Spaß am Spiel

Von Dina Netz · 08.06.2011
Bei der Uraufführung von "act:out" des Doku-Theater-Teams Plöger, Winkler und Becker am Forum Freies Theater Düsseldorf ist den Akteuren die Lust am Spiel mit den Identitäten anzumerken: lesbisch, schwul, trans, queer - egal. Und auch das Publikum darf mitmischen.
Man kommt einen Fragebogen in die Hand gedrückt: "Dein Profil für den Abend" soll man ausfüllen und verraten, ob man bisexuell, queer, gay oder unentschlossen ist. Ob man in einer komplizierten, offenen Beziehung oder in einer (Homo-)Ehe lebt. Welche Fetische man benutzt und wie viel man im Jahr verdient.

Dieser Fragebogen lässt vor Beginn von "act:out" leichtes Unwohlsein entstehen, aber dann geht es doch recht harmlos los: Sechs Akteure erzählen auf der Bühne im Bekenntnis-Stil von ihrem Coming Out und ihrem Umgang mit ihrer Homosexualität. Allerdings trägt Jeder die Geschichte eines anderen vor. Einfach macht das Team um Regisseur Bernd Plöger es sich nicht mit dem Dokumentartheater; es geht auch um das Spiel mit Identitäten und Rollen – und um die Lust am Spiel.

Eine russische Frau erzählt, dass ihre Mutter gut klarkommt mit der Homosexualität der Tochter; aber ihren russischen Bekannten verschweigt sie das doch lieber. Ein anderer erzählt, er finde das Thema langweilig, er fühle sich zu 100 Prozent akzeptiert. Wieder ein anderer hat keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.

Kaum hat man sich eingelassen auf die sehr intimen Erzählungen, geht das Saallicht an, das Publikum wird in Gruppen eingeteilt und begibt sich auf einen Parcours mit acht Stationen. Jeder Akteur hat einen Raum gestaltet, außerdem laufen zwei Filme.

Rolf Kleine singt in einem Flur der Kammerspiele des Forum Freies Theaters, der ziemlich an einen U-Bahn-Gang erinnert, zur Gitarre "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" von Franz-Josef Degenhardt. In der Garderobe von Jens Günther wird ein Zuschauer geschminkt und mit Federboa und Perücke verschönert. Timur Raindrop dekoriert mit uns den Innenhof für seine Hawaii-Party. Das ist alles harmlos, nur als Jakub Čermák sich als bulgarischer Stricher ausgibt, aus dem Fragebogen die Person auswählt, die das höchste Einkommen angegeben hat, und sie nach ihrem Männer-Geschmack ausfragt, kommt der Spaß an seine Grenzen.

Aber immerhin ist es einer, kein sozialpädagogisches Betroffenheitstheater oder peinliche Zurschaustellung von Intimitäten – was beides denkbar wäre, wenn man Menschen, die nur ihre sexuelle Orientierung verbindet und die keine Schauspieler sind, auf die Bühne holt. "Akteure" heißen sie bei Bernd Plöger.

Das Dokumentartheater ist schwer in Mode, aber ein künstlerisch anspruchsvolles Stück mit Laien auch schwer umzusetzen. Und in der Tat läuft die Dramaturgie von "act:out" nicht ganz rund, die Choreografien (Erika Winkler) wirken unbeholfen, der Schluss ziemlich abrupt und unmotiviert.

Diese Kritik geht allerdings eher ans Regieteam als an die Darsteller, die mit ihrem Spaß am Spiel so manchen Hänger überbrücken und mit ihrer Begeisterung anstecken, sodass "act:out" insgesamt ein kurzweiliger und anregender Abend ist über Leute, die letztlich so unterschiedlich sind wie alle anderen. Und die in Deutschland zum Glück nicht mehr so stark diskriminiert werden, wie es die Ausstellung im Foyer der Kammerspiele für viele andere Länder dokumentiert.

act:out
Regie: Bernd Plöger
Dramaturgie: Gila Maria Becker
Choreografie. Erika Winkler
Forum Freies Theater in Düsseldorf
Mehr zum Thema