Sound-Künstlerin Michaela Melián

Eine Vielfalt, die schwindelig macht

Die Künstlerin Michaela Melian 2010 in München
Die Künstlerin Michaela Melian 2010 in München © Imago /HRSchulz
Von Astrid Mayerle · 07.03.2016
Michaela Melián ist Mitbegründerin der Funk-Punk-Band F.S.K. aber auch Autorin vieler preisgekrönter Hörspiele und Soundarbeiten in denen sie sich z.B. mit der NS-Zeit auseinandersetzt. Nun zeigt eine Schau in München Meliáns Werke.
Melián: "Die Mimi ist einerseits das Modell, die Muse, aber auch natürlich Prostituierte. Dieser Übergang in der Imagination, was die Frau in dem Bild hergibt, ist sehr weit und sehr interessant."
Mimi, die Hauptfigur aus Giacomo Puccinis Oper "La Boheme" erscheint als ein Geschöpf männlicher Fantasie. Als solches interessiert sich die Künstlerin Michaela Melián für sie. Ihre Schau "Electric Ladyland" im Kunstbau des Lenbachhauses kreist um das Thema der Erschaffung der Frau - insbesondere in der männlichen Vorstellungswelt.

Zwischen Renaissance-Gliederpuppen und Bauplänen für Cybergirls

Wie ungeheuer variantenreich diese ist, fächert die Künstlerin in einer insgesamt 120 Meter langen, mit Zeichnungen bedruckten Stofftapete auf. Beide Seiten des langgestreckten Ausstellungsraums flankieren überlebensgroße mechanische Gliederpuppen aus der Renaissance bis hin zu Bauplänen für Cybergirls.
Michaela Melián schlägt den Bogen von Lara Croft aber auch rückwärts, nämlich hin zu einer Technopuppe aus dem 19. Jahrhundert. "Olympia" heißt sie und taucht in E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann" erstmals auf - als ein Automat mit lebendigen Augen.
Diese Olympia, die später auch als eine Hauptfigur in Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen" wieder auftritt, hat die Eigenschaft, Männer in den Wahnsinn zu treiben, denn sie funktioniert nicht so, wie sie programmiert wurde. Sie soll tanzen, aber sie kann ihren Tanz nicht mehr anhalten.

Michaela Melián als Meisterin der Verdichtung

Eva Huttenlauch, Kuratorin der Ausstellung, sagt: "Sie ist wunderschön. Sie ist betörend, sie zieht alle Männer sofort in ihren Bann. Sie sagt nicht viel, sie sagt immer nur ach, ach. Mehr kann sie nicht sagen, so ist sie programmiert."

Olympia: "...Sprich doch, sprich doch ach sprich doch..."

Melián: "Was ich ganz schön finde: Diese Olympia, diese Puppe, die kann ja nur tanzen, die tanzt `nen Walzer. Und ich hab das Stück der "Olympia", diese Bravourarie, von der hab ich ein ganz kleines Stückchen genommen - das ist auch im Walzertakt von Jacques Offenbach. Aber der ist unglaublich langsam, den hab ich auf 40 Beats per Minute runtergefahren, also eigentlich ein Walzer in Zeitlupe und dadurch wird das Ganze wieder zu einer Maschine im Endeffekt."

Die Ausstellung im Lenbachhaus zeigt Michaela Melián als eine Meisterin der Verdichtung und der Engführung von Themen und Motiven – so auch in ihrer vielfach ausgezeichnete Arbeit "Föhrenwald", benannt nach dem gleichnamigen Lager, heute Waldram, eine Wohnsiedlung der oberbayerischen Stadt Wolfratshausen.
Föhrenwald wurde zunächst als Arbeitersiedlung erbaut. Während des Zweiten Weltkriegs waren dort Zwangsarbeiter untergebracht, nach Kriegsende diente es als Camp für Juden, die die Vernichtungslager überlebt hatten. Schließlich siedelten Ende der 50er Jahre dort Heimatvertriebene an.

Installation Föhrenwald: "Ein kleiner netter Mann, der der Konsul genannt wurde und nicht lesen und schreiben konnte, war der Bote der Lagerverwaltung und trug die Post, die Mitteilungen der Verwaltung aus. Auf ihn wurde immer gewartet, denn er brachte die frohe Botschaft, ob jemand auswandern konnte oder nicht, wenn also er an die Tür klopfte, dann war man immer froh. // Danziger Freiheit, Independende Place, Elsässerstraße, Illinoisstraße, Andreasstraße."
In den Straßennamen drückt sich die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Lagers Föhrenwald aus, die Künstlerin stieß auf das Thema, weil sie unmittelbar in der Nähe des ehemaligen Lagers lebt.

Verschiedene Klangwelten erwarten die Besucher - ohne sie zu verwirren

Melián: "Ich kannte zwei Leute, zuerst Rachel Salamander, die in München die Literaturhandlung hat und dort ihre Kindheit verbracht hat und Bücher veröffentlichst hat und da wusste ich auf `nem sehr hohen intellektuellen Niveau, was der Hintergrund war. Und die zweite Quelle war ein Grundschullehrer aus dem Ort selbst, der schon 1957 dort angefangen hat als junger Lehrer und der dort Führungen gemacht hat für Leute, die sich für Geschichte interessierten."

Fast sämtliche Arbeiten der Ausstellung leben vom Ton. Verschiedene akustische Atmosphären unmittelbar nebeneinander oder sogar im selben Raum zu präsentieren, ohne den Besucher in einen wirren Stimmendschungel zu entlassen, bedeutet eine der größten Herausforderungen für die Macher einer solchen Schau. Dem Lenbachhaus ist auch das hervorragend geglückt.
Man kann sogar in Sitzkuben schaukeln, die unsichtbare Lautsprecher bergen. Auf Ohrenhöhe versteht sich!


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