Steffen Kopetzkys neues Buch "Monschau"

Was Epidemien aus Menschen machen

10:48 Minuten
Steffen Kopetzky stellt 2019 in Flensburg sein Werk "Propaganda" vor. Im Vordergrund unscharf zwei Köpfe des Publikums.
Steffen Kopetzky hat sein neues Buch in Monschau in der Eifel angesiedelt. Dort hatte er sich an ein Gespräch mit einer Arzt-Witwe erinnert. © IMAGO / Willi Schewski
Steffen Kopetzky im Gespräch mit Joachim Scholl · 09.04.2021
Audio herunterladen
Steffen Kopetzkys neuer Roman handelt vom Pockenausbruch in einem Eifelstädtchen 1962. Bei seinen Recherchen fand der Experte für große historische Stoffe viele Parallelen zu heuten. Doch es gab auch einen wesentlichen Unterschied.
Spätestens seit seinem letzten beiden Roman "Risiko" und "Propaganda" gilt Steffen Kopetzky als erstklassiger Autor für große historische Geschichten. Sein neues Buch spielt im Eifelstädtchen Monschau, wo im Jahr 1962 die Pocken wieder ausbrachen, und handelt im Hauptstrang davon, was dann passierte. "Monschau" hat in der Coronapandemie also beste Voraussetzungen, der Roman zur Zeit zu werden.
Er sei während einer Lesereise in Monschau auf das Thema gestoßen, als die Witwe des Arztes Günter Stüttgen erzählt habe, ihr Mann habe eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Pocken gespielt. Daraufhin habe er sich an die Recherche gemacht, sagt Kopetzky.
Der Autor entdeckte viele Parallelen: So seien die Pocken damals genauso wie 2020 Corona nach Europa gekommen, über einen Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens, der Otto Juncker GmbH: "Ein Monteur von dieser Firma war ein halbes Jahr in Indien und kam kurz vor Weihnachten mit der Lufthansa zurück."
Viele Umstände seien zusammengekommen, wodurch man nicht bemerkte, dass er die Pocken hatte und auch bei der Tochter sei es nicht erkannt worden. Es sei ein Fehler zum anderen gekommen, man habe nicht sehen wollen, dass ein deutsches Kind 1962 plötzlich aus dem Nichts die Pocken hat. "Das erschienen allen unwahrscheinlich, dann hat man den Fall hin- und hergeschoben."

Anfeindungen gegen Arzt

Letztlich sei die Bekämpfung erst richtig in Gang gekommen, als Günter Stüttgen vom Innenministerium beauftragt wurde, sich der Sache anzunehmen. Er war der einzige Experte, der sich noch mit Pocken auskannte. "Dann entstand ein Umgang damit, wie wir es heute kennen: Quarantänestation, Isolierstationen, sofortige Impfmaßnahmen, die durchgeführt worden sind. So wurde man dieser Epidemie im Laufe von zehn Wochen auch wieder Herr."
Der Arzt wurde aber auch angefeindet, zum Beispiel wegen der Absage des Karnevals: "Natürlich waren die Eifler, die sind ja auch Rheinländer, überhaupt nicht begeistert davon, dass der Karneval im Kreis Monschau abgesagt war."
Es gebe aber einen großen Unterschied zwischen Corona und den Pocken damals, so Kopetzky: "Die Pocken waren eine altbekannte Krankheit. Es gab keine Variola-Leugner, Variola ist der lateinische Name."
Allen sei klar gewesen, dass die Pocken eine hochansteckende und ohne Impfung auch sehr gefährliche Krankheit waren. Die Todesrate habe bei eins zu drei gelegen. "Diese Krankheit hat gewütet. Das wusste jeder. Deswegen war natürlich der Respekt da."

Der Mensch in seiner Widersprüchlichkeit

Es habe allerdings immer wieder heimliche Treffen gegeben, und Menschen hätten sich aus der Quarantäne gestohlen: "Ich habe mittlerweile schon einige Zeitzeugen kennengelernt, die mir geschrieben haben: ‚Ja, ja, ich weiß noch, wir sind dann aus der Quarantäne aus dem Fenster geklettert, um auf dem Weinberg auf die Weiberfastnacht zu gehen.'"
Es gebe viele Phänomene, die man heute auch sehe. "Der Mensch in seiner ganzen Widersprüchlichkeit war damals eben auch da. Das war auch das, was mich interessierte", sagt Kopetzky. Die Epidemie sei das eine, und er habe versucht, diese treu wiederzugeben. "Aber der Roman beschäftigt sich natürlich mit den Menschen, die da zusammenkommen."
(mfu)
Mehr zum Thema