Smartwatches

Sehnsucht nach der intelligenten Uhr

Smartwatch
Smartwatch - oder: das Smartphone als Armbanduhr © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Von Christian Grasse · 21.08.2014
Knapp die Hälfte aller Deutschen besitzt ein Smartphone. Der Hunger auf Innovation ist aber noch nicht gestillt. Smartwatches sollen ihn befriedigen. Das sind intelligente Computer-Uhren. Kommt die neue Technik an?
Darrell Etherington vom US-Technologie-Blog Techcrunch ist angetan von der Moto 360. Ende Juni veröffentlichte er ein Hands On Video. Einen ersten, auf Video festgehaltenen, persönlichen Eindruck über eine mehr oder weniger smarte Uhr mit Touchdisplay, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie im Gegensatz zu diversen Konkurrenz-Produkten rund statt eckig ist.
Darrell Etherington: "Die Konkurrenz behauptet, ein rechteckiges Design sei effizienter und platzsparender. Motorola behauptet nun einfach das Gegenteil."
Sieben Jahre nachdem Apple mit dem iPhone das Mobiltelefon neu erfunden hat, drängt nun eine neue Geräteklasse auf den Markt. Die so genannten Smartwatches. Der Wunsch nach einem solchen neuen technischen Begleiter scheint enorm zu sein. Allein die Gerüchte um eine Smartwatch aus dem Hause Apple fördert bei einer Google-Suche über 20 Millionen Webseiteneinträge zu Tage, die den Begriff "iWatch" verwenden. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Patent bekannt, das die Firma aus Cupertino bereits im Jahr 2011 einreichte. Sam Machkovech vom New Yorker Onlinemagazin Arstechnica deutet das als einen weiteren Hinweis darauf, dass im Herbst nicht nur zwei neue Telefone, sondern auch eine Smartwatch mit Apfellogo erscheinen könnte.
Sam Machkovech: "Während Qualcomm, Samsung und Google dieses neue Technik-Segment längst dominieren und weiter wachsen, ist es um Apple bis auf endlose Gerüchte erstaunlich ruhig."
Die ersten modernen Minicomputer für das Handgelenk kamen bereits vor mehr als einem Jahr auf den Markt. Was diese erste Generation laut US-Technikpresse vereint, ist die Ansicht, dass sie noch weit davon entfernt sind wirklich smart zu sein. "So far, smartwatches are pretty dumb" - "Bis jetzt sind Smartwatches ziemlich dumm." So betitelte die amerikanische Technik-Journalistin Rachel Metz ihren Test-Bericht im Magazin Technology Review.
Rachel Metz: "Nachdem ich einige Smartwatches ausprobiert habe, ist mir klar geworden, dass ein wirklich gutes Gerät mehr können muss, als zuverlässig und simpel in der Bedienung zu sein. Es muss lernen, was ich tue, wann ich gestört werden möchte und wann nicht."
Zu klobig für Zukunftsmusik
Ein ähnliches Urteil erlaubt sich auch die Redaktion des Technik-Blogs The Verge. Ende Juni veröffentlichten die Macher einen ausführlichen Testbericht über Googles Betriebssystem Android Wear, auf das einige Smartwatch-Hersteller setzen.
"Wir reden seit Jahren über Smartwatches und wir haben so gar schon ein paar gute in der Hand gehabt. Aber erst jetzt wird dank Android Wear das Potenzial erkennbar. Mitteilungen, Karten, Sprachsteuerung, die computerisierte Intelligenz von Google, all das kommt nun auf's Handgelenk. Zugegeben, das funkioniert noch nicht perfekt. Android Wear schwankt oft zwischen Magie und Kopfschmerzen. Google muss an der Balance arbeiten, Nutzern bestimmte Entscheidungen zu überlassen und andere Dinge automatisch zu erledigen."
Bisher zeichnen sich Smartwatches also vor allem dadurch aus, dass ihnen Potenzial zugeschrieben wird. Tatsächlich realisiert sei das bisher allerdings noch nicht. Molly Wood vom Technologie-Ressort der New York Times fasst das so zusammen:
Molly Wood: "Ich sehe viel Potenzial. Ich könnte von meiner Uhr aus einen Film starten und ihn per Sprachbefehl an den Fernseher senden, die Klimaanlage oder mein Auto bedienen. Zugegeben, das ist alles Zukunftsmusik. Smartwatches heute; sind klobig, verstehen nur jedes zweite Wort, das ich ihnen sage und müssen mindestens einmal am Tag an die Steckdose. Die Realität sieht noch nicht ganz so rosig aus."
Weit davon entfernt marktreif zu sein
Eine Technologie also, die zwar voller Potenzial steckt, aber die Erwartungen auf verschiedenen Ebenen noch nicht erfüllt und streng genommen weit davon entfernt ist marktreif zu sein. Trotzdem sollen sie Millionen Kunden kaufen. Diese, verkürzt wiedergegebene, fundamentale Kritik stammt von Marcus Wohlsen und ist im US-Magazin Wired erschienen. Wohlsen titelt passend mit der Überschrift: "Smartwatches Won't Sell Until Someone Figures Out What They're For" - "Smartwatches werden solange nicht gekauft, bis jemand herausfindet, was wir damit eigentlich anstellen sollen". Außerdem schreibt Wohlsen:
Marcus Wohlsen: "Technologische Innovation ist nur dann relevant, wenn die Technik oder zumindest ihr Design einen tatsächlichen Wandel verursacht."
Smartwatches werden eine neue Technik-Ära einleuten. Sie bringen die Nische des Wearable Computing, der körpernahen Computertechnik auf den Massenmarkt. Technik und Körper, Daten und Verhalten werden mehr und mehr miteinander verknüpft. Google hat sein Körper-Daten Portal "Google Fit" bereits vorgestellt. Die Daten von digitalen Schrittzählern, Pulsmessern, W-Lan-Waagen und Smartwatches lassen sich dort zusammenführen und analysieren. Apples Pendant hört auf den Namen "Health Kit". Beide Dienste erfordern Geräte, die wir bestenfalls ständig am Körper tragen. Und was eignet sich dafür besser als eine Uhr, die eigenständig oder in Kombination mit unserem Telefon mit dem Internet verbunden ist? Dass diese neue Ära der tragbaren Computer auch die Debatte rund um den Datenschutz neu befeuern wird, dürfte ebenso klar sein.
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