Spiegel der Doppelmonarchie

28.01.2011
Verschrobene Beamte und traumselige Künstler, Geldsorgen und Liebeskummer: Der 1957 verstorbene Wiener Schriftsteller Hans Adler spottet in seinen Geschichten über die k. und k. Gesellschaft.
Hans Adler, der Jurist, Frühpensionär und vor allem ein erfolgreicher Operettenlibrettist war, wurde im letzten Jahr mit seinem Roman "Das Städtchen" aus dem Jahr 1926 wiederentdeckt. Nun ist wieder im Lilienfeld Verlag ein Band mit Erzählungen erschienen, der den Autor erneut als Meister in "Scherz, Satire, Ironie" ausweist. Der 1880 geborene, 1957 gestorbene Wiener Schriftsteller war Anfang des 20. Jahrhunders fleißiger Mitarbeiter der Zeitschrift "Simplicissimus", er schrieb unter eigenem Namen und unter Pseudonym Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke.

Mit 35 Jahren wurde Hans Adler wegen eines Lungenleidens aus dem verhassten Staatsdienst entlassen. Die kleine Pension ermöglichte ihm die Existenz als freier Schriftsteller, den zwar – wie viele seiner Figuren – die Geldsorgen lebenslang begleiteten, der aber weder einen ungeliebten Brotberuf ausüben noch eine reiche Heirat in Erwägung ziehen musste. In diese Falle gerät nämlich beinahe einer seiner Helden, der am Anfang von der Idee seiner Familie, ihn mit einer hübschen Erbin zu verheiraten, durchaus angetan ist. Endlich wird er schöne Anzüge tragen können und muss sich Gedanken nur noch darüber machen, welche Farbe die Kücheneinrichtung haben und wie das Schlafzimmer aussehen soll.

Außerdem ist die Braut "ein niedliches Geschöpf von 21 Jahren, mit rostbraunen Haaren und dunkelblauen, goldig schimmernden Augen", die für den Auserwählten "sofort dieselbe überlegene Zärtlichkeit gefasst (hat), mit der sie noch vor wenigen Jahren ihre Puppen bemuttert hatte". Dass der brotlose Autor kurz vor der Trauung doch noch die Flucht ergreift, ist seiner Menschenkenntnis geschuldet – und seinem Freiheitsbedürfnis, das über alle Versorgungslust siegt.

Um den Widerspruch zwischen aktivem und passivem Leben, zwischen einem brotlosen Schriftsteller und einem umtriebigen Ingenieur geht es auch in Adlers bester, der wehmütigen Geschichte, mit der er 1921 das Preisausschreiben einer renommierten Zeitschrift gewann: "Villa Paradiso". Da hat der eine viel Geld und eine selbstsüchtige Freundin, der andere ist arm und einsam, erkennt und empfindet jedoch, was andere nicht sehen und fühlen.

Wie schon in seinem Roman beschreibt Hans Adler in diesen kurzen Prosastücken, die zum großen Teil aus dem ungeordnetem Nachlass stammen, mit einem ebenso ironischen wie sentimentalen Blick kauzige ältere Herren und vermeintlich vielversprechende junge Frauen. Er lässt dumpfe Stammtischrunden lebendig werden und entblößt mit enormem psychologischen Talent die Lebenslügen scheinbar zufriedener Staatsbeamter. Zu entdecken ist ein literarischer Porträtist der untergehenden k. und k. Monarchie.

Besprochen von Manuela Reichart

Hans Adler: Das Ideal. Erzählungen
Ausgewählt und mit einem Nachwort von Werner Wintersteiner
Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2011
160 Seiten, 18,90 Euro