Spahn: Gesundheits- und Finanzministerium werden sich einigen

Jens Spahn im Gespräch mit Gabi Wuttke · 21.02.2012
Die von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) geplante und in die Diskussion geratene staatlich geförderte Pflege-Zusatzversicherung sei nicht vom Tisch, meint Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Die Abstimmung verschiedener Meinungen sei normal.
Gabi Wuttke: Für die Rente kann man riestern, für die Pflege soll man bahren können, das ist der Plan des Bundesgesundheitsministers. Daniel Bahr will eine private Pflegevorsorge, und die soll staatlich bezuschusst werden, damit auch Menschen, die nicht zu den Gutverdienern gehören, sich im Alter eine anständige Pflege leisten können. Das aber ist dem Bundesfinanzminister zu teuer, weshalb der Christdemokrat dem Liberalen in die Parade gefahren ist.

Zwischen welche Mühlen ist der Bundesgesundheitsminister geraten? Das wollen wir um 7:50 Uhr mit Jens Spahn klären. Er ist der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Spahn!

Jens Spahn: Schönen guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Ist der Pflege-Bahr für Sie bereits gescheitert?

Spahn: Nein, im Gegenteil. Wir haben in der Koalition miteinander vereinbart - auch die Koalitionsspitzen -, dass wir die private Vorsorge, auch gerade für die Pflege, fördern wollen, befördern wollen, finanziell unterstützen wollen, und jetzt sind das Gesundheits- und das Finanzministerium aufgefordert, hier ein gemeinsames Konzept zu finden. Und ich bin sehr optimistisch, dass das auch zeitnah gelingt.

Wuttke: Es gibt ja die beiden Seiten, die steuerliche Förderung, also vielmehr die Zuschüsse der öffentlichen Hand auf der einen Seite oder die steuerliche Absetzbarkeit. Für Letzteres könnte man Wolfgang Schäuble vielleicht noch überzeugen. Was ist für Sie der Weg?

Spahn: Also ich denke, wir brauchen mindestens einen Mix aus beiden, weil gerade Geringverdiener-Menschen mit geringem Einkommen oder eben auch Familien mit vielen Kindern mit steuerlicher Abzugsfähigkeit von Beiträgen nichts anfangen können, weil sie im Zweifel gar nicht so viel Steuern oder gar keine Steuern zahlen, wir aber gerade ja auch diese Menschen erreichen wollen, damit sie vorsorgen für den Pflegefall, eine private Zusatzversicherung abschließen. Und deswegen brauchen wir zumindest für diese Menschen einen Zuschuss, der dann gezahlt wird, und nicht eine steuerliche Abzugsfähigkeit.

Wuttke: Das heißt, Wolfgang Schäuble, ihr Parteifreund, verstößt gegen die Prämisse, die die Union eigentlich haben müsste, nämlich genau die Menschen zu unterstützen, die es sich vielleicht nicht leisten können, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, den Euro zusammenzuhalten?

Spahn: Nein, also es sind ja auch jetzt gerade laufende Gespräche, sowohl zwischen Finanz- und Gesundheitsministerium als natürlich auch innerhalb der Fraktion da. Und ich erkenne bei allen Beteiligten eine große Offenheit, was dieses Thema angeht, insbesondere auch die Geringverdiener, Menschen mit vielen Kindern erreichen zu wollen, auch die erreichen zu wollen, die gar keine Steuern zahlen, und da bin ich sehr optimistisch eigentlich, dass es uns gelingt, eine gemeinsame Lösung mit Herrn Schäuble, mit Herrn Bahr und mit den Fraktionen zu finden.

Wuttke: Aber liegt die Offenheit derzeit nicht vor allen Dingen darin, dass dem Gesundheitsminister von der FDP ganz öffentlich eben in die Parade gefahren wird, und man versucht, ihm das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen?

Spahn: Wir haben ja gerade die Ressortabstimmung, also die Absprache unter den Ministerien, die Vorabsprache, was den Pflegegesetzentwurf angeht, der jetzt schon die Leistungsverbesserung für Menschen mit Demenz beinhaltet. Dass es da auch mal zu unterschiedlichen Stellungnahmen kommt, ist nicht unüblich - unüblich ist, und das bedauere ich sehr, dass diese unterschiedlichen Stellungnahmen in der Zeitung landen und dann auch so breit, wie es in der letzten Woche geschehen ist, zum Konflikt hochstilisiert werden könnten. Das sind auf Fachebene eben unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen, die jetzt miteinander abgestimmt werden. Das ist für sich genommen normal, ich sage noch mal, nicht normal ist, dass das öffentlich passiert.

