Sportvereine in Not

Niemand will mehr freiwillig helfen

Fußballtrainer Ali Yildiz (45 Jahre alt, links) und Holger Schwarzenberg, 1. Vorsitzender des TuS Holtenau
Fußballtrainer Ali Yildiz (45 Jahre alt, links) und Holger Schwarzenberg, 1. Vorsitzender des TuS Holtenau © Deutschlandradio / Johannes Kulms
Von Johannes Kulms · 03.09.2017
Ali Yildiz ist eigentlich Erzieher, aber dreimal die Woche trainiert er die Jugendmannschaft des TuS Holtenau - ehrenamtlich. Der freiwillige Fussball-Trainer könnte Hilfe gebrauchen, aber kaum jemand möchte sich ehrenamtlich engagieren.
Soeben ist das Fußballtraining beim TuS Holtenau zu Ende gegangen. Nun sitzt Trainer Ali Yildiz etwas erschöpft aber zufrieden am Spielfeldrand und gönnt sich eine Zigarette.
Der 45-Jährige trainiert bei dem Kieler Verein 14- bis 16-Jährige. Die Spielstätte vom TuS Holtenau liegt nur wenige hundert Meter entfernt von den mächtigen Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals. Als Trainer versucht Yildiz den Jugendlichen nicht nur Fußball nahe zu bringen.
"Ja, immer bitte, danke sagen und das kommt gut an. Und ich versuche auch, dass die Jungs untereinander so sind."
Yildiz arbeitet als Erzieher. Den Trainerjob macht er nur ehrenamtlich. Drei Mal die Woche trainiert er die Mannschaft, in dem auch sein 15-Jähriger Sohn mitkickt.
Am Wochenende stehen die Spiele an – mit An- und Abfahrten kommen für Ali Yildiz schnell 10 bis 15 Stunden pro Woche zusammen. Als Aufwandsentschädigung erhält er 60 Euro. Im Monat.
"Ich hab‘ viele Eltern gefragt, ob sie Lust hätten, mich zu unterstützen. Ich bin alleine hier, ich bräuchte ein bis zwei Leute, die mir unter die Arme greifen. Aber die haben alle keine Zeit. Genauso wenig wie ich. Aber ich nehm‘ mir die Zeit für meinen Sohn. Und würde mir wünschen, dass einige Eltern sich bereitstellen – aber ist nicht da."

Vereine sorgen sich um die Zukunft

Im jüngsten Sportentwicklungsbericht der Deutschen Sporthochschule Köln heißt es: Die sinkende Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement bleibe ganz Hauptsorge der Sportvereine.
Wolfgang Beer, der Vizepräsident des Landessportverbands Schleswig-Holstein, kennt die Probleme.
"Es ist heute so, wir leben - auch mit unseren Sportangeboten – in einer Konkurrenzsituation zu allen möglichen Angeboten, auch guten Angeboten, es gibt ja nicht nur den Sport auf der Welt. Aber viele, gerade junge Menschen, wenden sich anderen Angeboten zu. Machen natürlich auch noch ihren Sport. Aber wenn sie sich im Sport so einbringen sollen, dass sie auch Verantwortung übernehmen, dann sind sie eher zögerlich."
Die neue Schleswig-Holsteinische Landesregierung hat eine weitgehende Rückkehr zum G9 beschlossen – also zum Abitur nach 13 Jahren. Vielleicht könnten junge Menschen so wieder mehr Zeit haben, sich im Sport ehrenamtlich zu engagieren, hofft Beer.
Viel helfen würde es aber auch, wenn gerade Vereine mit mehr als 1000 Mitgliedern Hauptamtliche einstellen.
"Die beste Arbeit – das darf sagen ohne anderen wehzutun – leisten diese Vereine, die hauptamtlich geführt werden."

Nur Ehrenamtliche, keine hauptamtlichen Mitarbeiter

Ein hauptamtlicher Geschäftsführer wäre eine klasse Idee sagt Holger Schwarzenberg – doch für den TuS Holtenau schlichtweg nicht finanzierbar. Rund 2.400 Mitglieder zählt der Verein. Aber keinen einzigen hauptamtlichen Mitarbeiter.
Schwarzenberg ist seit zehn Jahren Vorsitzender des TuS Holtenau. 50-60 Stunden pro Woche engagiert sich der 73-Jährige dafür. Viel Zeit verbringt er mit Verwaltungs- und Steuerfragen. Kein Wunder, dass viele scheuen, sich ehrenamtlich im Vorstand zu engagieren.
"Weil sie Angst haben, das zu machen, Verantwortung zu übernehmen. Früher war das eigentlich nicht so. Ich kann mich noch an Mitgliederversammlungen erinnern, da gab’s Kampfabstimmungen für einen Vorstandsposten."
Derzeit funktioniere das Vereinskonzept noch. Rund 180 Trainerinnen und Trainer sind beim TuS Holtenau aktiv, rund die Hälfte von ihnen bekommt eine Aufwandsentschädigung von 200 Euro. Steuerfrei. Sorge macht Vereinschef Schwarzenberg vor allem, dass hier viele Jugendliche über Jahre sportlich ausgebildet werden und mit 18 dann wegziehen.
"Wir brauchen gerade diese Jungen, weil sie die Sprache der Jugend haben. Und junge Trainer sind anziehender als `n Siebzigjähriger. Das ist doch ganz klar!"
Wer sich ehrenamtlich engagiere braucht ein dickes Fell, sagt Gabi Schulz. Früher hat sie als Bankerin gearbeitet. Seit zehn Jahren ist sie Geschäftsführerin vom TuS Holtenau, weil sie etwas zurückgeben wollte. 450 Euro erhält Schulz im Monat vom Verein, für eine Arbeitszeit, die in Wirklichkeit doppelt so hoch ist. Sie rät zur Nachahmung:
"Weil viele Leute einfach nur nörgeln und gar nicht drum wissen, was es bedeutet, wenn man sich engagiert. Und ich hoffe, dass andere durch `ne gewisse Vorbildfunktion andere auch mal dahin geraten, dass sie so ein Amt übernehmen. Und wenn jeder mal vorübergehend sich so eines Amtes stellen würde, dann hätte er `ne andere Sicht auf Vereine und würde auch die Gesellschaft anders betrachten."

Wie versucht der Sport, Probleme beim Ehrenamt zu lösen? Diese Frage haben wir Andreas Silbersack gestellt. Silbersack ist Präsident des Landessportbundes Sachsen-Anhalt und Sprecher aller Landessportbünde.
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