"Spiegel"-Journalistin Gisela Friedrichsen

Wie sich die Rolle von Gerichtsreportern verändert

Gisela Friedrichsen, Gerichtsreporterin beim "Spiegel", in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur
Gisela Friedrichsen, Gerichtsreporterin beim "Spiegel", in der Sendung "Im Gespräch" im Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio / Matthias Horn
Gisela Friedrichsen im Gespräch mit Klaus Pokatzky · 07.12.2015
Gisela Friedrichsen gehört zu den renommiertesten deutschen Gerichtsreportern. Sie sieht einen Wandel ihres Berufsstandes: Früher hätten Medien eine Wächterfunktion gehabt, heute würden sie oft als Bedrohung empfunden.
Es gibt wohl keinen Menschen in Deutschland, der so viele Prozesse miterlebt hat wie Gisela Friedrichsen. Seit 26 Jahren berichtet sie für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über sämtliche wichtigen Gerichtsverfahren in Deutschland. Aktuell verfolgt sie den NSU-Prozess in München, aber sie hat auch Staatsmänner, Industriemanager oder bestialische Mörder vor Gericht stehen sehen.
Akribisch protokolliert die inzwischen 70-Jährige die Einzelheiten der Verfahren, andererseits scheut sie sich nicht vor zugespitzter Bewertung. Gleich zu Beginn ihrer Arbeit für den "Spiegel" führten ihre Recherchen im so genannten "Montessori-Prozess" zu einer Kehrtwende des Verfahrens.
Die Rolle der Medien
Die Situation vor deutschen Gerichten habe sich in letzter Zeit verändert, so die Einschätzung von Friedrichsen im Deutschlandradio Kultur:
"Ich muss feststellen, dass früher die Medien und die Presse sozusagen als Wächter aufgetreten sind und auch so empfunden wurden: gegen die Willkür des Staats. Da muss jemand da sein, der aufpasst, dass die Justiz nicht irgendwie ihre eigenen Dinge hinter den Kulissen veranstaltet. Das ist längst nicht mehr so."
Heute hingegen würden die Medien oft als "Bedrohung" gesehen, meinte Friedrichsen:
"Man möchte nicht mehr genannt werden. Wir dürfen keine Namen mehr nennen. Wir dürfen keine Gesichter mehr zeigen. Wenn jemand sagt, er möchte nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen, dann riskieren wir, dass wir aus dem Saal rausgeworfen werden, dann können wir nicht mehr darüber berichten."
"In den sozialen Medien finden Parallel-Prozesse statt"
Ihr Prinzip sei es, nicht mehr über Verfahren zu schreiben, bei denen die Öffentlichkeit von Beginn bis zum Ende ausgeschlossen worden sei. Sie könne sich dann kein eigenes Bild mehr machen.
Mittlerweile sei es so, dass man auch die Namen der Richter besser nicht mehr nenne, berichtete Friedrichsen aus ihrerGerichtsarbeit:
"Weil sie sich dann bedroht fühlen von wild gewordenen Leuten. Wir unterschätzen all den Einfluss der sozialen Medien, da finden ja Parallel-Prozesse statt. Auch mit der entsprechenden Beteiligung der Konsumenten. Das Ganze ist wirklich sehr unübersichtlich geworden. Wir als Prozessbeobachter spielen da nur noch am Rande eine Rolle."
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