Soziologe über Ostdeutschland

Zwischen Top-Karrieren und totaler Vereinsamung

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Der neue Tower sowie das Abfertigungsgebäude des Airports in Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) sind hinter der Landebahn zu sehen.
Flughafen Schwerin-Parchim © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Heinz Bude im Gespräch mit Anke Schaefer · 19.08.2019
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Zusammenbruch der DDR und Grenzöffnung sind 30 Jahre her – und dennoch scheint die Deutsche Einheit sehr weit weg. Der Soziologe Heinz Bude sieht in Ostdeutschland eine extrem fragmentierte Gesellschaft. Und fordert, wieder grundsätzliche Fragen zu stellen.
Die Deutsche Einheit ist für den Soziologen Heinz Bude sehr weit weg. Das Land sei tiefer gespalten denn je, sagt er. In Ostdeutschland gebe es eine merkwürdige Situation: Den meisten Menschen gehe es dort immer besser. Zugleich sei der Gedanke weit verbreitet, immer noch Bürger zweiter Klasse zu sein. Das sei eine "mysteriöse Angelegenheit", so Bude im Deutschlandfunk Kultur.
Wer in Ostdeutschland unterwegs sei, treffe auf eine extrem fragmentierte Gesellschaft, betont der Soziologe. Städte wie Leipzig seien inzwischen "fast das bessere Berlin". Im Gegensatz dazu gebe es Orte wie Parchim oder Gegenden in Mecklenburg-Vorpommern, die wie "abgeschlagen" seien – wo die Menschen vereinsamten, weil es kaum mehr jemanden gebe auf dem Land.

Ostdeutschland gibt es eigentlich nicht

Ostdeutschland gebe es als Einheit eigentlich nicht mehr, sagt Bude. Auf der einen Seite sieht er die "Angela Merkel-Leute", die raketengleich "abgegangen" seien und Karriere gemacht hätten - und auf der anderen Seite Menschen, die mit der Wende "völlig runtergebrochen" seien.
Der Soziologe und Autor Heinz Bude auf dem Blauen Sofa der Leipziger Buchmesse
Der Soziologe und Autor Heinz Bude: Keine Frage des Geldes, sondern von Stolz und Demütigung.© Deutschlandradio / Margarete Hucht
Es wäre gut, in Bezug auf Ostdeutschland wieder elementare Fragen zu stellen, sagt Bude. Und nicht mehr zu fragen, was die Treuhand falsch gemacht habe oder wie viel Geld Ostdeutschland noch brauche: "Die Situation in keine Frage des Geldes mehr. Es ist keine Frage mehr von Betrieben, die nicht genug Leute einstellen würden. Sondern es ist eine Frage von Bindungen, es ist eine Frage von Stolz, es ist eine Frage von Demütigungen, von einer kulturellen kollektiven Selbstinterpretation."
(ahe)
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