St. Moritz in Brandenburg

Skispringen im Oderbruch

Die am 23.01.2013 am Abend beleuchteten Skisprungschanzen vom Wintersportverein 1923 in Bad Freienwalde (Brandenburg). «Ski und Rodel gut» heißt es im nördlichsten Skisprunggebiet Deutschlands, in Ostbrandenburg. Die natürliche Schneedecke wurde in Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland) mit Schneekanonen extra noch «aufgestockt».
Skisprungschanzen vom Wintersportverein 1923 in Bad Freienwalde (Brandenburg). © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Alexa Hennings · 10.01.2016
Brandenburgische Visionäre gründeten Anfang der 20er-Jahre einen Skiverein und bauten an einem Hügel von Bad Freienwalde eine Skisprungschanze. Die verrückte Idee, ein märkisches St. Moritz zu etablieren, geriet ins Hintertreffen. Erst 2001 wurde die Idee wieder aufgegriffen.
"Wir präsentieren Ihnen heute, beauftragt vom Landesskiverband, die 15. offenen brandenburgischen Skisprungmeisterschaften und die in der Nordischen Kombination..."
Kann man Skispringen in Brandenburg? Die Frage hat das Zeug zur Millionenfrage, und man braucht schon einen sehr guten Telefonjoker, um sie richtig zu beantworten. Der Joker sollte möglichst in Bad Freienwalde wohnen, denn schon im 50 Kilometer entfernten Berlin ahnen die wenigsten, dass man quasi vor der Haustür der Millionenstadt Skispringen kann. In Ermangelung von Schnee natürlich meist auf Matten.
"Wir sind ja schon glücklich, dass wir keinen Regen haben, wir hatten ja hier schon unendlich schlimme Wettersituationen."
Brandenburgische Skisprungmeisterschaften, die 15. schon - was ist da, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vorgegangen? Warum um alles in der Welt marschieren gerade hier, im Oderbruch, der Wiesen- und Hügellandschaft zwischen Berlin und Polen, Menschen zwischen 5 und 55 mit Helm und geschulterten Skiern über den grünen Rasen? Die Bilder wirken surreal, man bekommt es im Kopf einfach nicht zusammen: Skispringen und Brandenburg.
Einen Tag zuvor. Noch ist Ruhe an der Skiarena in Bad Freienwalde. Der Getränkewagen steht schon, Dieter Bosse, der Vorsitzende des Wintersportvereins von Bad Freienwalde, macht alles startklar für den kommenden Tag.
"Ist wichtig! Der muss laufen morgen, darüber möchten wir ja ein paar Einnahmen organisieren. Ist immer wichtig. Und das mache ich gern einen Tag vorher. Jemand anderes macht es ja leider nicht, das müssen immer die Gastronomen machen..."
Der Getränkewagen ist geborgt, doch mit Bier, Cola und Brause kennt sich Dieter Bosse aus, nach der Wende führte er ein Hotel, jetzt ein Restaurant. Getränkefässer anschließen. Jeder Handgriff sitzt.
"Perfekt, geht doch! So, auch alles schön. Wir können ja mal dahinter...laufen..."
Wenige Meter hinter dem Platz mit dem Bierwagen ist die Stelle mit dem besten Blick. Der Papengrund von Bad Freienwalde. Aufgereiht wie die Orgelpfeifen wurden die Skisprungschanzen an einen natürlichen Hang gebaut. In der Endmoränenlandschaft des Oderbruchs gibt es neben endlosen Wiesen und Äckern auch durchaus ansehnliche Hügel: Fahrradfahrer, Jogger und Wanderer spüren es in den Beinen, wenn sie hier unterwegs sind.
"So sieht 'ne schöne Anlage aus. Zählt zu den modernsten in Deutschland."
Vier Skisprungschanzen nebeneinander. Vier! In Brandenburg! Pardon: fünf. Die fünfte übersieht man allerdings fast.
