Sprengstoff im rheinland-pfälzischen Kita-Gesetz

Von Ludger Fittkau · 07.06.2012
Das kann sehr teuer werden für die Kommunen in Rheinland-Pfalz. Erstmals hat eine Mutter in erster Instanz die Stadt Mainz erfolgreich auf eine Entschädigungszahlung für den fehlenden kostenfreien Kita-Platz verklagt. Wird dieses Urteil bestätigt, droht eine Klagewelle.
Kurt Merkator sieht nicht aus wie ein furchtsamer Mann. Der sozialdemokratische Jugend- und Sozialdezernent der Stadt Mainz hat bereits eine Menge erlebt mit den zerrütteten Finanzen seiner Kommune, denn er war auch schon Kämmerer. Doch wenn das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz bestätigt und einer Mutter einen Entschädigungsanspruch für privaten Betreuungsaufwand zuspricht, weil die Kommune ihrem zweijährigen Kind keinen kostenlosen Kita-Platz zur Verfügung stellen konnte – dann sieht Kurt Merkator schwarz für die Stadtkasse:

"Dann werden wir noch einige dieser Klagen in nächster Zeit haben, weil ich bin sicher, das wir bis 2014 nicht in der Lage sein werden, allen Eltern diese Plätze zur Verfügung zu stellen, die sie nach Rechtsanspruch beanspruchen können."

Der politische Sprengstoff, der die Stadt Mainz und andere Kommunen des Landes viel Geld kosten könnte, steckt in zwei Paragrafen des rheinland- pfälzischen Kindertagesstättengesetzes.

Im Artikel 5 Absatz 1 heißt es, Kinder haben vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten. Im Artikel 13 Absatz 3 ist zusätzlich festgelegt, dass der Kita-Platz seit 2010 überdies beitragsfrei ist. Nun hat eine Mainzer Mutter die Stadt Mainz erstmals erfolgreich verklagt, weil sie diesen beitragsfreien Kita-Platz für ihr Kind nicht bekommen hat und deshalb ein halbes Jahr lang 347 Euro monatlich für die Betreuung in einer privaten Initiative aufbringen musste.

Ulrich Mühl von der Mainzer Anwaltskanzlei Rohwedder und Partner vertritt die Mutter in diesem Fall:

"Wichtig ist sicher in dem Fall auch, dass die Mandantin, also die Mutter des Kindes, sehr intensiv um eine Kinderbetreuung nachgesucht hat. Es ist nicht so, dass sie da einmal bei der Stadt Mainz vorstellig geworden ist, sondern mehrfach. Und ausdrücklich auch mehrfach immer wieder gesagt hat und zwar lange, bevor der zweite Geburtstag war: Leute, ich brauche für meine Tochter unbedingt die Betreuung in der Kita aus beruflichen Zwängen."

Weil nichts passierte, zog sie vor das Verwaltungsgericht Mainz – und bekam dort Recht. Wilfried Eckert, Vizepräsident des Gerichtes nahm sich des Falles an, und gestand der Mutter einen sogenannten "Folgenbeseitigungs-Entschädigungsanspruch" von 2200 Euro zu:

"Wir denken, das ist der erste Fall, in dem man das umsetzt in eine praktische Anwendung. Weil anders kann man das nicht ausgleichen, weil sie müssen ihr Kind anders unterbringen, die Eltern und dafür in privaten Elterninitiativen zahlen. Dann müssen sie so gestellt werden, nach unserer Ansicht, wie sie stehen würden, wenn von der öffentlichen Hand die Unterbringung durchgeführt würde, sprich von der Stadt Mainz einen Kindergartenplatz zur Verfügung gestellt würde. Der würde sie auch nichts kosten, dann müssen sie jetzt auch von den Kosten entlastet werden."

Kurt Merkator, der sozialdemokratische Sozialdezernent der Stadt Mainz, ist sauer auf seine Genossen in der Landesregierung, die ihm dieses Kita-Gesetz 2010 eingebrockt haben. Mit den Kosten lasse das Land Rheinland-Pfalz die Kommunen im Regen stehen, so Merkator: Der Stadt Mainz wird nichts anderes übrig bleiben, als gegen das Kita -Urteil des Verwaltungsgerichts Revision einzulegen. Sollte es dort bestätigt werden und die Klagewelle der betroffenen Eltern tatsächlich kommen, dürfte der politische Graben zwischen Kommunen und Landesregierung in Rheinland-Pfalz noch größer werden.

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Sie können das Gespräch mindestens bis zum 7.12.2012 in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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