Steinbrücks mangelndes Gespür für Geld

Von Christel Blanke · 30.12.2012
OH, MANN! In großen roten Lettern prangt dieser Ausruf auf dem aktuellen "Spiegel"-Titel. Unterzeile "Das starke Geschlecht sucht seine neue Rolle". Oh, Mann! Das wird auch so mancher Sozialdemokrat gerufen haben, als es an diesem Wochenende in den Nachrichten hieß: Steinbrück wünscht sich höheres Kanzlergehalt.
Schon wieder. Steinbrück und sein Gespür für Geld - beziehungsweise sein mangelndes Gespür für dieses Thema. Gerade hat er in der Diskussion um seine Vortragshonorare die Kurve gekriegt. Alle davon überzeugt, dass ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat auch ruhig vermögend sein darf, wenn er nur die richtigen Themen anpackt. Die Genossen in Niedersachsen blicken beruhigt und zuversichtlich auf die Landtagswahl in drei Wochen. Und schon tritt Steinbrück die nächste Debatte los über sein Verhältnis zum Geld.

Warum will Peer Steinbrück Kanzler werden? Doch wohl nicht wegen der Bezüge. Dass er schon für einen Vortrag fast genauso viel Geld bekommt, wie die Kanzlerin im ganzen Monat, ist ja hinlänglich bekannt. Man darf wohl unterstellen, dass Steinbrück gestalten will und dafür ins Kanzleramt strebt. Kein Politiker in Deutschland hat mehr Macht als der Chef des Bundeskabinetts. Keiner steht derart im Interesse der Öffentlichkeit. Angela Merkel ist sicher auch deshalb so populär, weil sie nie den Eindruck vermittelt, es ginge ihr ums Geld.

Ach ja. Für die Beliebtheit der Kanzlerin hat Steinbrück an diesem Wochenende auch eine Erklärung parat. Sie hat einen Frauenbonus, sagt er. Frauenbonus? Was heißt das denn? Quotenfrau? Oder doch wieder nur eine ungeschickte Formulierung? Denn im gleichen Interview sagt Steinbrück, Angela Merkel hat sich in einer Männerwelt durchgesetzt, wirkt sehr unprätentiös und tritt bescheiden auf. Und das werde auch von Wählern und Wählerinnen der SPD anerkannt.

Dass Merkel bei Wählerinnen punkten kann, ist ihr Vorteil, meint Steinbrück. Aber deshalb nicht automatisch sein Nachteil. Wenn er sich da man nicht irrt. So mancher wünscht sich wahrscheinlich längst, er würde sich von Merkels Tugenden eine Scheibe abschneiden. Auf der Beliebtheitsskala der Politiker steht jedenfalls nicht nur die Kanzlerin weit vor ihrem Herausforderer. Auch eine Sozialdemokratin macht eine deutliche bessere Figur. Hannelore Kraft, auch so eine unprätentiöse, bescheiden auftretende Frau, steht auf Platz drei direkt hinter der Kanzlerin, wenn auch mit großem Abstand. Der Herausforderer landet nur auf Platz sieben.

Statt immer wieder ums große Geld zu kreisen, könnte Steinbrück ja mal anfangen, sich auf kleinere Einkommen zu konzentrieren. Mindestlöhne, Minijobs, Alterssicherung, die sich immer stärker öffnende Schere zwischen Arm und Reich - da gibt es eine Menge zu tun. Wenn Steinbrück endlich seine Rolle findet als Kanzlerkandidat der sozialdemokratischen Partei, dann wird am Wahlabend vielleicht aus dem genervten Oh, Mann ein anerkennendes Mannomann!

Mehr zum Thema:
Zu viel, zu wenig, ausreichend? Die Politik debattiert über das Gehalt deutscher Regierungschefs