"Hier haben wir so einen kleinen Hüpfhügel"
"Und hier haben wir so einen kleinen Hüpfhügel genau seit zwei Jahren. Weil, wenn wir Kinder aus dem Kindergarten kriegen - wirklich Kindergarten und Vorschule - damit sie keine Angst haben. Und selbst dieser kleine Hüpfhügel ist schon anspruchsvoll für die, die es vorher noch nie gemacht haben. Und damit nehmen wir ihnen die Angst. Und da unten steht die Schneekanone. Im Winter machen wir es so, dass wir hier alles beschneien, die Schanzen natürlich in Schnee packen. Und wenn wir so Schnee haben, ist es natürlich viel besser, weil es kostet richtig Geld - Strom immens viel und Wasser. Wasser müssen wir aus der hiesigen Leitung nehmen, wir haben zwar einen Brunnen hier, aber sehr eisenhaltiges Wasser, das bringt eher Probleme. Dann beschneien wir hier, machen einen Parcours, den stecken wir ab für die Kleinen zum Hüpfen. Hier machen wir einen kleinen Slalomparcours und rechts machen wir einen Rodelhang."
Geht natürlich nur, wenn es kalt genug ist und der teure Schnee aus der Kanone auch liegen bleibt. Der letzte richtige Winter in Brandenburg war vor drei Jahren.
"Am schönsten war es 12 zu 13, da hatten wir ja noch Ostern Neuschnee 20 Zentimeter. Da haben wir 40 Kilometer im gesamten Waldgebiet gewalzt. Und da waren tausende Berliner hier. Tausende! Wirklich. Sie haben hier anspruchsvolle Höhenunterschiede, das ist für einen Ungeübten eigentlich gar nicht machbar. Hier dahinter ist ja gleich die Fachklinik und das Moorbad. Da ist das Brunnental, da ist es sehr eben, dann leicht hügelig, aber konstanter Anstieg. Dann kommen Sie ins hügelige Gelände über den Sieben-Hügel-Weg hoch oben zur Köhlerei. Und dann kann man immer, immer lang wat das Zeug hält. Und vom Verein hat jemand einen Quad umgebaut mit Ketten, und dann wird richtig gewalzt, das machen wir eben. Ist eigentlich 'ne städtische Aufgabe, weil es touristisch zu vermarkten ist. Aber wir machen das im Prinzip fast immer alleine."
Freunde des Skisports im schneearmen Oderbruch gibt es nicht erst seit heute. Die ersten Anhänger der Idee, ein St. Moritz in Brandenburg zu schaffen, fanden sich schon vor mehr als 90 Jahren zusammen.
"Die Tradition des Skispringens in Bad Ferienwalde ist 1923 geboren mit der Gründung des damaligen Vereins. Und die haben dann 1924 das erste Springen gemacht im Rahmen des ersten Märkischen Wintersporttages. Über 10 000 Besucher! Und damals war es noch so, von Stettin Sonderzüge, drei Sonderzüge am Tag eingestellt! War schon Wahnsinn, wat die gemacht haben. Und der Ursprung der Anlage ist eigentlich die 40-Meter-Schanze."
In den 60er-Jahren wurde das Gelände zum militärischen Sperrgebiet. Nur eine kleine Schanze im Wald blieb noch wenige Jahre intakt.
"Ich bin hier geboren, bin hier selber Ski gesprungen als junger Bursche. Hier im Wald gab es die sogenannte Pionier- und Jugendschanze, auch am Erdhügel. Die andere war ja gesperrt, da oben waren ja Russen. Da war die immer tot, ab 1960. Und meine Philosophie war immer: Es muss doch möglich sein, hier wieder Wintersport zu machen!"
Die Brandenburger wussten nur nicht genau, wie das zu bewerkstelligen sei und zogen Fachleute vom Trainingszentrum Schmiedefeld in Thüringen zu Rate.
"Wie sie hierher kamen, hatten wir 15 Zentimeter Schnee. Und in Schmiedefeld hat's geregnet. Das war so kurios. Hat alles zusammen gepasst. Jedenfalls sind wir mit denen umhergefahren, haben uns alles angeguckt, auch die alten Pläne. Ja, und die waren euphorischer als wir, muss ich so sagen. Und dann haben wir gesagt: im Handstreich gründen wir einen Verein, wenn die so der Meinung sind, lohnt es sich, dann sollten wir es anpacken! Und dann haben wir in Eigeninitiative eine 10- und eine 20-Meter-Schanze gebaut. Da hatten wir keinen Cent, kein nix. Und dank der Unterstützung einiger Firmen, die haben uns Technik gegeben, ich habe die bedient, haben wir mit Man Power zwei Schanzen aus dem Boden gestampft. Und haben dann unseren ersten Wettkampf durchgeführt, mit der ersten Offenen Brandenburger Landesmeisterschaft am 3. und 4. November desselben Jahres. Das war schon kurios. Wir haben also sofort richtig losgeschlagen. Wir haben uns Material gesucht, was wir hatten, alte DDR-Matten ausgekramt und aus Schmiedefeld geholt, die habe ich mit meinem Bus geholt. Alles so in Eigeninitiative. Und so haben wir den Start gemacht."
