Star Trek

Leonard Nimoy und das Jüdische an Mr. Spock

Leonard Nimoy als Vulkanier "Mr. Spock"
Der amerikanische Schauspieler und Regisseur Leonard Nimoy in der Rolle des Vulkaniers "Mr. Spock". © picture alliance / dpa / Foto: B3322_dpa-film
Von Miron Tenenberg · 03.04.2015
Im Star-Trek-Universum finden sich eine Menge jüdischer Symbole. Auch wenn nirgends eine explizite Parallele gezogen wird, so passen uralte Stereotype der Juden ebenfalls auf die Vulkanier. Der Jude Leonard Nimoy als Mr. Spock kannte das Außenseitertum seiner Rolle auch im wahren Leben.
Ein Besuch auf einem jüdischen Friedhof. Früh am Morgen ist er noch menschenleer. Das Licht scheint vorsichtig durch Bäume und Sträucher auf die Grabsteine.
Einige zieren in Stein gemeißelte Zeichen: Davidsterne, Waagen, Fische und auch zwei Hände sind zu sehen. Diese bilden mit den Zeigefingern und Daumen ein Dreieck, wobei Ringfinger und kleine Finger gemeinsam abgespreizt werden.
Das ist das Zeichen, dass hier ein Cohen begraben liegt, ein Mitglied der jüdischen Priesterkaste. So denn der Tempel in Jerusalem nach dem Eintreffen des Messias wieder aufgebaut wird, werden die Cohanim, wie die Mehrzahl heißt, als Priester den Tempeldienst verrichten.
Religiöse Vorstellungen hatten jedoch keinen Platz in der Welt von Star Trek, der Science-Fiction-Serie mit dem Raumschiff Enterprise aus den späten Sechziger Jahren. Und doch kennt praktisch jeder die Hand mit den V-förmig auseinander gespreizten Fingern von Mr. Spock, dem Wissenschaftsoffizier der neben Captain Kirk durch das Weltall flog.
"Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."
Obwohl der Star-Trek-Erfinder Gene Roddenberry "geregelte Religionen" im Allgemeinen und in der Serie im Speziellen ablehnte, fand eine Menge jüdischer Symbole ihren Weg in das Raumschiff Enterprise. Das mag vor allem an den jüdischen Drehbuchautoren Solow und Justman gelegen haben. Die bekanntesten Juden am Set waren jedoch William Shatner als Captain Kirk und Leonard Nimoy, der Mr. Spock darstellte.
Mr. Spock als Verkörperung der Diaspora
Letztendlich war es aber die Rolle von Mr. Spock, die eine gewisse subtile Jüdischkeit auf die Kommandobrücke brachte. Niemand verkörperte die Diaspora so gut, wie der Außenseiter Mr. Spock, der als einziges Mitglied der Enterprise halb Mensch, halb Vulkanier war. Auch in der damals multikulturell und emanzipiert wirkenden Crew blieb er der Andere, der alleine durch seine physische Erscheinung und seine logische Rationalität hervorstach. Vielleicht war es auch die frühe Erfahrung von Ablehnung, die Leonard Nimoy die Rolle des Mr. Spock glaubhaft spielen ließ.
1931 wurde Nimoy in Boston in eine ukrainische Familie geboren, die vor den Pogromen ihrer Heimat geflohen war. Doch Antisemitismus gab es auch in den USA. So wurde Nimoy eines Tages eine der primitiven Karikaturen von skurril aussehenden Juden mit krummer Nase und unheimlicher Statur in die Hand gedrückt.
"Ich war etwa zehn und es lief mir kalt den Rücken runter. Ich wusste gar nicht richtig, was ich damit anfangen sollte, außer, dass ich es nicht einmal meinen Eltern erzählte. Wir lebten in Sichtweite einer sehr großen katholischen Kirche. Am Sonntag nach der Kirche war es dort für Juden gefährlich, weil dann junge italienische und irische Kids auf den Straßen waren, denen gerade gesagt wurde, dass die Juden ihren Christus getötet hätten."
Innerhalb des Star-Trek-Universums wurde nirgends eine explizite Parallele zwischen den Vulkaniern und Juden gezogen. Dennoch passen uralte Stereotype der Juden ebenfalls auf Vulkanier, die belesen, intelligent, gewitzt, wissenschaftlich und pazifistisch dargestellt werden.
Dennoch wäre Mr. Spock fast gar nicht in der Serie aufgetaucht. Das Filmstudio befürchtete, dass die "satanistische Darstellung" mit den spitzen Ohren und Augenbrauen konservative, christliche Zuschauer abschrecken könnte. Zum Glück war diese Paranoia unbegründet und Spock wurde schnell zum Publikumsliebling.
Jüdischer Segen als Markenzeichen von Mr. Spock
In der Folge "Weltraumfieber", in der Mr. Spock andere Vulkanier treffen sollte, fiel Nimoy etwas Besonderes ein, um deren Verbindung untereinander zu verdeutlichen. In einem Interview des Yiddish Book Centers in Massachusetts erzählt Nimoy aus seiner Kindheit.
"Fünf oder sechs Männer gingen auf das Pult vor dem Tora-Schrein, drehten sich zur Gemeinde und legten sich ihren Gebetsschal über den Kopf und begannen mit einem Gesang – mit einem Segen. Mein Vater sagte: 'Schau nicht hin!' – während alle anderen die Hände vor ihre Augen nehmen, unter ihrem Gebetschal verschwinden oder sich einfach wegdrehen. Und während sie vor sich hinsingen, ruft der Vorbeter: 'Jewarechecha!' Und die Gemeinde antwortet: 'Jewarechecha Adonai vejischmerecha!' Das war beeindruckend. Das war wirklich etwas Wichtiges. Also schaute ich doch! Und ich sah, wie sie unter ihren Gebetsschals die Arme mit den gespreizten Händen herausstreckten und ich dachte: 'Wow!'"
Dieser Segen, der Aaronitische Segen oder Birkat Kohanim, wird immer noch in den Synagogen gesprochen oder gesungen:
Leonard Nimoy übte daraufhin das V mit den Händen ein, ohne zu wissen, dass das einmal sein Markenzeichen werden würde.
"Die meisten Menschen wissen bis heute nicht, was dahinter steckt", pflegte er zu sagen. "Sie wissen gar nicht, dass sie sich mit dieser Geste gegenseitig segnen."
Obwohl vom Raumschiff Enterprise nur drei Staffeln gedreht wurden, wird Leonard Nimoys Erbe unvergessen sein. Das ging soweit, dass in der neuen Fassung der Serie "Star Trek: Enterprise" dem jetzigen Darsteller von Mr. Spock, Zachary Quinto, seine Finger mit hautfreundlichem Kleber fixiert wurden, weil er den Gruß nicht ausführen konnte. Die vielen jüdischen Anspielungen in der Rolle als Mr. Spock blieben jedoch Leonard Nimoy vorbehalten, der auch fließend jiddisch sprach. In dem Sinne: A lang leben in schulem.
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