Stevensons Meisterstück

24.02.2011
Hierzulande zählt dieser Roman zu den eher unbekannten Werken Stevensons. Er handelt von der Faszination und Macht des Bösen, von zwei Brüdern, die an ihrer Rachsucht zugrunde gehen. Unser Rezensent ist von der Neuübersetzung begeistert.
Im Dezember 1887 begann Robert Louis Stevenson in Saranac, im Norden des Staates New York, mit einem Roman über zwei verfehdete Brüder. Auf einer langen Kreuzfahrt durch die Südsee und während eines Aufenthalts auf Tahiti setzte er diese "Wintergeschichte" - so der Untertitel - fort, um sie 1889 auf Hawaii unter dem Titel "Der Master von Ballantrae" abzuschließen.

Das Buch, das zunächst in monatlichen Fortsetzungen in Scribner’s Magazine erschien, wurde Stevensons Meisterstück. Einerseits ein fantastischer Historien- und Abenteuerroman in gewohnter Manier, andererseits aber ein nicht nur seinerzeit hochmodernes Psychgramm über die Faszination und Macht des Bösen. James, der ältere der beiden Brüder aus vornehmer schottischer Familie, ein liederlicher Junker, aber vom Vater mehr geliebt als sein braver Bruder Henry, zieht 1745 in den zweiten Jakobiten-Aufstand und gilt nach dessen Niederschlagung als tot.

Tatsächlich aber ist er aus Schottland geflüchtet und treibt rund um die halbe Welt, von Nordamerika bis Indien, sein Unwesen als Söldner und Pirat. Unterdessen wird der Bruder zum Herrn des väterlichen Guts und ehelicht die Braut des Bruders - bis dieser wieder auftaucht, sein Erbteil einfordert und den Bruder aus purer Bosheit demütigt. Zuletzt gehen beide an ihrer Rachsucht zugrunde.

Überliefert wird diese Geschichte durch die hinterlassenen Dokumente des biederen Gutsverwalters Ephraim Mackellar, die sich in einem Päckchen befinden, das dem Autor - Verzeihung: Herausgeber – 100 Jahre später übergeben wird. Mackellar ist Stevensons großer erzählerischer Kunstgriff, mit dem er den Leser nach wenigen Sätzen in Bann schlägt: ein parteilicher, die ehrliche Haut Henry verehrender Chronist und dadurch am Ende dieses Familiendramas umso glaubwürdiger.

Hierzulande zählte dieser Roman zu den eher unbekannten Werken Stevenson, was auch an den Übersetzungen lag. Doch Melanie Walz ist es jetzt gelungen, den wahren Stevenson zum Vorschein zu bringen: "Kunst ist Handwerk", nach diesem Motto schrieb er. Und in der Neuübersetzung wird deutlich, wie klar und präzise, schlank und entschlackt Stevenson erzählt.

Der von Melanie Walz herausgegebene und übersetzte Prachtband stellt eine behutsame Restaurierung dieses Autor dar. Es ist gottlob keine "moderne" Übersetzung, sondern endlich eine zeitgemäße, wortgewandte und formulierungssichere, die zugleich aber auch Zeitgeist und Atmosphäre des Originals bewahrt.

Besprochen von Georg Schmidt

Robert Louis Stevenson: Der Master von Ballantrae
Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Melanie Walz
mareverlag, Hamburg 2010
352 Seiten 29,90 Euro