"Wie eine harte Nudel!"
Erst 2003, als die 40-Meter-Schanze gebaut wurde, gab es Fördermittel. Die größere Schanze zog weitere Sportler an, 180 Teilnehmer aus zwölf Nationen kamen damals, unter den 5000 Zuschauern saß der Ministerpräsident. Erstmals flossen auch EU-Fördermittel, denn es war eine Zusammenarbeit mit polnischen Skivereinen geplant. Und so konnte noch eine 60-Meter-Schanze gebaut werden.
Inzwischen ist es dunkel geworden, die ganze Anlage ist in Flutlicht getaucht. Immer mehr Sportler sind angekommen und machen jetzt ihre Übungssprünge. Die Skier rutschen in den ständig bewässerten Keramikspuren den Anlauf hinunter, je nach Schanzengröße fliegen die Springer kurz oder lang über einen Hügel, der mit grünen Matten belegt ist. Das letzte Stück vom Auslauf schlittern sie über Gras und bremsen, indem sie sich hinhocken. Dann Abschnallen, Skier auf die Schulter und den ganzen Berg hinauflaufen. Treppen statt Skilift und zum Schluss noch die Stufen im Anlaufturm hinauf. Wer das zehnmal hintereinander gemacht hat, weiß, was er getan hat.
"Los geht's! Schneller Oskar, so schnell wie's geht!"
Am letzten Treppenabsatz am Hang sprinten ein paar Jungs die Stufen hoch und runter. Oben steht ein junger Mann mit Basecap und feuert sie an. Stefan Wiedmann ist Mitte 20 und der Ski-Landestrainer von Brandenburg.
"...schneller, Adrian!..."
Um ihn herum toben die Jüngsten, auch sie werden bei der Landesmeisterschaft starten. Nach dem Treppensprint wird noch die richtige Körperhaltung nach dem Absprung geübt. Die Jungs, sechs bis neun Jahre alt, fliegen von einem erhöhten Sprungbrett aus ihrem Trainer direkt in die hochgestreckten Arme.
"Moritz, in der Anfahrt waren die Arme ein bisschen weit weg, noch etwas dichter ran, okay?"
Ein Junge erklärt, wie der Körper im Moment nach dem Absprung sein muss:
"Wie 'ne Nudel. Okay, nicht wie 'ne Nudel, eher wie eine harte Nudel!"
Trainer: "Beine nicht ganz so breit, etwas schmaler, das reicht auch schon.
"So?"
"Genau"
Stefan Wiedmann war so alt wie diese Jungs, als der Skiverein in Bad Freienwalde gegründet wurde. Sein Vater half mit, die Schanzen zu bauen, Stefan wurde Skispringer und ging später zur Sportschule nach Oberhof.
"Also Skispringen war schon immer meine große Leidenschaft, diese Sportart. Und ich war damals mit 16, 17, wo hier der Sven Koch als Trainer war. Der selber war mal Weltcup-Athlet und D-C-Kadertrainer im deutschen Skiverband. Ich hab bei ihm auch Praktikum gemacht und das hat mir sehr gefallen, du hast ja tagtäglich mit dieser Sportart zu tun. Habe dann nach dem Abitur in Potsdam Sportmanagement studiert und konnte gleich hier dual bei dem damaligen Trainer die Ausbildung mit machen, also habe gleich hier im Verein mitgearbeitet als Trainer von Anfang an. Und so bin ich da reingewachsen nach und nach."
Damit auch andere hineinwachsen in den - in diesen Breitengraden seltenen Sport - organisiert Stefan Wiedmann an den beiden Grundschulen von Bad Freienwalde Arbeitsgemeinschaften. Schnell geht es dann mit den Jüngsten vom "Hüpfhügel" auf die 10-Meter-Schanze. Ein, zwei Kinder pro Klasse bleiben dabei und machen dann im Verein mit.
