Sportmode

"Bei Jüngeren hinkt Adidas hinterher"

Fußballer Thomas Müller gibt einen kleinen Jungen im Brasilien-Trikot ein Autogramm am Rande der Weltmeisterschaft 2014.
Da hilft auch kein Weltmeistertitel: Jüngere Leute tragen lieber Nike als Adidas © picture alliance / dpa / Marcus Brandt
Die Trendforscherin Lola Güldenberg im Gespräch mit Nana Brink · 26.03.2015
Adidas hat gegenüber seinem Konkurrenten Nike an Boden verloren, weil dessen Außenbild jünger sei, meint Trendforscherin Lola Güldenberg und hat darüber hinaus schlechte Nachrichten für Sportfreunde: Die "Sportblase" werde platzen wie die Dotcom-Blase.
Am Donnerstag stellt Adidas seine Unternehmensstrategie für die nächsten fünf Jahre vor. Zuletzt hatte Europas größter Sportartikelhersteller mit einem Gewinnrückgang von 22 Prozent zu kämpfen und verlor gegenüber dem US-Konkurrenten Nike an Boden.
Gerade bei jüngeren Leuten hinke Adidas hinterher, sagt die Berliner Trendforscherin Lola Güldenberg. Während Adidas sich in den letzten Jahren darauf ausgeruht habe, Sport- und Profisportausstatter zu sein, habe Nike "schöne, innovative Dinge" auf den Markt gebracht, wodurch das Außenbild jünger wirke. Adidas müsse optisch wieder einen Schritt nach vorne machen, solle jedoch versuchen, Nike über die Designästhetik zu erreichen, warnt Güldenberg. "Sie brauchen eine Identität in der Abgrenzung. Sonst macht es keinen Unterschied mehr. Dann kann ich rechts Nike und links Adidas tragen."
Wann platzt die "Sportblase"?
Darüberhinaus erwartet die Trendforscherin gravierende Veränderungen auf dem Sportartikelmarkt: "Ich denke, dass diese Fußballwelt sich tatsächlich so entwickeln wird wie eine Art Blase, also dass wir ein Platzen der Blase erleben werden, wie wir das bei der Dotcom-Blase erlebt haben oder auch bei E-Mobility."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Wer die deutsche Fußballnationalmannschaft sieht, gestern wieder gesehen hat – da waren sie ja nicht ganz so erfolgreich, gegen Australien –, der sieht hauptsächlich drei Streifen. Die Sportartikelfirma aus Herzogenaurach, Adidas, 1949 gegründet von Adi Dassler, daher auch der Name, Adidas ist ja so was wie ein deutsches Markenzeichen, international bekannt. Was nicht unbedingt mehr für Erfolg steht! Letztes Jahr ist nämlich der Gewinn des Traditionskonzerns um 40 Prozent eingebrochen. Längst hat US-Konkurrent Nike die Herzogenauracher überholt. Könnte man jetzt die Schultern zucken und sagen: Na, das ist eben so im Wettbewerb! Aber es geht eben nicht nur um Umsatz, es geht eben auch um Image. Es geht um das Image, eine coole Marke zu sein, und das muss man sein, um in diesem umkämpften Markt der Sportartikel die Nase oben zu behalten.
Und heute nun will Adidas seine neue Strategie erklären, um weiterhin der größte Konzern für Sportartikel in Europa zu bleiben. Das wird eine ganz große Show! Lola Güldenberg ist Trendforscherin und jetzt bei mir in "Studio 9", schönen guten Morgen!
Lola Güldenberg: Guten Morgen!
Brink: Ich habe auch schon geguckt, was Sie anhaben! Adidas ist es nicht!
Güldenberg: Nein, Nike auch nicht!
Brink: Sehr gut natürlich! Ist Adidas nicht mehr hip? Warum haben die so Schwierigkeiten?
