Stern der elektronischen Tanzmusik

Von Gerd Brendel · 24.05.2011
Der Berliner Künstler Sirius Mo - bürgerlich Moritz Friedrich - steht in den Startlöchern für eine Musiker-Karriere. Mit Synthesizer und Computer baut der 35-Jährige Disco, Hip Hop, House, Elektro sowie ab und zu ein paar Stevie-Wonder-Takte zu einer eigenen Klangwelt zusammen.
Wenn auf den Künstler Sirius Mo ein Klischee zutrifft, dann das vom schöpferischen Chaos, dass neue Welten schafft. Im Falle von Sirius Mo akustische Welten. Schulterlange Locken, Nickelbrille – so sitzt der 35-Jährige in seinem Studio-Chaos-Reich: An der Wand ein paar Dämmplatten, Plattenregale, eine Kiste mit Spielzeuginstrumenten, ein voller Aschenbecher, Kaffeebecher, Elektroorgel und ein elektrisches Klavier:

"Das is' leider 'n bisschen kaputt. das ist 'ne Hohner Elektra. Der berühmte einzige Song, der darauf gespielt wurde, ist von Led Zeppelin. Was steht hier noch? Hier steht 'n Wurlitzer Piano … - mein ganzer Stolz."

Instrumente aus den Urzeiten der elektronischen Musik und Relikte aus den Anfangszeiten des Musikers Sirius Mo.

"Hab' mir hier meine alten Noten rausgekramt … - na ja, so das Typische, Brahms und Czerny. Hab' mir fest vorgenommen, mal wieder zu spielen."

Damals hieß Sirius Mo noch Moritz Friedrich und wohnte mit seinen Bruder und seinen Eltern in Berlin-Friedrichshagen.

"Wenn du so willst, komm ich quasi aus 'ner Künstlerfamilie, mein Vater is' Maler und Graphiker aus'm Osten, ein spießiges Elternhaus hab' ich nicht. Das kann ich dir bestätigen."

Und wenn er nicht Klavier übte, ging Moritz am liebsten in den Wald – Vögel beobachten.

"Hab' zusammen mit meinem Bruder 'nen Buchfinken großgezogen, der aus dem Nest gefallen ist, hat sich zwar später 'n Fuß abgebissen, weil er sich den in 'ner Tür geklemmt hat, aber haben versucht, den auch richtig auszuwildern und hat geklappt. Bin totaler Vogelliebhaber, kenn' mich auch aus, würd' ich sagen."

"Lass den Vogel frei" lautet ein Track auf seinem ersten Album.

"Is' vielleicht meine revolutionäre Message am Ende."

In den letzten paar Sekunden löst eine Nachtigall die Elektrobeats ab.

Als die revolutionäre Message von 1989 auch in Friedrichshagen den sozialistischen Schulalltag auf den Kopf stellte, war Sirius zwölf.

"Konnste endlich den Lehrern, die wie bei mir als Künstlerkind eh schon immer angezählt warst, auch mal den Stinkefinger zeigen. Wir sind in Häuser eingebrochen, weil wir wussten die Leute sind abgehauen. Es war alles so wild, und jetzt kann man über die Grenze und ab geht's."
In die nächste Süßwaren-Abteilung, zum nächsten Plattenladen oder an die nächste freie Wand. Neben der Musik entdeckte Moritz sein Talent als Graffiti-Sprayer und Zeichner. Nach der mittleren Reife ging er bei einem Stuckateur in die Lehre.

"Da mein Chef dachte, ich hab' da Talent, durfte ich auch die schönen Sachen machen."

Aber der begabte Lehrling hatte andere Pläne.

"Andere Leute haben angefangen mit ihrem Führerschein und ich hab mir 'n 'Synthi' gekauft. Von meinem ersten Lehrgeld."

Heute steht der "Cokrel"-Synthesizer neben dem großen Bildschirm, an dem Sirius seine Musik "zusammenbaut” , wie er es nennt .

"Hier is' so 'ne Idee, an der ich arbeite, dann hab ich den Synthesizer. Und hier so 'n Klavier rumliegen, weißte...""

Einer seiner ersten Tracks hieß "Stuckateur der Liebe".

"Ich wurde ganz böse verlassen, und mit diesem melancholischen Gefühl hab' ich meine Musik gemacht. Hab' mich extra verlassen lassen, damit ich schöne Musik machen kann."

Ernst oder Ironie - die Geschichte bestätigt auf jeden Fall das zweite Klischee vom Künstler als Chaot, der irgendwie unglücklich ist. Die musikalische Melancholie reichte allerdings bisher nicht zum Leben. Seinen Lebensunterhalt verdient sich Sirius mit seiner dritten Begabung: als Auftragskünstler für Graffitis und als Illustrator. Mit seinem ersten Album könnte sich das allerdings bald ändern.

Disco, Hip Hop, House, Elektro und hin und wieder ein paar Takte Stevie-Wonder-Funk: Das kann man alles auf Sirius Mos Erstlingswerk hören. Die Kritik reagierte begeistert, Sirius Mo könnte also zufrieden sein, wenn da nicht ein Begleitumstand des Musikerruhms dem 35-Jährigen zu schaffen machen würde:

"DJs leben nicht von der Musik, die sie veröffentlichen, sondern von Live-Auftritten und Gigs, unglücklicherweise sperr' ich mich davor aus bühnenangst-technischen Gründen. Ick fühl' mich wirklich ganz streng ätzend angstmäßig."

Aber öffentliche Club-Auftritte gehören nun mal zum Geschäft. Und wer weiß, vielleicht überwindet ja Sirius Mo doch noch einmal seine Bühnenscheu. Dass die Dinge nie so bleiben wie sie sind, erlebt Sirius Mo, der Ost-Berliner Musiker aus einstmals gebrochenem Herzen, gerade wieder einmal.

"Tatsächlich bin ich grad ein bisschen verknallt."

Und eines der schönsten Tracks auf Sirius Mos erstem Album heißt : "high TOGETHER".