Starkregen und stationäre Tiefs

Warum das Wetter bei uns verrücktspielt

Ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks steht knietief im schlammigen Wasser, hinter ihm ein Gartenzaum und ein Wohnhaus. Gegenstände treiben durch das Wasser.
Katastrophenfall im oberbayerischen Polling: Zahlreiche extreme Wetterphänomene waren in diesem Sommer in Deutschland bereits zu beobachten. © dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Von Julia Beißwenger · 14.06.2016
Elf Tote und Schäden in Millionenhöhe - verursacht durch Starkregen, Sturzfluten, Schlammlawinen, Sturm, so die Unwetterbilanz der letzten Tage in Deutschland. Was sind die Ursachen für die massiven Regenfälle?
Gewitter und starke Regengüsse gehören zum Sommer. Das war schon immer so. Der Grund ist relativ einfach: Warme Luft kann besonders viel Wasserdampf aufnehmen. Steigt die Luft auf, kühlt sie ab und muss die Feuchtigkeit wieder abgeben. Schnell entstehen große Tropfen. Der Niederschlag kommt dann oft plötzlich auf kleinem Gebiet runter, erklärt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
"Wenn in der Höhe kühle Luft herrscht, am Boden ist es besonders heiß. Dann ist die Atmosphäre labil geschichtet - und unter labil geschichteten Bedingungen reichen geringste Auslösemechanismen, um Gewittertürme aufzubauen. Diese Auslösemechanismen können kleinste Luftmassengrenzen sein, aber auch Berge. Dort müssen die Luftmassen drüber - und durch diese Hebung wird quasi diese Gewitterzelle ausgelöst."
Vor allem in den Mittelgebirgen und Alpen ist man also sommerliche Wolkenbrüche gewöhnt. Doch gibt es eine auffallende Tendenz und das weltweit.

Weltweit nehmen Niederschläge zu

"Wenn wir lange Trends von Wetterlagen über einen längeren Zeitraum von mehr als 30 Jahren beobachten, sehen wir, dass global Starkniederschläge zunehmen; und deutschlandweit sieht man eine leichte Zunahme dieser Extremniederschläge. Die haben zugenommen, aber aus wissenschaftlicher Sicht sind die Trends in Deutschland sehr unsicher."
Zwar weisen Studien nach, dass insgesamt in Europa, Asien und Nordamerika die Niederschläge in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben, doch regional gibt es große Unterschiede. Die nächsten Jahre müssen daher zeigen, ob sich der Trend zu heftigen Niederschlägen auch in Deutschland weiter bestätigt. Schon jetzt sind die Meteorologen jedoch sicher, dass die globale Erwärmung Starkregen begünstigt, eben weil eine warme Atmosphäre viel Wasserdampf aufnehmen kann.
"Wenn die Atmosphäre mehr Wasserdampf gespeichert hat, dann werden die Niederschlagsintensitäten, wenn sie dann ausgelöst sind, höher ausfallen."
Wenn sich Luftströme schnell bewegen, besteht die Chance, dass sich die Wassermassen breitflächig abregnen. In den vergangenen Wochen kam es jedoch zu Überschwemmungen, weil der Niederschlag immer wieder dieselben Regionen Deutschlands traf. Ursache war eine fast stationäre Wetterlage. Dabei bewegten sich Tiefs über Mitteleuropa kaum von der Stelle.
"Es war ungewöhnlich, dass es so stationär war, würde aber passen in die langfristigen Tendenzen, die wir beobachten, dass sich die Zugbahn von Tiefs von West nach Ost verlangsamt."
Die Abbremsung großer Tiefdruckgebiete hat ebenfalls mit der globalen Erwärmung zu tun, denn die erfolgt nicht gleichmäßig. In den letzten 100 Jahren hat sich vor allem die Arktis deutlich stärker erwärmt als das europäische Festland. Dadurch verändern sich globale Luftströme, sogenannte Jetstreams.

Mit Extremen in den Sommermonaten rechnen

"Die werden geprägt durch den Temperaturkontrast zwischen der Arktis und den südlichen Breiten. Wenn dieser abnimmt, verlangsamt sich die Verlagerung von Tiefdrucksystemen von West nach Ost. Und somit haben wir es gehäuft dann mit stationären Wettersituationen zu tun."
Die könnten in Zukunft noch häufiger auftreten, wenn sich der Klimawandel fortsetzt. Bis Ende dieses Jahrhunderts rechnen Meteorologen mit einem weltweiten Anstieg der Temperatur um zwei bis vier Grad. Wenn das geschieht, wird vermutlich auch Starkregen weiter zunehmen. In Deutschland sollte man dafür gewappnet sein, rät der Meteorologe Peter Hoffmann.
"Wir werden dieses Wechselspiel haben zwischen Hitze auf der einen Seite und lokalen Unwettern auf der anderen Seite. Also, mit beiden Extremen müssen wir in den Sommermonaten gehäuft rechnen. Zum einen neue lokale Temperaturrekorde, aber auch andere Extreme. Es müssten verstärkt Warnsysteme neu überdacht werden. Dass man quasi auf Kurzfristprognosen reagieren kann, weil die Ereignisse schon relativ lokal auftreten und man gezielt Regionen vorwarnen müsste."
Der Deutsche Wetterdienst verfügt über Frühwarnsysteme, so der Meteorologe. Doch müsse mehr getan werden, damit Behörden, Feuerwehren oder Hilfswerke rechtzeitig von Unwettern erfahren. Die können prinzipiell überall in Deutschland auftreten, doch große Wassermengen kommen vor allem im Süden und Südwesten runter, da sich hier bevorzugt Wolken vom Atlantik und Mittelmeer abregnen.
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