Güldenberg: Sie hinken schon ein bisschen hinterher, gerade auch bei den etwas jüngeren Leuten. Adidas hat sich immer vielleicht in den letzten Jahren ausgeruht darauf, Sportausstatter und Profisportausstatter zu sein, während Nike eben schöne, innovative Dinge auf den Markt gebracht hat mit tollen Farben, mit neuen Materialien, und das Außenbild natürlich dadurch auch ein bisschen jünger wurde.
Erfolgsfaktor Strickturnschuhe und Pastelltöne
Brink: Und warum hat Nike jetzt die Nase vorn und hat die Herzogenauracher überholt? Sie haben es ja schon angedeutet, es reicht nicht mehr, nur ein gutes Produkt herzustellen.
Güldenberg: Das ist richtig. Eine große innovative Errungenschaft war sicherlich dieser Strickturnschuh, ich umschreibe das jetzt mal so. Also ein Textil, Knitting heißt das, so ein bisschen englisch ausgedrückt. Aber diese Strickvariante hat einen Turnschuh hervorgebracht, der unglaublich leicht ist, der eine ganz eigene, neue Textur hat, eine eigene Ästhetik. Und dann, muss man auch dazu sagen, war die Farbgebung wirklich ganz toll. Nike hat Farben noch mal hervorgebracht, Pastelltöne in Neon, die also sehr zeitgemäß waren und genau passten.
Brink: Gehen wir mal weg von den einzelnen Herstellern: Es geht ja um Trends! Ohne Trends kann man keine Sportartikel mehr verkaufen?
Güldenberg: Das gehört immer alles zusammen. Trends, dieses Wort an sich selbst ist tatsächlich auch eine Maschinerie. Es gibt eigentlich keine Trends, die auf einmal da sind, sondern die werden gemacht. Dahinter stehen viele Arbeitsplätze, bestimmte Prozesse und Techniken. Und das wird eigentlich nicht über den Zufall gesteuert, sondern initiiert. Das Interessante ist natürlich, so vorausschauend zu produzieren, dass man am gleichen Ort zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt ist, um dann genau das sozusagen, diese Strömung abzugreifen.
Brink: Jetzt haben wir natürlich schon die Trendforscherin hier im Studio, jetzt würde ich gern mal wissen: Wie macht man denn etwas, wie setzt man so einen Trend?
Güldenberg: Ich denke, ganz wichtig ist immer noch der technologische Research, also sich anzuschauen, was passiert gerade in bestimmten Bereichen der Produktionstechnik. Also, dieses Strickschlauch-ähnliche Gebilde, was da als Turnschuh herauskam, das lässt sich über Research schon Jahre vorher aufzeigen, also das hat sich angedeutet über viele Sparten hinweg. Und dann geht es darum, Muster zu verdichten und zu schauen, was passiert in der Konsumgüterindustrie, was passiert im Automobilmarkt, was passiert auf der Straße, was passiert bei den Leuten zu Hause, wie sind die Bedürfnisse? Und das dann anfassbar zu machen, vielleicht dem auch eine Form zu geben, sodass also Designer, Produktgestalter von Firmen es als Inspiration begreifen und aufsetzen und daraus dann ihre Produkte weiterentwickeln.
Sport ist Lifestyle für die "Selfie-Fitters"
Brink: Sie haben jetzt ein interessantes Stichwort gegeben, Sie sagten "auf der Straße". Also, wird Sportartikel, Sportmode, sage ich ja jetzt schon, dann nicht mehr nur entwickelt, ob man gut darin laufen kann, sondern ob es auch schick ist, sage ich jetzt mal so ein bisschen laienhaft, trendy?
