Soziale Medien in der politischen Kommunikation

Wettlauf um die Deutungshoheit

Die FDP verbreitete beim Onlinedienst Twitter folgende Botschaft: "Freitag sollte die Sondierung enden. Wir haben alle Szenarien vorgedacht. Gerne hätten wir gesagt: Ein Anfang ist gemacht. Trendwenden sind aber nicht in Sicht."
Die FDP wehrt sich bei Twitter gegen Vorwürfe, sie habe den Abbruch länger geplant. © Deutschlandradio Screenshot
Julius van de Laar im Gespräch mit Katrin Heise · 25.11.2017
Wenn du die Geschichte nicht selber erzählst, erzählt sie ein anderer über dich: Der Strategieberater Julius van de Laar sieht Politiker durch die sozialen Netzwerke unter Zugzwang, die Deutungshoheit über ein Ereignis zu erobern. Zum Beispiel beim Jamaika-Abbruch.
Zeitgleich mit der Pressekonferenz verkündete die FDP auch in den sozialen Medien den Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche. Das wurde von vielen das als Indiz dafür gesehen, dass die Partei ihren Ausstieg aus den Sondierungen gewissermaßen von langer Hand geplant hatte und eigentlich gar nicht ernsthaft verhandelt habe.

Wettrennen um die Deutungshoheit

"Die FDP war vorbereitet", sagt auch der Politik- und Strategieberater Julius van de Laar. Er sieht dahinter allerdings vor allem einen Versuch der Partei, die Deutungshoheit über die Ereignisse zu gewinnen. Denn politische Ereignisse müssten gedeutet und eingeordnet werden. Und da könne man sich als Politiker entweder darauf verlassen, dass sämtliche Medien das Geschehen im gewünschten Sinne interpretieren. Oder man nehme das eben selbst in die Hand, was über die sozialen Medien inzwischen ja möglich sei, so der Strategieberater.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner äußert sich am 20.11.2017 vor Beginn der Sitzung von FDP-Bundesvorstand und Fraktion nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen von CDU, CSU, FDP und Grünen in Berlin gegenüber Journalisten.
Zeitgleich auf allen Kommunikationskanälen: Nach dem Ende der Sondierungsgespräche tritt FDP-Chef Lindner vor die Presse.© dpa / Bernd von Jutrczenka

Immer fängt jemand an zu twittern

Dass diese Kommunikation über die sozialen Netzwerke so rasant verläuft, hält van de Laar für unausweichlich - auch wenn es "uns allen eigentlich gut tun [würde], einfach mal eine Nacht drüber zu schlafen und erst danach zu beraten und zu überlegen". Doch der Punkt sei einfach: "Wir haben das überschritten. Jemand fängt an zu twittern. Wenn es nicht ein Politiker oder ein Journalist macht, macht es irgendjemand draußen aus der Bevölkerung."
Und wenn eine Interpretation eines Ereignisses erst einmal in der Welt sei, werde es "unheimlich schwer", das wieder umzudeuten, betont der Strategieberater, der in den USA für Barack Obama Wahlkampf gemacht hat. "Und dementsprechend ist es halt auch wichtig, die Geschichte von vornherein selber zu erzählen. Sonst erzählt eben jemand anders die Geschichte über einen."

Social Media ist keine Altersfrage

Wie gut Politiker mit sozialen Netzwerken umgehen können, hält van de Laar übrigens nicht für eine Altersfrage: In den USA beispielsweise sei es "ein Haufen 70-Jähriger, die extrem effektiv mit diesen Medien umgehen, inklusive US-Präsident Donald Trump oder eben auch Bernie Sanders, der in den letzten Wahlkämpfen sehr, sehr aktiv und agil damit umgegangen ist." Für den Strategieberater ist etwas anderes entscheidend für Erfolg in den Sozialen Medien: "Habe ich eine Position? Und habe ich eine Haltung? Ich glaube, das ist das, was honoriert wird in den Sozialen Medien."
(uko)
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