"Dann kriegst du auch wieder leichter Sponsoren"
"In Bayern, wenn da Leute in den Verein kommen, dann sind die meistens schon Ski gefahren. Aber bei uns haben die meisten Kinder noch nie auf Skiern gestanden. Dann dauert es meistens etwas länger, bis sie von der Schanze springen können. Das Kuriose ist, dass teilweise gerade hier bei den Brandenburgern das noch nicht so bekannt ist. In den Skisprung-Hochburgen da wissen eigentlich alle, dass es auch bei uns in Brandenburg eine Schanze gibt. Wir hatten auch schon viele prominente Springer hier auf unserer Schanze. Die beiden Olympiasieger, die ich hier gerade an der Wand sehe, Carina Vogt und Severin Freund, sind beide schon hier gesprungen. Hier ist damals schon Olympiasieger Birger Ruud, der hat in Berlin studiert und hat bei uns im Winter, noch vor 1936, das war ein, zwei Jahre vor der Olympiade in Garmisch, wo er Olympiasieger wurde, da hat er auf unseren Schanzen trainiert."
Das ist alles dokumentiert in der Chronik des "WSV 1923" - wie sich der Bad Freienwalder Wintersportverein aus alter Tradition bei seiner Wiedergründung 2001 nannte. Doch von alten Traditionen zu neuen Erfolgen ist es ein mühsamer Weg. Dort, wo Wintersport etwas Exotisches ist, lassen sich Nachwuchssportler schwer gewinnen und halten. Stefan Wiedmann tut sein Bestes. Er will den Kindern neben den Trainingsstunden, die meist im Grünen stattfinden, etwas bieten: Im Winter geht es in die verschneiten Skigebiete ins Trainingslager oder zu Wettkämpfen. Gerade die jüngsten Brandenburger schneiden dort gut ab.
"Mein Traum ist, dass mal einer von unseren Sportlern wirklich bis ganz oben durchkommt. Das ist mein Traum als Trainer, dass mal einer von den Kindern es bis zum Weltcup schafft. Und wenn das realisiert würde, könnten wir auch eine größere Schanze erbauen. Dann kriegst du auch wieder leichter Sponsoren ran. Hängt ja alles miteinander zusammen."
Julian und Moritz, acht und neun Jahre alt, sind zwei der Bad Freienwalder Schützlinge von Stefan Wiedmann.
"Stefan!"
Sie warten an der 20 Meter Schanze darauf, dass sie dran sind mit ihren Übungssprüngen. Und wiederholen, was der Trainer immer predigt, worauf es ankommt beim Skispringen.
"Auf die Anfahrtshaltung und auf den perfekten Sprung."
"Und dass man landet!"
"Ja. Ist ja 'ne gute Sportart, weil bei Fußball, da verletzten sich ja schon mehr. Da machen die sich ´nen Kreuzbandriss, wenn man gefoult wird."
"Wenn man hier schon gut genug ist, dann fällt man auch nicht mehr hin."
Der nächste klettert mit seinen Skiern in die Startposition. Vom Trainerturm gibt Stefan das Handzeichen: Ab geht's. Die Jungs sind aufgeregt: Morgen ist der große Wettkampf.
"Neun Länder kommen also, Brandenburg, Deutschland, Norwegen, Russland, Ukraine."
"Ukraine ist ja Russland!"
"Echt?"
Lettland, ruft eine Frau aus der Warteschlange. In ihrem Land gibt es nur zwei Skiclubs und drei Schanzen: 5, 10 und 15 Meter. Da ist die 20er in Bad Freienwalde für sie schon eine Herausforderung. Hier kommt man auch her, um Spaß zu haben.
"Seven from our club and two from the second latvian club. This competition will be I think the biggest. I have been the last year here and the year before here."
Neun lettische Sportler sind angereist. Dieses Mal, so ihr Eindruck, ist es der bisher größte Wettkampf - die junge Lettin startet schon das dritte Mal bei den Offenen Brandenburgischen Skisprungmeisterschaften.
"As a veteran! Veterans are starting from thirty."
Die 30-jährige "Veteranin" springt ab. Julian und Moritz sind inzwischen wieder die vielen Treppen hochgestapft.
"Die zwei da vorn sind beide meine Brüder. der mit dem pinken Helm und der, der gerade gesprungen ist."
