Solarstrom aus der Wüste

Gerhard Knies im Gespräch mit Hanns Ostermann · 13.07.2009
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Desertec-Stiftung, Gerhard Knies, hat Kritik am geplanten Solarstrom-Großprojekt in Nordafrika zurückgewiesen. Vor dem Gründungstreffen sagte Knies, das Projekt sei umsetzbar, könne technisch sofort begonnen werden und sei bereits mittelfristig billiger als Stromerzeugung durch Kohle-, Öl- oder Kernkraftwerke.
Hanns Ostermann: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist jetzt der Aufsichtsratsvorsitzende der Desertec-Stiftung – so nennt sich das Projekt – Gerhard Knies, guten Morgen, Herr Knies!

Gerhard Knies: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Warum sind Sie von diesem Projekt so überzeugt? Andere sprechen eher von einer Fata Morgana.

Knies: Weil dieses Projekt, wie Untersuchungen ergeben haben, technisch sofort begonnen werden kann, umsetzbar ist und auch schon mittelfristig billiger werden wird als die Erzeugung von Strom mithilfe von Kohle und erst recht von Ölkraftwerken aber auch von Atomkraftwerken.

Ostermann: Wenn Sie sagen, es sei sofort umsetzbar – wie soll der Strom eigentlich aus der Wüste nach Europa kommen?

Knies: Über Leitungen, wie wir sie kennen, Überlandleitungen, und durch ein Seekabel durch das Mittelmeer. Dieses sind spezielle Leitungen, Hochspannungsgleichstromleitungen, bei denen die Verluste sehr gering sind, etwa 3 Prozent auf 1000 Kilometern, also von Europa bis Spanien wären es vielleicht 5 Prozent, auf dem Wege von Marokko bis Mitteleuropa 10 bis 12 Prozent Verlust. Doch das wird aufgewogen durch die viel, viel bessere Sonne in Marokko, als wir sie in Spanien hätten.

Ostermann: Herr Knies, aber machen Sie nicht möglicherweise den zweiten vor dem ersten Schritt? Wie groß sind die politischen Risikofaktoren in dieser Region?

Knies: Wir haben ein Ziel, das ist eine weltweite CO2-freie Stromerzeugung, und dazu gehören sehr viele Schritte, und viele Schritte können parallel gemacht werden. Der erste Schritt wird sicher sein, Strom für den dortigen Bedarf zu erzeugen, denn Marokko hat einen sehr hohen Strom- oder Energiebedarf. Aber es können parallel dazu Investitionen stattfinden, die in Kraftwerke gehen, deren Strom nach Europa übertragen wird. Das steht sich also gar nicht im Wege, das kann parallel passieren.

Ostermann: Das betrifft Marokko, aber trotzdem noch mal die Frage nach den politischen Risikofaktoren: Wenn Sie da instabile politische Verhältnisse haben, dann würde doch dies dem Projekt entgegenstehen?

Knies: Marokko würde hiermit Geld verdienen, vor allen Dingen, wenn sie selbst an den Investitionen beteiligt sind, würden sie verlieren. Es gibt gar keinen Anreiz, dass der Strom ausgeliefert wird – erstens. Zweitens: Insgesamt würden schließlich im Jahre 2050 etwa 17 Prozent des Stroms in Europa aus diesen Quellen in Nordafrika kommen, das geht über viele Leitungen, über Dutzende von einzelnen Leitungen, über Hunderte von einzelnen Kraftwerken. Wenn also in einem Land die Versorgung unterbrochen werden sollte oder die Erzeugung, weil es dort Unruhen mal wirklich geben sollte, die dazu führen, dann haben wir genügend Reservekapazitäten, um dieses zu überbrücken.

Ostermann: Worin – Sie haben das eben angedeutet – besteht für die Wüstenländer der Mehrwert? Es gibt ja durchaus den Vorwurf, dass diese Länder möglicherweise ausgebeutet werden sollen. Was würden Sie dem entgegnen?

Knies: Wenn Sie ganz Deutschland mit Strom versorgen wollten aus solcher Quelle, dann brauchen Sie eine Fläche wie Berlin und Hamburg, die beiden Stadtstaaten, zusammen. So viel Platz in den Wüsten ist allemal, ist ein Hundertfaches da, und der Platz wird jetzt nicht genutzt. Also: Wir nehmen ihnen überhaupt nicht die Wüsten weg, sondern wir werten ihre Wüsten auf, als Standorte für Stromerzeugung. Es ist zum Vorteil dieser Länder. Sie können zum ersten Mal ein Industrieprodukt, nämlich elektrische Energie, erzeugen, was sie besser können würden, als wir es hier können würden, nämlich aus Sonnenenergie, sauber und unerschöpflich.

Ostermann: Über den Daumen gepeilt soll dieses Projekt 400 Milliarden Euro kosten. Wer bringt die Summe auf? Sie sind doch wahrscheinlich auf öffentliche Mittel angewiesen.

Knies: Nein, überhaupt nicht, sondern das werden dieselben Investitionen sein, die sonst in andere Kraftwerke gehen würden wie Kernkraftwerke, die kosten ebenfalls sehr viel Geld. Das sind Investitionen, die kommen voraussichtlich aus dem privaten Sektor. Was wir zu Anfang noch brauchen, ist vielleicht fünf bis zehn Jahre lang einen gewissen Zuschuss aus öffentlichen Mitteln, um die notwendige Umstellung der globalen Stromerzeugung von schmutzigem Strom auf sauberen Strom zu beschleunigen.

Ostermann: Herr Knies, wie wird sich eigentlich die derzeitige Diskussion über die Atomkraftwerke bei Ihnen aus? Erhalten Sie von SPD oder Grünen besonders viel Rückenwind?

Knies: Von den Grünen erhalten wir sehr viel Rückenwind, von der SPD auch, und wir finden auch großes Interesse bei CDU und FDP. Die Atomenergie versucht ja ein Problem zu lösen, was anders schon lösbar ist, und die Atomenergie führt neue Probleme in unsere Welt ein, für die wir überhaupt noch keine Lösung kennen. Politisch ist die Atomenergie also umstritten, aber es gibt eine sehr effiziente Lobbyarbeit der Atomenergiekraftwerksbauer.

Ostermann: Die sich bei Ihnen wie auswirkt?

Knies: Die wirkt sich dahingehend aus, dass auch dieses als Alternative dargestellt wird, dass den Ländern dieses angeboten wird, dass wir spüren, einige wollen das behindern. Ich möchte jetzt hier keine Namen nennen. Aber wir sehen ja, wie Atomenergie in Schwellenländern global einzuschätzen ist, denken Sie an Iran, denken Sie an Nordkorea, also gerade in politisch instabilen Ländern oder das, was wir empfinden, was politisch instabil sei, dort nun Atomkraftwerke zu bauen ist doch eine der größten Schildbürgerstreiche, die man sich denken kann unter Sicherheitsgesichtspunkten.

Ostermann: Wann, hoffen Sie, wird aus der Vision Realität?

Knies: Ja, wir beginnen heute. Wir beginnen heute mit den Vorarbeiten, dieses nun zu planen, zu untersuchen und eine Strategie zu entwickeln, wie man am schnellsten anfangen kann und wie es am schnellsten marktfähig wird, sodass es im großen Stil ohne öffentliche Unterstützung laufen kann in Konkurrenz zu den Alternativen Gaskraftwerke, Ölkraftwerke, Kohlekraftwerke.

Ostermann: Gerhard Knies, der Aufsichtsratsvorsitzende der Desertec-Stiftung. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Knies: Schönen Dank, Herr Ostermann, für die Fragen!
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