Stimme und Instrument

Bin ich musikalisch?

Zahlreiche Fans nehmen am 10. Weihnachtssingen des 1. FC Union Berlin am 23.12.2012 im Stadion Alte Försterei in Berlin teil.
Die trauen sich! - Weihnachtssingen des 1. FC Union Berlin im Stadion Alte Försterei in Berlin © picture alliance / dpa / Foto: Jörg Carstensen
Gäste: Michael Betzner-Brandt, Chorleiter und Dirigent / Prof. Dr. Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des Verbandes Deutscher Musikschulen · 07.06.2014
Am sechsten "Tag der Musik" vom 13. bis 15. Juni können Laien und Profis wieder nach Lust und Laune musizieren. Doch viele Menschen fragen sich, ob sie mit ihrer Stimme überhaupt singen können - und dürfen.
Passend zum Auftakt der Fußball-WM heißt das Motto: "Anpfiff für Musik". Über sieben Millionen Laien machen in Deutschland Musik, in Chören, Orchestern und Bands jeglicher Richtung. Es wären sicherlich noch mehr, wenn nicht mancher denken würde: "Ich bin nicht musikalisch …".
"Jeder ist musikalisch", sagt der Leiter der Westfälischen Schule für Musik in Münster
Prof. Dr. Ulrich Rademacher. "Das ist wie essen, trinken, lieben und schlafen – das können alle mehr oder weniger. Das ist wie aufrecht gehen, bei manchen sieht es blöd aus, aber es lässt sich üben."
Um mehr Menschen – besonders auch Kinder – für die Musik zu begeistern, hat er mehrere Orchester gegründet, darunter das preisgekrönte "Junge Westfälische Barockensemble" und das "Westfälische Jugendsinfonieorchester". Er schuf eine Jugendakademie für hochbegabte Kinder und Jugendliche und das Projekt "Jedem Kind seine Stimme" JEKISS für Grundschulen.
Musik in der Unterrichtszeit – nicht am Nachmittag
Musikunterricht gehöre in die Schulen und dürfe nicht noch mehr dem Rotstift zum Opfer fallen werden: "Wir glauben ganz sicher, dass in der Nach-Pisa-Zeit langsam klar werden muss, dass es mehr geben muss als solche volkswirtschaftlich relevanten Fächer wie die MINT-Fächer – wir brauchen den ganzen Menschen.
Gerade ein rohstoffarmes Land wie das unsere braucht einen extra Rohstoff."
Dies sei kulturelle und damit auch musikalische Bildung - und zwar in der Schulzeit, nicht zusätzlich zum Schulstress am Nachmittag. "Es gibt viele positive Beispiele: Wenn sich die Kinder musikalisch austoben können und haben danach eine Mathestunde, dann funktioniert auch die besser. Dass morgens für den Kopf gelehrt wird und nachmittags fürs Gemüt, das bringt uns nicht weiter."
Das Wichtigste: Mit der Stimme in Verbindung sein
"Jeder, der sprechen kann, kann auch singen", sagt der Chorleiter und Musikpädagoge Michael Betzner-Brandt. Dies beweist er mit seinen Chören, unter anderem dem "High Fossility - RockPopChor 60+", der Klassiker der Rockgeschichte neu interpretiert. Und mit seinem einzigartigen "Ich-kann-nicht-singen-Chor": "Wir singen ohne Text und Noten. Das Ziel ist, dass man spürt, wie schön das Singen ist, wie das vibriert im Körper…"
Seine Überzeugung: "Persönlichkeit geht vor Perfektion. Stellen Sie sich vor: Herbert Grönemeyer oder Tom Waits – sie könnten nie in einem klassischen Chor die h-Moll-Messe singen … Oder Joe Cocker, er trifft keinen Ton, aber er kann mit seiner Stimme so unglaublich viel bewegen und zum Ausdruck bringen! Das Wichtigste ist, dass man in Verbindung mit seiner eigenen Stimme steht."
Wenn dies zutreffe, "dann erzählt eine Stimme mehr als 1000 Worte."
"Ist jeder musikalisch?"
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Ulrich Rademacher und Michael Betzner-Brandt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
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