Wuttke: Wie ernst nehmen Sie denn die Folgen der demografischen Entwicklung, die ja immer teurer wird, je länger politisch nicht gehandelt wird?

Spahn: Ich nehme die sehr ernst. 2050 - wenn ich 70 bin im Übrigen - ist jeder dritte Deutsche über 60. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich voraussichtlich bis dahin verdoppelt haben, die über 80-, 90-Jährigen von 2050 sind ja auch schon alle geboren, und wir wissen, es werden deutlich viel mehr sein als heute, und dem stehen wesentlich weniger jüngere Arbeitnehmer gegenüber. Und deswegen müssen wir heute beginnen, vorzusorgen, Geld zurückzulegen für genau diese Zeit - wir nennen das eine Demografiereserve - aufzubauen. Das kann der Staat insgesamt tun, das kann aber auch jeder einzelne, eben durch einen privaten Vorsorgevertrag tun, und den wollen wir fördern.

Wuttke: Nun muss man noch bei der ganzen Diskussion und Ihrer Schelte, dass da öffentlich ausgetragen wird, was doch besser hinter verschlossenen Türen ordentlich und vernünftig besprochen werden sollte - wir müssen noch eine dritte Seite hinzufügen, nämlich, dass zur Haushaltskonsolidierung der FDP-Chef inzwischen bereit ist, auch seinen Gesundheitsminister mit seinen Plänen bluten zu lassen. Deshalb stellt sich die Frage: Wo wird das Ganze landen, wenn es doch in Kürze eigentlich im Bundestag zur Sprache und verabschiedet werden soll?

Spahn: Das sind ja jetzt zwei unterschiedliche Diskussionen in den letzten Tagen. Das eine ist die Diskussion zur Pflegevorsorge, wo es tatsächlich darum geht, zusätzliches Geld im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen für einen solchen Mix idealerweise aus Zuschuss und steuerlicher Abzugsfähigkeit. Die andere Debatte der letzten Tage ging ja um den Bundeszuschuss aus Steuermitteln in die gesetzliche Krankenversicherung. Und auch da müssen wir noch mal sehr genau auf die Sachlage schauen.

Wir haben 14 Milliarden Euro, die wir aus Steuermitteln in den Gesundheitsfonds geben für versicherungsfremde Leistungen. Das sind Leistungen für Schwangerschaft, Mutterschutz, und vor allem für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern. Und wer an diesem Zuschuss was kürzen will, der muss dann auch sagen, welche Leistungen er streichen will. Ich kann mir das schlechterdings nicht vorstellen.

Wuttke: Was können Sie sich nicht vorstellen?

Spahn: Dass wir an diesen Leistungen irgendwie Abstriche vornehmen. Wir haben 14 Milliarden - übrigens schon in der Großen Koalition - ins Gesetz hineingeschrieben als steuerlichen Zuschuss eben für versicherungsfremde Leistungen, und bei denen sollten wir es jetzt auch belassen.

Wuttke: Nun heißt es ja, da Deutschland vorangeht, den Griechen das Sparen beizubringen, könnten wir diesen Weg nicht weiter beschreiten, wenn wir auch in Deutschland nicht weitere Sparmaßnahmen einführen, um zu verdeutlichen, dass wir redliche Partner in Europa sind.

Spahn: Das ist ohne Zweifel so. Nichtsdestotrotz müssen wir erst mal schauen, was wir an zusätzlichen Ausgaben derzeit diskutieren, und wie die gegenfinanziert werden. Wir haben Debatten, was Mindestrenten angeht, Betreuungsgeld, oder auch, was die Senkung der Einkommenssteuer angeht, wo wir ja nicht genau wissen, wie es im Bundesrat weitergeht. Bei all diesen Fragen, die für sich sehr wünschenswert sind, die ich auch grundsätzlich unterstütze, stellt sich am Ende die Frage der Gegenfinanzierung, und auch über die wird man dann im Rahmen solcher Spardiskussionen dann noch mal reden müssen.

Wuttke: Sagt Jens Spahn im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Er ist der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Herr Spahn, besten Dank, schönen Tag!

Spahn: Gerne! Danke, Ihnen auch!


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