SPD

Schwierigkeiten mit der NS-Vergangenheit

Die Historikerin Kristina Meyer mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel bei der Verleihung des Willy-Brandt-Preises für Zeitgeschichte in Berlin
Die Historikerin Kristina Meyer mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel bei der Verleihung des Willy-Brandt-Preises für Zeitgeschichte in Berlin © dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm
Von Winfried Sträter · 24.02.2016
Auch die SPD musste nach 1945 beim Umgang mit der NS-Vergangenheit eine Gratwanderung machen. Die Historikerin Kristina Meyer hat eine preisgekrönte Untersuchung zu diesem Kapitel der Parteigeschichte vorgelegt. Sie sagt: "Hier war eben auch Pragmatismus und Machtkalkül gefragt."
Die Historikerin Susanne Heim, Leiterin des geschichtswissenschaftlichen Großprojekts zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden 1933-45, sagt: Es gruselt sie, wenn sie daran denkt, welche Leute aus der NS-Zeit das Nachkriegsdeutschland mit aufgebaut haben. Weithin bekannt sind Namen wie Globke, Kiesinger, Filbinger.
Aber – je weiter die historische Forschung in die Nachkriegszeit eindringt, desto klarer wird, dass sich die Herren nicht nur in einer Ecke des politischen Spektrums versammelt haben. Selbst die Partei des guten Gewissens, die SPD, hatte ihre Schwierigkeiten im Umgang mit der Vergangenheit.
In der vergangenen Woche wurde die Historikerin Kristina Meyer mit dem Willy-Brandt-Preis für Zeitgeschichte geehrt, weil sie genau dieses Kapitel Parteigeschichte untersucht und dabei auch unangenehme Wahrheiten herausgefunden hat.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erinnerte daran, dass sich auch seine Partei nach 1945 für ex-NSDAP-Mitglieder öffnete:
"Auf dem ersten Nachkriegsparteitag der SPD im Mai 1946 in Hannover, wir begehen dieses Jahr den 70. Jahrestag dieses Ereignisses, wurde ins Parteistatut der Passus aufgenommen, dass ehemalige Nationalsozialisten, wenn sie mindestens zwei sozialdemokratische Bürgen hatten, die selbst nie Mitglied der NSDAP gewesen sein durften, in die SPD aufgenommen werden konnten."

Rücksichtnahme auf Volkes Stimme

Selbst die SPD lavierte, wenn sie sich in heiklen Fragen positionieren musste. Zu diesen heiklen Fragen gehörten die Nürnberger Prozesse und der Umgang mit verurteilten Kriegsverbrechern. Volkes Stimme sprach damals von Siegerjustiz.
Sigmar Gabriel: "Was die Verfolgung der Täter betrifft, hat die SPD diese grundsätzlich mit Nachdruck eingefordert. Dennoch gab es auch auf diesem Feld in der Frühzeit manche Äußerung und Entscheidung der Parteiführung, die heute verwundert – wie zum Beispiel die Kritik an den Nürnberger Prozessen oder das Eintreten für die Überprüfung der Urteile alliierter Militärtribunale."
Kristina Meyer erläuterte das Dilemma so:
"Das war nun mal eine Tatsache: Eine Partei war nicht wiederaufzubauen, und eine große Mitgliederschaft und Wählerschaft war nicht zu erreichen, wenn man sich auf die wenigen verlassen hätte in der Nachkriegsgesellschaft, die tatsächlich gegen das NS-Regime gewesen waren. Das heißt, hier war eine Menge Idealismus am Platz bei den ehemals Verfolgten in der SPD, wenn es darum ging, die Nachkriegsgesellschaft zu demokratisieren oder zu sozialdemokratisieren, aber hier war eben auch Pragmatismus und Machtkalkül gefragt, wenn es darum ging, Wähler und Mitglieder zu gewinnen. Das finde ich nicht verwunderlich, und es wäre wahrscheinlich auch kaum anders gegangen."
Deutlich wird, wie schwierig der Neuanfang nach dem Absturz in die Barbarei gewesen ist. Das Buch von Kristina Meyer ist im Wallstein Verlag erschienen unter dem Titel: "Die SPD und die NS-Vergangenheit 1945-1990", es kostet 42 Euro.
Mehr zum Thema