Sprachfloskeln

"Schmerzhafte Einschnitte" und Deutsch, das weh tut

"Tote gefordert" und "humanitäre Katastrophe": Die beiden Journalisten Udo Stiehl und Sebastian Pertsch analysieren täglich, welche Floskeln und Phrasen deutsche Journalisten am häufigsten verwenden.
Die Journalisten Udo Stiehl und suchen täglich nach Floskeln auf bis zu 2000 Medienseiten, in Form einer "Wolke" veröffentlichen sie die Ergebnisse © Udo Stiehl & Sebastian Pertsch, Floskelwolke.de
Udo Stiehl im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 12.08.2014
Es scheint in den Nachrichten fest verankert: Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine "fordern Tote". Auf schiefe Formulierungen wie diese macht der Nachrichtenredakteur Udo Stiehl aufmerksam. Und nicht immer sind Floskeln einfach nur ein wenig unschön, sie können auch gefährlich werden.
"Tote gefordert", "Menschen evakuiert", "unschuldige Frauen": Die Journalisten Udo Stiehl und Sebastian Petsch machen sich mit ihrem Projekt "Floskelwolke" auf die Suche nach unglücklichen Formulierungen, die gerade Nachrichtenredakteure gern verwenden. Manche sind sprachlich oder inhaltlich nicht ganz sauber, aber nicht jede tausendfach wiedergekäute Formulierung findet Udo Stiehl schlimm.
Die berühmte "rote Linie" sei sprachlich nicht falsch, aber ein "völlig ausgelutschtes Bild". Grundsätzlich kritisiere er weniger Floskeln wie "Das Thermometer fällt" (und ist dann kaputt), als vielmehr verfälschende Begriffe. Der "Todeskandidat" etwa sei gar kein Kandidat, denn er habe ja nicht die Wahl. Auch den "Datendiebstahl" gebe es nicht im Wortsinne, denn meist würde eine Kopie geklaut, nicht das Original.
Die "Preisbremse" sei unheimlich verschleiernd
Dennoch tauchten im täglichen Nachrichtengeschäft derartige Floskeln immer wieder auf. "Sie werden dann gefährlich, wenn sie manipulativ werden", warnt Stiehl. So wie die viel zitierte "Preisbremse": Der von Politikern wie Journalisten benutzte Begriff sei "unheimlich verschleiernd": Er suggeriere, dass "der Preis vielleicht sogar zum Stehen" komme. Tatsächlich könne es sich aber um einen ganz geringen, weniger starken Anstieg als ohnehin schon handeln.
"Es geht oft auch präziser"
Zwei Mal täglich schicken Stiehl und sein Kollege Sebastian Pertsch 50 vorformulierte Suchanfragen ins Netz - und erhalten so eine Übersicht über die Verwendung von Floskeln auf bis zu 2000 Medienseiten. Die Ergebnisse veröffentlichen sie auf ihrer Seite floskelwolke.de. Sie wollen damit darauf hinweisen, dass "mit der nachrichtlichen Berichterstattung teilweise auch Schaden angerichtet" werde, sagt Stiehl. Und fügt hinzu: "Es geht oft auch etwas präziser, gerade in den Nachrichten."
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