Sozi ante portas

Von Ernst-Ludwig von Aster · 03.09.2013
An fünf Millionen Türen sollen sie klingeln. Dieses Ziel hat Generalsekretärin Andrea Nahles den SPD-Parteimitgliedern vorgegeben. Das politische Klinken-Putzen haben sich die Sozialdemokraten in den USA abgeschaut.
"- "Wat ist mit Renate?"
- "Die ist noch einkaufen."
- "Okeydokey.""

Fünf Sozialdemokraten warten vor einem Berliner Straßencafé. Vier Genossen fehlen noch. Es ist 17 Uhr. Die Abteilung City, Ortsverein Tempelhof-Schöneberg, Bundestags-Wahlkreis 81, plant den Tür-zu-Tür-Wahlkampf.

"Wir haben gesagt Hausnummer drei bis sechs gehen wir rein, das ist ein großes Hochhaus, wo wir erst einmal mit mehreren Teams die Etagen bearbeiten, also gehen wir erst einmal bei drei bis sechs rein."

Jetzt kommt Renate Friedrichs zusammen mit Karl-Heinz-Niedermeyer. Friedrichs schiebt ihr rotes Klapprad, vorne im Korb liegen Faltblätter. Auf der Vorderseite Peer Steinbrück, hinten die örtliche SPD-Kandidatin Mechthild Rawert. Dazwischen sechs Gründe SPD zu wählen.

- "Wir haben außerdem die sehr beliebten Kugelschreiber."
- "Ja und für die Kinder gibt s dann Luftballons."

Karl-Heinz Niedermeyer geht einige Schritte zurück, legt den Kopf in den Nacken. Blickt an dem Hochhaus empor, das sich massig, grau-weiß an die Straße drückt.

"16,17,18. 18 Stockwerke. Und wir sind vier Mann- und Frauschaften."

18 Stockwerke, insgesamt 200 Wohnungen. Die schwere Metall-Haustür öffnet sich, ein bulliger Mittfünfziger in Jeans und groß kariertem Hemd kommt heraus, einen riesigen Schlüsselbund in der Hand. Erstaunt blickt er auf die Gruppe. Und auf die Faltblätter die ihm entgegengestreckt werden.

Hausmeister: "Nee, das will ich nicht, ich will Ihn'n mal was sagen, ob ich nun die Scheiß-CDU nehme oder die SPD, da ändert sich auch nix."
SPD-Wahlkämpfer: "Doch!"
Hausmeister: "Ihr hört euch nur das Gequatsche an."

Der Hausmeister gestikuliert, schwenkt seinen Schlüsselbund. Karl-Heinz Niedermeyer lächelt höflich. Seit mehr als 40 Jahren wirbt er für die SPD, heute ist seine zweite Tür-zu-Tür-Tour:
"Da sind aber auch welche, die mal drauf gewartet haben, ihre Wut auf die SPD abzuladen. Ehemalige SPD-Wähler sind ja die Schlimmsten."

Niedermeyer und Friedrichs fahren in den fünften Stock. Zusammen bringen sie es auf 63 Jahre SPD-Mitgliedschaft. Der pensionierte Lehrer. Und die Journalistin im Ruhestand. Ein eingespieltes Team. Niedermeyer hält die Faltblätter, Friedrichs Kugelschreiber und Luftballons.

Hund kläfft

"- "Dann machst du das mit dem Stift.""

Türklingel
"- "Guten Abend wir sind von der SPD.""

Kurze Vorstellung, Flyer und Kugelschreiber übergeben. Kinder kriegen noch einen Luftballon. Im 30-Sekundentakt eilen die Genossen von Tür zu Tür. Jede zweite bleibt geschlossen:

In den USA lassen Politiker in Wahlkampfzeiten traditionell an den Haustüren klingeln. Barack Obama war damit sehr erfolgreich. Jetzt soll die Klingel-Kampagne in Deutschland der darniederliegenden SPD den Aufschwung bringen. Fünf Millionen Türen bis zum Wahltag - das Ziel hat SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles vorgegeben.

Wahlkämpfer:
"- "Wir kommen nicht in den dritten Stock, der Fahrstuhl fährt nicht in den dritten Stock."
- "Man kann ja auch zu Fuß gehen."
- "Und wer macht jetzt überhaupt was?""

Ein anderes Tür-zu-Tür-Team sucht den dritten Stock. Der Fahrstuhl hält. Der Hausmeister guckt heraus. Und grinst:

"- "Bei uns fangen die Häuser alle ab vierte Etage an.""
"- "Ab vierte?"" (Lachen)

Keine dritte Etage. Ein Tür-Team steigt im fünften Stock aus. Friedrichs und Niedermeyer wollen weiter nach oben. Ein Bewohner fährt mit im Fahrstuhl, er muss in die neunte Etage. Niedermeyer zückt den Flyer, Friedrichs den Kugelschreiber. Der Mann schüttelt den Kopf.

"- "Fühlen Sie sich wohl hier und gibt es irgendwelche Probleme?"
"Ist ein Scheißhaus!"
- "Ein Scheißhaus, hoffen wir, das es mal besser wird."
- "Viel Glück.""

Das Wahlkampf-Duo blickt ein wenig betreten. Fährt weiter bis ganz nach oben.

Ein 18-Jähriger in Jogginghose und Sweatshirt öffnet die erste Tür. Er nimmt Flyer und Kugelschreiber. Und bedankt sich.

"Das zeigt ein bisschen, dass man engagiert ist. Das ist mein erstes Mal. ich denke, ich werde hingehen."

Renate Friedrichs lächelt zufrieden. Karl-Heinz Niedermeyer diskutiert schon zwei Türen weiter. Mit einer resoluten Rentnerin.

"- "Und dann schauen wir mal, dass es besser wird, aber erst brauchen wir natürlich mal eine Mehrheit."
- "Ne Mehrheit mit dem Kandidaten? Hätten Sie sich einen besseren Kandidaten aussuchen sollen. Gabriel oder Steinmeier, aber nicht Steinbrück. Nee, nee, niemals.""