Spaziergang durch die Berliner Galerien

Von Michaela Gericke · 02.05.2009
Zum dritten Mal findet in Berlin das Gallery Weekend statt, ein organisierter Besuch für Kunstliebhaber und Sammler aus aller Welt in 38 ausgewählten Galerien von A - Z. Vor allem Künstler aus der Hauptstadt präsentieren ihre Arbeiten und hoffen - trotz Krise - auf kauffreudige Sammler.
Ralf Ziervogel steht kurz nach der Eröffnung – ganz in Schwarz gekleidet – vor schwarz-weißen Wänden in der Galerie Arndt und Partner. Die gesamte erste Etage der Galerie bespielt er mit seinen minimalistischen und zugleich ausladenden Zeichenarbeiten, die eine großflächige Installation ergeben. Graue, von Hand geschriebene winzige Buchstaben auf weißem Grund ergeben im ersten Raum eine Art Wandfries. Systemische Formeln aus dem Alphabet und der Mathematik wirken auf dem Papier geradezu körperlich dynamisch. Nur wenige Besucher kommen auf Ralf Ziervogel zu, während er vor seinen Arbeiten steht. Nein, eigentlich brauche er so viele Menschen nicht, und doch, sagt Ralf Ziervogel bezüglich des Gallery Weekends:

"Ich krieg direkten Kontakt, eigentlich ist es auch schön, man bekommt auch Kritik mit, ohne sie verbal abzukriegen ..."

Der Galerist Matthias Arndt präsentiert zum Gallery Weekend ganz absichtlich Ralf Ziervogel, einen jungen Künstler, der in Berlin lebt und arbeitet.

"Das Tolle am Berlin Gallery Weekend ist, dass es einen Fokus auf die Arbeit der Galerien legt, ... dass gezielt internationale und nationale Berliner Sammler eingeladen werden, .... in die Ateliers und in die Galerien zu kommen, aber dass es nicht der Umweg über eine Messe ist. Damit will ich nichts gegen Messen sagen, sind ganz wichtige Veranstaltungen, aber die Ausstellungen - die Arbeiten wirken gleich nach dem Atelier in den Galerien am authentischsten und stärksten und deswegen haben wir uns vor Jahren überlegt, müsste es einen Rahmen geben, gezielt das Publikum einzuladen. ... so ist das Gallery Weekend geboren worden."

Menschen in Sommerstimmung, mit Stadt- und Galerien-Faltplänen flanieren auch durch die ehemaligen Gewerbehöfe in der Zimmerstraße, nahe Check Point Charlie. Einem verlassenen Plattenbau gegenüber liegt – neben anderen – die Galerie Klosterfelde: In den großen Räumen einer ehemaligen Kfz-Werkstatt präsentiert sie hochästhetisch und fast museal: Wände einnehmende Installationen von Hanne Darboven; selten so gezeigte Arbeiten der kürzlich verstorbenen Chronistin unter den Konzeptkünstlern: Alfons Klosterfelde:

"Das Besondere ist, dass diese Arbeit an sich konzipiert wurde als Präsentation in Aktenordnern, so ist sie auch 2002 auf der documenta gezeigt worden, in acht Aktenordnern als lose Blattsammlung und hier ist sie das erste Mal raumfüllend einzeln gerahmt präsentiert. Es geht wie immer bei Hanne Darboven um die Dokumentation von Zeit - um das Schreiben von Zeit, hier wie in den meisten Fällen um ein Jahrhundert, von 1900 bis 1999 und es wird nach mathematischen Formeln die Sichtbarmachung von Zeit variiert."

Diese Ausstellung war längst vor dem Tod von Hanne Darboven geplant, betont Alfons Klosterfelde, der schon am ersten Tag des Gallery Weekend etwas verkaufen konnte. Von der prominent gelegenen Zimmerstraße treibt es mich zur Charlottenstraße, vorbei an Galerien, die das Gallery Weekend nutzen und ebenfalls zur Vernissage laden und die Chance wittern, ebenfalls von Besuchern wahrgenommen zu werden.
An der Grenze des multikulturellen Bezirks Kreuzberg hat sich in ehemaligen Produktionshallen und leerstehenden Läden eine neue Galerienszene entwickelt.

Welten prallen aufeinander: hier eine rumänische Hochzeit mit lauter Musik und grölenden Kindern, dort junge Kunst. Die aus Köln stammende Galerie Scheibler beispielsweise zeigt zeitgenössische Arbeiten von Stefan Löffelhardt: Landschaften aus Folien, Holz, Glas und Alltagsgegenständen. Eine der Besucherinnen ist Christina von Rothenhahn, eine Kuratorin, die zum Gallery Weekend extra aus Zürich angereist ist:

"Es ist doch ein ganz anderes Gefühl, als über Messestände zu gehen ich find’s besser . mir gefällt es besser als das Art Forum."

Judy Lübke von "Eigen und Art" in der Berliner Linienstraße und in Leipzig gehört eigentlich zu den Erfindern des Gallery Weekend. Er nennt es allerdings immer noch so wie vor 14 Jahren: "Galerienrundgang". Mit zwei weiteren der jungen Galeristen in Berlins Mitte entwickelte er damals die Idee. Während er gestern im Hinterhof seiner Galerie Besucher zur Grillparty einlud, feierte Giti Nourbaksch zehnjähriges Bestehen. Sie ist allerdings längst aus der Galerien-Meile Mitte gen Westen gezogen. In die Nähe der Hauptschlagader Potsdamer Straße, wie sie sagt: Giti Nourbaksch gehört zum Gremium der sieben Gesellschafter, die die 38 Galerien für das Gallery Weekend zusammengestellt haben. Eine übersichtliche Zahl bei mehr als 400 Galerien in der Stadt. Giti Nourbaksch:

"Erstens wollten nicht alle, viele fragen gar nicht an, weil die kein Interesse haben oder das Geld nicht bezahlen wollen, weil das ist ziemlich teuer und dann werden Einladungen ausgesprochen. Man weiß, dass Sammler nur eine bestimmte Anzahl erleben können, deswegen muss man das auch beschränken - da wird, wahrscheinlich kann man uns vorwerfen, wird ne subjektive Auswahl getroffen."

Der Sammler John Morris kam nicht in einer der schweren Limousinen in die Galerie Giti Nourbakhsch. Aus Los Angeles angereist ist er einer von ein paar Hunderten, die in diesen Tagen das Gallery Weekend im sommerlichen Berlin genießen und - selbst in Krisenzeiten wie diesen - Kunst kaufen:

"Ich habe ein paar großartige Dinge gesehen - natürlich wird es schwerer, Geld auszugeben, denn jeden trifft die Krise in irgendeiner Weise. Aber wir sollten tun, was wir können, auch um junge Künstler weiter zu fördern und zu unterstützen. Es ist schwieriger, aber es ist wichtig, es weiter zu tun."

John Morris war zwar zur Art Cologne und jetzt beim Gallery Weekend. Aber auch in diesem Jahr findet das Art Forum, die Berliner Kunstmesse im Herbst keinen Platz in seinem Kalender. Bleibt abzuwarten, ob das Berlin Gallery Weekend auf Dauer attraktiver ist als das Art Forum – vorausgesetzt, die Galerien können in den nächsten Jahren überleben.