Stephen Malkmus & The Jicks: "Sparkle Hard"

Älterwerden als Indie-Ikone

Sänger Stephen Malkmus, hier aufgenommen bei einem Pavement-Konzert im Roy Wilkins Auditorium im Jahr 2010
Sänger Stephen Malkmus © imago/ZUMA Press
Von Mathias Mauersberger · 22.05.2018
Seit der Pavement-Auflösung im Jahr 1999 steht Sänger Stephen Malkmus mit "The Jicks" auf der Bühne. Der Dauerironiker hat sich inzwischen zum ernsthaften Studionerd entwickelt - und ernst sind auch die Texte auf seinem neuen Album "Sparkle Hard".
"Ich habe mit diesem Album versucht, mich mehr in die Hörer hinein zu versetzen. Dabei sind keine Pop-Songs entstanden, aber die Stücke kommen schneller auf den Punkt und unterstreichen unsere Qualitäten als Band."

Harte Zeiten

Stephen Malkmus räkelt sich auf einer Couch in der Berliner Filiale des "Gibson Show-Room", einer Art Loft, in dem der insolvente US-amerikanische Gitarren-Hersteller seine besten Stücke ausstellt. Der Musiker aus Portland, Oregon ist 52 und zweifacher Familienvater. Aber auch an ihm ist die Krise der Musikindustrie nicht spurlos vorbei gegangen.
"Die Zeiten sind hart heutzutage, das sagen zumindest mein Konzertagent und meine Plattenfirma. Die Verkäufe von Tonträgern sind extrem gesunken. Man muss sich als Künstler schon um seine Hörerinnen und Hörer bemühen. Sonst hören sie deine Sachen einmal an, und wandern sofort weiter zum Nächsten."

Dem verschachtelten Indie-Rock seiner früheren Alben ist Stephen Malkmus aber auch auf "Sparkle Hard" weitestgehend treu geblieben. Im Eröffnungsstück mündet ein bedächtiges Piano-Intro im großen Gitarren-Getöse. "Shiggy" klingt fast wie eine alte Pavement-Nummer. Aber auch ungewohnt moderne Effekte haben sich eingeschlichen.
"Ich hatte dieses komische Heavy-Metal-Stück und suchte nach einem körperlosen, halbmenschlichen Klang: Auto-Tune! Aber keine Sorge: Ich habe den Effekt nicht auf hundert Prozent – bis in den roten Bereich – aufgedreht, sondern nur auf Fünfzig gestellt."
Bemerkenswerter als die zwar gelungenen, aber nicht immer zwingenden Songs dürften die Texte von "Sparkle Hard" sein. Ein Album für "dunkle und komplexe Zeiten" nennt die Plattenfirma Malkmus' neues Werk; ein Album, das sowohl politische als auch gesellschaftliche Entwicklungen aufgreift. In "Refute", einem Duett mit Sonic Youth-Sängerin Kim Gordon, singt Malkmus von den Tücken des Online Datings. "Bike Lane" wiederum wurde vom Tod Freddie Grays inspiriert, eines Afroamerikaners, der 2015 – unschuldig – von Polizisten in Baltimore ermordet wurde.

Um-die-Ecke-gedachte Rocksongs und schräge Balladen

"Stell dir einen Typ in einer liberalen US-amerikanischen Stadt vor. Er sitzt an seinem Computer und stößt bei Facebook auf eine Vereinigung von Radfahrern, die sich für einen neuen Fahrradweg einsetzt. Dann öffnet er ein neues Fenster und liest von dieser brutalen Geschichte, die in einem anderen Viertel stattfand, in dem es keine Fahrradwege gibt. Der Song 'Bike Lane' kommentiert nur das seltsame Nebeneinander dieser beiden Ereignisse."
Die Widersprüche des Alltags, die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft: Stephen Malkmus greift auf "Sparkle Hard" wichtige Themen unserer Zeit auf und verpackt sie in um-die-Ecke-gedachten Rocksongs und schrägen Balladen. Aus dem dauerironischen "Slacker" ist ein ernsthafter "Studio-Nerd" geworden, der seine musikalische Nische mit Hingabe pflegt, morgens aber auch die zwei Töchter zur Schule fährt. Älterwerden als Indie-Ikone: Stephen Malkmus macht es vor. Und dürfte mit seinem "harten Funkeln" auch ein jüngeres Publikum erreichen.
"Ich fände es toll, wenn mehr 'Millenials' zu meinen Konzerten kommen würden. Leute, die zwischen 1980 und der Jahrtausendwende geboren wurden. Mich interessieren deren Themen und Probleme, Ökonomie und Umwelt. Und es wäre okay für mich, als eine Art Lehrer aufzutreten. Lehrer ja, aber bitte nicht Vater."
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