Staatliche Filmdokumentation

Filmen für den Giftschrank in der DDR

Ein Industriegebiet Mitte der 60er-Jahre in der DDR
Die Belastung der Umwelt durch die Industrie gehörte zum Alltagsleben, war aber in den DDR-Medien nicht so gerne gesehen. © picture alliance / Klaus Rose
Von Philipp Schnee · 17.03.2015
In den DDR-Medien wurde ausschließlich ein positives Bild des realsozialistischen Deutschlands gezeigt. Dennoch gab es ein paar Filmer, die im Auftrag der Staatlichen Filmdokumentation auch die vermeintlichen Anfangsschwierigkeiten beim Aufbau der DDR festhalten durften.
O-Ton Rentner: "Nu hat es geregnet, und es regnet durch, immerzu."
Ein ärmliches Wohnzimmer, ein Rentnerehepaar, sie in Kittelschürze, er ihr gegenüber im Sessel. Die "verdienten Aufbauhelfer" erzählen aus ihrem Alltag in der DDR, den Kampf um eine bewohnbare Wohnung:
"Nach ungefähr drei, vier Jahren, da ist die Wohnungsgesellschaft angesprungen. Da kamen mal wieder Dachdecker. Und wie die Dachdecker weg waren, da regnet es doch immer noch durch. Und es hat 20 Jahre gedauert, bevor ich jetzt mal endlich Ruhe habe, dass es nicht mehr durchregnet."
Ein Ausschnitt aus einem Film der "Staatlichen Filmdokumentation", SFD, der DDR. 16 Jahre lang durften die Reporter der SFD im Staatsauftrag filmen, was in der DDR öffentlich nicht gezeigt werden sollte. Elend, Wohnungsnot, Tristesse: Denn im ausgestrahlten Fernsehen klang die Darstellung des Alltag anders.
O-Ton "Aktuelle Kamera": "190 Verbesserungsvorschläge gingen im ersten Halbjahr von den Elektroköhlern ein und brachten einen Jahresnutzen von 490 Millionen Mark."
Erfolge, die großen Schritte, mit denen der kleine Staat beim Aufbau des Sozialismus voranschritt, das war das offizielle und öffentliche Bild der DDR-Gesellschaft.
Das unverblümte Leben für die goldene Zukunft festhalten
Das Leben in Armut, am Rande der Gesellschaft, soziale Probleme, all das kam in den DDR-Medien nicht vor. Nur die Reporter der SFD durften, mit kleinem Budget ausgestattet, den Alltag in der DDR ziemlich unverstellt und uneingeschränkt dokumentieren. Denn ihr Auftrag war, das Leben in der DDR für die Zukunft festzuhalten, für die kommende goldene Zeit, wenn die heutigen sozialen Probleme nur die Kinderkrankheiten des Sozialismus, die Mühen des Anfangs gewesen sein würden.
O-Ton Rentnerin: "Seit wann ist das jetzt fertig?" "Drei, vier Jahre. Bin ich erst mal hingegangen bei ihr, und habe gesagt: Die Wohnung wird gemacht! Nö, sagt sie. Wat, sag ich, wem sein Schaden war denn das? Meiner? Das war eurer. Hättet ihr sollen eher dran denken.
Ick hab nicht locker gelassen. Ich hab so ein Rabatz gemacht. Die hab ich so abgerahmt in der Max-Beer-Straße, das der Hund von ihr kein Stückerl Brot nimmt – So kannst det nicht sagen, die Kamera hier – Warum denn, das stimmt aber och. Ja, det hab ich gemacht, na ja und dann hat sie das alles bewilligt."
Gut 300 Filme drehte die SFD zwischen 1970 und 1986. Sie alle waren nicht für die Öffentlichkeit gedacht, sie waren geheim und wurden "zur Verwendung in späteren Zeiten" gedreht, in Archiven weggeschlossen. Nun werden sie nach und nach erstmals vom Bundesarchiv restauriert und von Historikern ausgewertet.
1986 wurde das Experiment SFD beendet. Die Historikerin Anne Barnert, die die Filme auswertet, vermutet: Als der Glaube an eine glorreiche Zukunft des Sozialismus verloren ging, ging auch das Interesse an der Dokumentation der vermeintlichen "Anfangsschwierigkeiten" für die Nachwelt verloren. Und die SFD wurde zu einer Nische, zu einem Sammelbecken für widerständige oder zumindest widerspenstige Filmer.
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