Speicherung von Windstrom

Energieversorger plant unterirdische Riesenbatterie

Ein Windpark im Sonnenuntergang.
Wird Windstrom zukünftig in einer unterirdischen Riesenbatterie gespeichert? © Photo by Master Wen on Unsplash
Von Almuth Knigge · 28.08.2017
Viel Wind, viel Strom: Um 50 Prozent stieg die Stromerzeugung der Windparks in der deutschen Nordsee im ersten Halbjahr. Doch wohin mit dem Strom, wenn er gerade nicht gebraucht wird? Ist eine Riesenbatterie die Lösung - oder eher ein Risiko?
Nach Jemgum, Idylle im Westen von den Niederlanden und im Osten von der Ems begrenzt, kommt man, wenn man Leer hinter sich gelassen, einmal den Emstunnel durchfahren und die 1. Abfahrt rechts genommen hat. 85 Prozent der Gemeinde sind Landschaftsschutzgebiet. Nur der Deich zur Rechten mit ein paar Schafen, links die berühmten Schwarz-Bunten. Ostfriesland, beziehungsweise das Rheiderland wie im Bilderbuch: Weiter Blick und flaches, üppiges Marsch-Land mit fast nix drauf – aber dafür unten drunter Salz. Ganz viel Salz. In 500 bis 1500 Metern Tiefenlage.

Strom und Erdgas im Naturschutzgebiet bunkern?

Und in diesen Salzschichten, erklärt Projektleiter Ralf Riekenberg, werden schon seit mehr als 40 Jahren Kavernen, Hohlräume, gebaut. Anbohren, Wasser rein, Salzlösung rausspülen, Hohlraum fertig.
"Und der ist ideal geeignet um Erdgas zu speichern."
Und die Frage aller Fragen ist: Kann man da neben anderen Dingen, sogar Strom speichern? Das wäre die Antwort auf die zur Zeit drängendste Frage der Energiewende. Ralf Riekenberg:
"Wir haben Windenergie, wir haben Photovoltaik-Energie, wir haben Netze, die schon jetzt nicht mehr in der Lage sind, diesen Strom aufzunehmen. Was wir brauchen sind Möglichkeiten, um Strom zu speichern."

Von der Autobatterie zur Riesenbatterie

Wohin sonst mit der ganzen Energie aus Wind und Sonne – gerade an der Küste? Die Lösung fanden Riekenberg und einige seiner Kollegen als sie 2015 einen Artikel in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift über die Erfindung einer grünen Batterietechnik lasen. Toll. Noch toller – die Erfindung kommt aus Deutschland, von der Uni Jena. Ralf Riekenberg erklärt, worum es geht:
"Es gibt die Batterietechnik Redox FLow Zellen, eine Technik aus dem 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, die es mit verschiedenen Einsatzstoffen, Electrolyten, in mannigfacher Form gibt. Da wird mit Vanadium und mit Schwefelsäure gearbeitet."
Eine Technik, die auch in Deutschland, in Braunschweig, entwickelt und zum Beispiel bei Autobatterien angewendet wird. Die Einsatzstoffe sind natürlich nicht gerade "grün". Aber, so Riekenberg:
"Da stand eben drinne, sie nehmen als Electrolyt Salzwasser und da hat es bei uns geklingelt, Kavernen, Salz, und Polymere."

Recycelbare Kunststoffe sollen zum Einsatz kommen

Polymere sind Kunststoffe. Sie umgeben uns im Alltag, wohin wir auch schauen. Und sie sind recycelbar. Durch die Entwicklungen in der Polymertechnik kann man diese Elemente gezielt herstellen und verändern. Die Polymere, die in der Batterie verwendet werden sollen, sind, grob ausgedrückt, Styropor und Plexiglas in flüssiger Form.
"Und dann macht der Chemiker noch mehr, er bastelt eine weitere Funktionsgruppe dran, damit Elektronen, eben der Strom aus dem Netz aufgenommen werden kann."
Klar, sonst funktioniert es ja nicht. Riekenberg und seine Kollegen sind also nach Jena gefahren.
"Als wir da waren, waren wir begeistert von der Idee. Ich bin Ingenieur und die anderen waren auch Ingenieure, die mit waren, und Ingenieure können immer alles. Die Frage am Ende ist: Ist es wirtschaftlich oder nicht? Eine Lösung finden geht immer."

