"So können wir nicht weitermachen"

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 10.05.2010
Die Wahl in Nordrhein-Westfalen sei ein "Schlag ins Kontor" für die Union, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach. Die Union habe fast ein Drittel ihrer Wähler verloren, und es sei nur ein schwacher Trost, dass sie stärkste Partei geblieben sei, sagte er.
Jan-Christoph Kitzler: Es geht um die Wahl in Nordrhein-Westfalen. Da gibt es einen klaren Verlierer, nämlich die CDU. Die hat über zehn Prozent verloren. Der Amtsbonus von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat nichts genützt; gestern musste er die herbe Niederlage einräumen. Darüber spreche ich jetzt mit Wolfgang Bosbach, er ist einer der profiliertesten CDU-Politiker aus NRW und Vorsitzender des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Bosbach.

Wolfgang Bosbach: Guten Morgen.

Kitzler: Zehn Prozent hat die CDU verloren. Woran lag's?

Bosbach: Das ist ein Schlag ins Kontor. Die Union hat fast ein Drittel ihrer Wähler verloren und da ist es ein schwacher Trost, dass man gut 6.000 Stimmen noch vor der SPD liegt und stärkste Partei geblieben ist. Es gibt nicht einen Grund, es gibt ein ganzes Bündel von Gründen. Hausgemacht ist sicherlich das Thema Sponsoring-Affäre. Das hat die Wahlkämpfer nicht gerade motiviert an Rhein und Ruhr. Aber dominierend waren bundespolitische, internationale Themen. Wir hatten einen holperigen Start mit der Koalition in Berlin, die Menschen haben sich von dieser Koalition mehr versprochen, dann kamen die bitteren Nachrichten aus Afghanistan und zum Schluss dann noch das Thema Griechenland-Hilfe. Das war kein Publikumsschlager, so notwendig es war, dass wir geholfen haben. Die Menschen stellen natürlich legitimerweise die Frage, wie konnte es überhaupt nach der Finanzkrise passieren, dass wiederum Spekulanten in der Lage sind, ganze Volkswirtschaften, hier Griechenland, an den Abgrund zu stellen, wieso ist die Politik nicht in der Lage, hier – ich sage es mal mit meinen Worten – für vorbeugenden Brandschutz zu sorgen. Stattdessen hechten wir von Brand zu Brand, um die Brände zu löschen.

Kitzler: Also eine klassische Denkzettelwahl, sowohl für Jürgen Rüttgers als auch für Angela Merkel?

Bosbach: Eine klassische Denkzettelwahl für die Koalition in Berlin. Wir haben ganz in Nordrhein-Westfalen auf den Amtsbonus von Jürgen Rüttgers gesetzt, auf seine Bekanntheit und seine Kompetenz, und daneben spielte das Thema Warnung vor Rot-Rot-Grün noch eine Rolle, aber die gute, die positive Leistungsbilanz der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die hat ja im Wahlkampf überhaupt keine Rolle gespielt, und das war auch ein Fehler, dass wir die Leistungen der Koalition nicht genügend herausgestellt haben.

Kitzler: Guido Westerwelle, der FDP-Vorsitzende, hat gestern gesagt, die FDP hat den Warnschuss gehört. Ich denke, den haben Sie in der CDU auch gehört. Was sind denn die Konsequenzen?

Bosbach: Ja. Das ist eine gute Frage! Es genügt nämlich nicht, wenn man einen Knall hört; man muss auch daraus dann die Konsequenzen ziehen und sagen, wir haben verstanden. Nehmen Sie mal das Beispiel, das wichtige Thema Sicherung der sozialen Sicherungssysteme am Beispiel Gesundheit. Es fehlt ja nicht an guten Absichten, aber es fehlt an der notwendigen Einigkeit. Zwischen FDP und CSU gibt es ja nicht nur marginale, sondern zum Teil fundamentale Unterschiede, und die Leute wollen ja nicht wissen, welche unterschiedlichen Meinungen gibt es in der Koalition in Berlin, sondern die Leute wollen wissen, wie geht es jetzt weiter, und dafür müssen wir rasch zu klaren Entscheidungen kommen. Das gilt auch für das Thema Steuerreform und Tarifsenkung.

Kitzler: Das heißt, die Bundesregierung muss den Kurs ändern? Verstehe ich Sie richtig?

Bosbach: Ja! So können wir jedenfalls nicht weitermachen wie in den letzten Monaten. Ich nehme mal ein ganz, ganz kleines Beispiel, auch auf die Gefahr hin, dass jetzt der eine oder andere in der eigenen Partei den Kopf schüttelt. Wir haben eine dramatische Situation in den öffentlichen Haushalten. Wir müssen jetzt politische Prioritäten setzen. Warum sagen wir nicht einfach, liebe Leute, wir hätten gerne den Tarifverlauf gesenkt, euch steuerlich deutlich entlastet – ich halte das übrigens auch in der Sache für richtig -, aber wir müssen jetzt andere politische Prioritäten setzen, die Kommunen dürfen nicht finanziell absaufen, wir müssen die Substanz erhalten und müssen verhindern, dass eine Musikschule nach der anderen geschlossen wird, um das mal als Beispiel zu nehmen, wir müssen die sozialen Sicherungssysteme stabilisieren, wir müssen mehr für Bildung und Forschung tun, damit wir im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein können, und deshalb stellen wir das Thema Steuern einstweilen zurück. Warum sagt das keiner.

Kitzler: Es könnte ja auch sein, dass es für Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, jetzt etwas leichter wird, weil die FDP zahmer ist nach dieser Niederlage und weil man jetzt eh sozusagen die Kooperation mit anderen Parteien braucht, wegen des Verlustes der Mehrheit im Bundesrat. Sehen Sie das auch so?

Bosbach: Ja und nein. Parteien werden nicht handzahmer, wenn sie Wahlen verlieren. Das kann auch den gegenteiligen Effekt haben, weil man glaubt, sich jetzt unbedingt auch gegenüber den größeren Parteien profilieren zu müssen. Das heißt, das bleibt erst mal abzuwarten. Es ist durchaus möglich, dass es richtig ist, was Sie sagen. Ich würde aber erst mal die Entwicklung in den nächsten Monaten abwarten. Aber erfolgreich sind die Parteien nicht, wenn sie sich mit Streit gegeneinander profilieren, wenn sie große Plakate kleben. Erfolgreich sind Parteien nur, wenn sie gute Politik machen.

Kitzler: Das war Wolfgang Bosbach, einer der profiliertesten CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Vielen Dank dafür und einen schönen Tag.

Bosbach: Ich danke Ihnen.
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