Soziologin van Dyk zu SPD und Koalitionsvertrag

"Leute, die für soziale Gerechtigkeit sind, können nicht zufrieden sein"

SCREENSHOT - 07.02.2018, Berlin: Der Screenshot zeigt die Schlüsselbegriffe des Koalitionsvertrags der Großen Koalition, den CDU, CSU und SPD in Berlin abgeschlossen haben, visualisiert mit dem Online-Tool Wordle. Dabei werden Substantive und Verben unter Filterung von Pronomen nach ihrer Häufigkeitsverteilung unterschiedlich groß dargestellt. Foto: Christoph Dernbach/dpa | Verwendung weltweit
Die Wortwolke des Koalitionsvertrag: Besonders häufig vorkommende Begriffe werden größer dargestellt. © dpa
Silke van Dyk im Gespräch mit Anke Schaefer · 08.02.2018
Die SPD habe keinen Grund, stolz auf ihr Verhandlungsgeschick zu sein, sagt die Soziologin Silke van Dyk. Was mit den Unionsparteien ausgehandelt wurde, könne niemanden glücklich stimmen, der auch sozial Benachteiligte im Blick habe. Die Strategie des "Weiter so" sei indiskutabel.
Eigentlich gilt die Neuauflage der "GroKo" als beschlossene Sache. Schon werden Namen für die Besetzung der Ministerien genannt. Doch zuvor steht noch die SPD-Mitgliederabstimmung an: Ja oder Nein zur Großen Koalition? Viele Parteimitglieder sind in der Zwickmühle: Lieber in die Opposition gehen und Neuwahlen riskieren oder aber das Beste aus den Verhandlungsergebnissen machen?

Ein knappes Ja wahrscheinlichsten

Unser heutiger Studiogast, die Soziologin Silke van Dyk meint: "Ich könnte mir vorstellen, dass es knapp wird." Am Ende werde es jedoch sicherlich ein "Ja" zur Großen Koalition geben.
Was aber will Kevin Kühnert, der Juso-Chef und "Nein"-Sager? Van Dyk hält es für unwahrscheinlich, ihn noch für die "GroKo" gewinnen zu können. Es gehe letztlich um Inhalte – darum sei es schwierig, einfach zu sagen: "Das schadet dem Land – oder das schadet der Partei." Demokratische Prozesse seien immer zeitintensiv und auch konfliktträchtig – "darum wollen wir sie auch haben".
Andrea Nahles, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in die SPD-Parteizentrale
Kann Andrea Nahles der SPD auch in einer Großen Koalition unter Merkel zu mehr Profil verhelfen - und auch die Parteilinken mit ins Boot holen. © picture alliance/ dpa/ Gregor Fischer
Was die Linken kritisierten, sei schon so – dass der sozialen Spaltung in der Gesellschaft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde: "Das ist eine Politik des 'Weiter so', die so tut, als wäre es ein Land, aber nicht sieht, dass gerade ganz viele in sozialer Hinsicht, in ökonomischer Hinsicht abgekoppelt sind."
Dies sei das beste Argument dafür, warum man eben nicht immer so weitermachen könne, "wenn man jetzt schon das Land mit der größten Vermögensungleichheit in Europa ist".
Die Soziologin sieht die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen wie auch die Einschätzung, die SPD könne doch mit den erzielten Ergebnissen zufrieden sein, kritisch:
"Es ist für jeden irgendwas dabei – wobei man sagen kann, für Erwerbslose und Menschen im Hartz IV-Bezug oder für Geflüchtete ist eigentlich gar nichts dabei. Man muss auch sagen, die Punkte, mit denen die SPD losgegangen ist – Bürgerversicherung, Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wirklich zentrale Punkte in der Gesundheits-, Finanz- und Steuerpolitik – von denen ist wirklich nichts übrig geblieben. Damit können Leute, die für mehr soziale Gleichheit und Gerechtigkeit sind, wirklich nicht zufrieden sein."
Horst Seehofer, Vorsitzender der CSU (l-r), Angela Merkel, Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende, und SPD-Chef Martin Schulz äußern sich am Ende der Koalitionsverhandlungen.
Nach Meinung von Silke van Dyk hat die SPD keinen Grund, sich über die Verhandlungsergebnisse zu freuen: Horst Seehofer, Vorsitzender der CSU (l-r), Angela Merkel, Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende, und SPD-Chef Martin Schulz.© dpa-Bildfunk / Bernd von Jutrczenka
Die Hauptstadtstudio-Korrespondentin des Deutschlandradios, Katharina Hamberger, sagt zum Dilemma der SPD: Es gebe eine Sehnsucht nach einer Rückkehr zu einem klaren Profil und einer wieder deutlicheren programmatischen Ausrichtung. Und für viele sei dies in der Opposition eher möglich als in einer Großen Koalition.
"Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, ob das gelingen kann. Wenn man mal zurück denkt: In einer schwarz-gelben Regierungszeit hat es die SPD auch nicht geschafft, sich in einer Opposition zu erneuern. Vielleicht gibt ihnen Andrea Nahles jetzt wieder eine Chance."
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Die Soziologin Silke van Dyk © Universität Jena
In Bezug auf den künftigen politischen Kurs der neuen Großen Koalition sieht die Soziologin van Dyk nun vor allem die Opposition und die Wohlfahrtsverbände in der Pflicht. Diese sollten aufzeigen, "wo diese Politik des Status Quo gesellschaftliche Spaltungslinien verstärkt, wo man immer behauptet, man wäre für Integration und Zusammenhalt."
"Ich glaube, das ist wichtig von außen aufzuzeigen, wie desaströs diese immer so vermeintlich sichere stabile Politik des Status Quo ist und gegen wen sie eigentlich arbeitet", so Silke van Dyk.
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