"Ist ja schon wieder überfüllt!"
"Na , guckt euch mal die 60er an da oben! Aber denkt dran, immer schön die Ski sauber machen oben!."
"Ja, sonst bremst das."
"Hugo, der war jetzt nicht so gut. Die ersten zwei, Hugo, bist du mehr nach vorne raus. Da hattest du zwar die Arme hinten, aber du warst vom Körperschwerpunkt viel weiter vorn. Bist du mehr nach oben gesprungen. Versuch wieder wie die ersten zwei - okay."
Die meisten der Starter kommen nicht aus Deutschland, sondern aus Polen. Vor lauter Begeisterung über eine Schanze im Norden hat sich in Miszkowice, einem Ort an der Oder südlich von Stettin, auch ein Wintersportklub gebildet. Krysztof Karola kommt von dort. Er ist begeistert von der Anlage und fährt regelmäßig mit seinen Sportlern zum Training hierher. Die EU fördert das grenzübergreifende Projekt.
"Diese Schanze hat Profi-Profil."
"Diese Stützpunkt, Landesstützpunkt, ist perfekt. Diese Schanze hat Profi-Profil. Junge Sportler, Skispringer kein Angst hier. Das ist darum, nicht hoch Flüge und kein Problem für Wind.."
Die Aufsprungbahn hat in Bad Freienwalde eine besondere Wölbung, so dass man zwar weit fliegen kann, dabei aber relativ flach über der Matte schwebt. Das nimmt die Angst. Der Wald links und rechts hält den Wind ab - ein großer Vorteil gegenüber Schanzen im Gebirge, wo man wegen des Föhnwindes oft nicht trainieren kann.
"Das ist Präsident von Sportverein aus Szczyrk und perfekt spricht deutsch!..."
Andrzej Cincalas aus Szczyrk hatte eine lange Anreise bis an die Oder: 850 Kilometer Fahrt von den Beskiden - dem Dreiländereck zwischen Polen, der Slowakei und Tschechien. Cincalas Sohn Timek ist mit sechs Jahren einer der jüngsten Teilnehmer und bereits Gewinner der Kinder-Vierschanzentournee. Viele Skisprungwettbewerbe gibt es nicht, und so nimmt man weite Wege in Kauf.
"Ich betreue die Kinder und unterstütze die Trainer. Weil, bei den kleinen Kindern hat man natürlich viel mehr zu tun, man muss die anziehen und ein bisschen gerade stellen, falls sie Unfug machen. Und das darf man auf der Schanze nicht. Ansonsten, das ist meine Leidenschaft mit den Kindern und mit dem Sport, weil ich da Sinn drin finde, dass man den Jugendlichen heutzutage eine Alternative bietet. Ich war auch Skispringer, nur die Nordische Kombination in Polen. Aber da muss ich Hut ziehen vor meinem Sohn, weil ich war viel älter als er und er hat mich schon mit fünf geschlagen in der Weite. Er ist mit fünf um die 40 Meter gesprungen. Ich bin bis 17 gesprungen, dann waren andere Prioritäten, Schule usw. Dann bin ich nach Deutschland gezogen und lebte 25 Jahre in Berlin. Und ich wusste nicht, dass es in der Nähe so eine wunderhübsche Schanze gibt. [lacht] Das war die alte noch. Hätte ich das gewusst, weiß ich nicht. Unter Umständen hätte man von Anfang an was unternommen."
Auf allen vier Schanzen ist jetzt gleichzeitig Betrieb. Überall sieht man die Sportler mit ihren geschulterten Skiern hochkraxeln und geduldig warten. Junge und Alte, die Halbprofis von den Sportschulen und Trainingszentren, bis zu den ambitionierten Freizeitsportlern, die sich auch mit 50 noch die große Schanze hinunter wagen.
"Das was hier entstanden ist, diese Atmosphäre und was man hier macht, das zieht die Vereine an. Wir fühlen uns hier total warm aufgenommen und wir kommen deshalb auch gerne. Deshalb die Anzahl der Skispringer, die aus Polen kommen. Wir sind, glaube ich, in diesem Jahr bei 90 Springer, die aus Polen kommen. Wir sind Nischensportler, aber uns macht das Spaß, wir haben eine gute Familie, auch international. Und was mich total angetan hat, in der Zwischenzeit hat sich das so verändert, dass wir eine sehr hochwertige Gesellschaft hier haben. Das bedeutet: Da wird nicht geschimpft bei den Kindern, die benehmen sich gut und das ist tatsächlich für die Erziehung der Kinder sehr wesentlich. Also, das hat mich angetan und ich habe gesagt: Da möchte ich meine Kinder auch haben."
