museumsrevolution, Reform der 70er-, 80er-Jahre. Die andere Frage ist, wie weit man den Diskurs, das Miteinander-Sprechen, den Kongress, das Einladen von Menschen aus anderen Ländern in die Nachbarschaft solcher experimenteller Räume bringt, und dazu brauche ich Platz, das muss ich deutlich sagen. Ich kann nicht sagen, wir gehen mal in die Cafeteria und schwatzen über das, was wir gerade erlebt haben. Da muss man sagen, dann muss ich ein Theater dazu bauen, ich muss ein Auditorium bauen.

Es ergibt sich gar nie etwas von ganz alleine. Das Pompidou ist eine Schachtel, wo die Sammlungen gestapelt sind und wo vor allem durch den berühmten Aufzug und den Platz davor die Menschen verlockt werden, von einem Teil in den anderen zu flanieren. Nichtsdestoweniger: Es ist trotzdem eine Bibliothek und trotzdem ein Museum. Aber die soziale Plastik, so würde es Joseph Beuys sagen, dieses Kunstwerk aus Unterhaltung, Flanieren, Essen und Trinken, begeistert sein von diesem merkwürdigen Gebilde, die Verwandlung, das Traumhafte an diesem Raum ist wahrscheinlich das, was die Gefühle in Gang setzt. Wenn man in Berlin viel ehrgeiziger einen Dialog der Deutschen aus der Mitte Europas mit den anderen Welten führen will – das ist ja ein hoch politischer Gedanke -, dann müsste man das schon sehr ernst nehmen.

Hatting: Wir sind gespannt, was das Humboldt-Forum wird leisten können. – Christoph Stölzl war das, er war bis 2001 Wissenschaftssenator von Berlin und ist aktuell Präsident der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


Links auf dradio.de:

Lange Zeit gab es Streit um die Rekonstruktion des historischen Schlossplatzes und die verschiedenen Konzepte dafür. Im November 2008 erhielt der italienische Architekt Francesco Stella den Zuschlag für das eigentliche Gebäude und seine Fassaden. Über die innere Ausgestaltung und das inhaltliche Konzept für das Humboldt-Forum gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen.

"Aktuell" vom 28.11.2008: Berliner Stadtschloss - Francesco Stella erhält Zuschlag für Wiederaufbau - "Humboldt-Forum" wird ab 2010 gebaut

Kultur heute vom 26.5.2011: Das endgültige Gesicht des Humboldt-Forums - Der italienische Architekt Franco Stella hat seine Entwürfe präsentiert

Thema vom 26.5.2011: Schloss-Kopie sucht Inhalt - Das Konzept für das Humboldt-Forum Berlin
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