Noch viele offene Fragen

Zurück in Oldenburg fing dann die Arbeit an, sagt Riekenberg:
"Und wir haben uns erstmal zusammengesetzt und einen großen Fragenkatalog erstellt, weil alle haben gelacht und gesagt, das geht doch nicht. Und da haben wir erstmal gesagt, alle Fragen aufschreiben, warum geht das nicht - weil..."
Weil man viel Geld braucht für die Entwicklung. Und weil man keine Erfahrung damit hat, ob und wie sich diese Polymere, diese ganze Konstruktion unter Tage verhält, wenn Druck und unterschiedliche Temperaturen hinzukommen.
"Im Labor funktionierte es schon, die Anlage hat man uns gezeigt. Aber der Unterschied zwischen Labor und Realität, das ist genau der Unterschied zwischen Theorie und Praxis."

Hocheffiziente Speichermethode für Strom

In der Praxis sollen dann also im besten Fall ab 2023 in Jemgun erneuerbare Energie unter der Erde gespeichert und auch nach Bedarf ins Netz eingespeist werden. Eine hocheffiziente Geschichte, denn durch die Technik der Flüssigbatterie fließen rund 70 Prozent des eingespeicherten Stroms wieder zurück. Die Pilotanlage soll aus zwei mittelgroßen Salzkavernen von jeweils 100.000 Kubikmetern Volumen bestehen – das sind rund 50 Freibadbecken. Der Strom von Windpark Alpha Ventus könnte da gespeichert werden – und Berlin für eine Stunde mit Strom versorgen. Laut Riekenberg könnte das Projekt von großer Bedeutung sein:
"Und wenn das so funktioniert, in den Dimensionen, die wir vorhaben, dann ist das ein nicht ganz unwichtiger Schlüssel der Energiewende."

Risiken müssen vorab geprüft werden

Und das passiert alles unter der Erde. Das stört die Schafe nicht, die Kühe nicht, und der freie Blick wird auch nicht verstellt. Super! Findet natürlich auch Ingenieur Riekenberg, dem so viel internationale Euphorie aber schon fast unheimlich ist.
"Aber ich werde auch nicht aufhören immer wieder zu betonen, es ist wirklich ein Forschungs-und Entwicklungsvorhaben und auch wenn wir da wirklich guten Mutes sind, es kann auch in die andere Richtung gehen."
"Wo ist denn Ihrer Meinung nach der größte Fallstrick?"
"Ob ich jetzt eine Obertageanlage habe, eine Batterie, die wirklich mit Rohren und Behältern übertage ist und die so mehr oder weniger in einer Art Labormaßstab, so sauber ist das hier alles, abläuft, das ist nicht das, was wir unter Tage machen."
"Also allein die Tatsache, dass es unter der Erde ist?"
"Unter Tage, genau. Wir haben, dieses Salz, das ist ja nicht homogen, wer weiß, was sich da für Stoffe über die Erdzeitalter eingeschlichen haben, die irgendwelche Reaktionen verursachen, die keiner vorhersehen kann.
Da ist es. Das sind 250 Millionen Jahre, da gab´s auch mal Vulkane und Stäube, die dort mit drin sind, da kann es durchaus irgendwelche Verunreinigungen geben, die wir vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm haben, die dann vielleicht zu irgendwelchen Nebenreaktionen führen, die wir vielleicht gar nicht wollen, und das sind alles Dinge, die wir jetzt über Versuche rauskriegen müssen."
Und wenn sie dann alles rausbekommen haben – und die Praxis bestätigt die Theorie – dann hat man in Ostfriesland den gordischen Knoten der Energiewende zerschlagen. Und das Schöne ist: Die Schafe und die Kühe, die wird das alles kaum stören.
(mw)
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