Güldenberg: Ja, natürlich, seit Jahren. Schauen Sie sich, sagen wir mal, die Klatschmedien an. Da vergeht kein Tag, an dem nicht irgendeine Yogamatte mit Promi im Bild ist. Das gehört einfach zum Lifestyle dazu. Und die gesamte Kultur dieser Selfie-Fitters, die sich fit machen, um ein schönes Selfie zu posten, die bringen natürlich ordentlich Geld auch in die Kasse. Das ist mehr als ein Tagespunkt in der Agenda, sondern das ist ein eigener Lebensstil. Und das begünstigt natürlich auch die ganzen Fernsehformate, angefangen irgendwie ... Ich bin ein Topmodel bis ich muss fit sein, um aus dem Dschungel zu kommen. Also, es ist Kulturgut, Sport als Lifestyle zu begreifen und zu leben.
Brink: Es gibt dieses wunderbare Zitat, was ich gefunden habe, als ich hier für dieses Gespräch recherchierte, von Karl Lagerfeld: Wer eine Jogginghose trägt, der hat schon sein Leben verloren. Wunderbar, kann man sich bei ihm sogar richtig vorstellen mit seinem Anzug. Ist er widerlegt?
Güldenberg: Ja, es gibt tatsächlich Jogginghosen inzwischen mit Ledereinschlüssen, die gesichtet wurden bei einer ... Den Namen muss ich jetzt gar nicht sagen, aber die kam an am Flughafen in Tegel, glaube ich, und trug eben besagte Jogginghose mit Lederflecken auf dem Hintern und auf den Knien. Und das wird als Trendsetter dann dargestellt. Also, es ist immer noch die Frage, was für eine Trainingshose und vielleicht, wie lange sie am Körper weilt.
Brink: Kommen wir noch mal zurück zu den harten Fakten! Der Sportartikelmarkt ist ja einer der härtest umkämpften in Europa, nicht nur in Europa, sondern natürlich auch auf der ganzen Welt, vor allen Dingen in den Vereinigten Staaten. Um zurückzukommen zu Adidas: Welche Strategie müssten die jetzt fahren, um da einfach mitzuhalten?
Güldenberg: Ja, ich habe ein bisschen recherchiert, um diese Strategie vielleicht auch vorweg zu begreifen. Und was ich fand, waren Industrie-geprägte Themen, Industrie 4.0 und wir bringen Innovationstechnologie mit Fertigungsprozessen zusammen. Das klingt für mich als, sagen wir mal, das Pflichtprogramm, aber mir fehlt immer noch die Kür. Jetzt muss man vielleicht abwarten, was tatsächlich präsentiert wird, wie diese Strategie aussieht. Aber ich denke, Adidas darf nicht den Fehler machen und jetzt versuchen, Nike über die Design-Ästhetik zu erreichen und zu kopieren oder vielleicht auch zu überholen, denn dann werden sie austauschbar, dann werden sie sich zu ähnlich. Und das wäre fatal. Sie müssen versuchen, auch optisch wieder einen Schritt nach vorne zu machen, ganz wichtig. Aber sie brauchen eine Identität in der Abgrenzung. Sonst macht es keinen Unterschied mehr. Dann kann ich rechts Nike und links adidas tragen, und in der Farbkombi sind die teilweise eh schon unterschiedlich rechts und links. Also, das wäre noch mal wichtig.
Warten, bis die "gehypte Sportblase" platzt
Brink: Gibt es denn vielleicht auch den großen Tabubruch, dass Adidas auch die Fußballnationalmannschaft oder Bayern München verliert?
Güldenberg: Tja, Fußball ist ja auch eine ganz eigene Welt für sich und auch die Sportartikel ... Also, ich meine, ich denke, dass diese Fußballwelt tatsächlich sich so entwickeln wird wie eine Art Blase, also dass wir ein Platzen der Blase erleben werden, wie wir das bei der Dotcom-Blase erlebt haben oder auch bei E-Mobility. Ich denke, dass wir davor stehen, dass auch diese Fußball..., überhaupt diese gehypte Sportblase als solche platzt, und dann müssen wir mal schauen, was daraus wird.
Brink: Die Trendforscherin Lola Güldenberg, danke für Ihren Besuch hier bei uns in "Studio 9"!
Güldenberg: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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