"Wir haben Athleten aus fünf Nationen. Wir begrüßen die Sportler aus Lettland, aus Estland, wir haben Gäste sogar aus dem fernen Südkorea, das ist eine Premiere für uns..."
Am Wettkampftag ist es am Papengrund nur unwesentlich voller als am Trainingstag zuvor. Das Skispektakel scheint nur wenige Gäste anzuziehen, trotz nur symbolischer Eintrittspreise. Ein Rätsel für Ursula Schulz aus dem Nachbarort Altranft. Sie vermisst die Bad Freienwalder Zuschauer.
"Ich verstehe es nicht, die müssten dahinter stehen. Die müssten kommen in Scharen! Aber es sind meistens bloß dieselben, die da sind, oder eben Berliner oder Angehörige von den Springern. Es ist schade, dass es nicht so angenommen wird. Es ist viel Arbeit und viel Mühe, die sie sich machen und die Freizeit, die da dran hängt. Es müsste sich mehr tun..."
Bad Freienwalde ist ein Ort, der vom Kurbetrieb und vom Tourismus lebt. Dass der Wintersportverein Gäste in die Stadt bringt, wird kaum anerkannt, bedauert Vereinsvorsitzender Dieter Bosse. 250 Übernachtungen für Sportler, Trainer und Angehörige an einem Wettkampfwochenende wie diesem - ist das nichts?
"Sehr, sehr schwierig, weil die eigene Bevölkerung, auch manche heute noch, sagen: Die größte Fehlinvestition ist die Schanze. Dabei ist es ein Alleinstellungsmerkmal für uns. Wir haben, seitdem wir hier sind, eine Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht durch die Schanzen, die Freienwalde nie gehabt hätte, definitiv."
Zum Märkischen Wintersporttag am 7. Februar - auch eine wiederbelebte Tradition aus den 20er Jahren - werden wieder Tausende Besucher kommen. Auch wenn kein Schnee liegt, können sie hier Wintersportarten ausprobieren und - vielleicht mit Herzklopfen - die kleinste Schanze hinunterrutschen. Das Ereignis hat sich durchaus schon bis Berlin herumgesprochen. Und weil, zum Skispringen passend, auch die Pläne hochfliegend sind, träumt Dieter Bosse von einer Skiarena mit einer noch größeren Schanze.
"Aus unserer Sicht wäre es dann keine reine Skisprunganlage, sondern eine Eventstätte, in der man auch Skispringen kann. Eine Supersache, so eine Eventstätte zu haben 50 Kilometer vor den Toren Berlins, da kriegen Sie jeden Veranstalter. In das Stadion würden 40 000 Menschen passen! Es ist ein Waldstadion, es ist so traumhaft gelegen, es wäre eine tolle Sache. Wir haben es nicht ad acta gelegt, sondern stand by!"
Skispringen in Brandenburg. Wer es einmal erlebt hat und an den Schanzen in Bad Freienwalde stand, 150 Sportler im Minutentakt starten sah, der bekommt es zusammen im Kopf: die Skispringer und den Oderbruch. Und er kann die hochfliegenden Pläne verstehen, aus dem Gelände noch mehr zu machen. Für sein touristisches Konzept wurde der Bad Freienwalder Wintersportverein ausgezeichnet: Gäste kann die strukturschwache Region dringend gebrauchen. Ob es jedoch gleich eine Arena für 40 000 Zuschauer sein muss? Bis dieser Traum wahr wird, werden wohl noch einige Schanzenrekorde gebrochen. Auf der größten Schanze liegt der Rekord übrigens bei 70,5 Metern - und ist unangetastet seit zehn Jahren.
"Wir wollen natürlich mit euch allen, mit allen 150 Sportlern, auf die wir sehr stolz sind, die hier so gekommen sind aus fünf Nationen, wir wollen ein schönes Gruppenfoto machen. Auf dass alle in dieser Welt wissen, dass heute Bad Freienwalde der Nabel der skisportlichen Welt ist.."
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